" Re: Wie angele ich mir einen Millionär "?



Der französisch - deutsche Gemeinschaftssender " arte " ist ja eher dafür bekannt, dass die Beitrage in dem so genannten Vollprogramm zumindest überwiegend mehr Niveau aufweisen, als jene, die das Bunt - Krawall - Unterschichtsfernesehen anbietet. Nun könnte der TV - Kritiker sofort einwenden, dass dieses wohl auch keine große Kunst sein muss. Richtig! Dennoch zeichnet sich " arte " eben auch dadurch aus, dass die Reportagen einen klaren Realitätsbezug haben.

So auch diese, die in der Reihe " Re " gesendet werden.

In einer Sendung des " swr ", die dieser bereits 2017 produzierte hat, befasst sich der Beitrag mit den grundsätzlichen Problemen junger und jünger Frauen, die im fernen Moskau zu Hunderttausenden dahin vegetieren, also ein tristes Leben führen müssen, dass sich im Umfeld von Beruf, der nicht viel Geld einbringt, trostloser Wohnsituation am Rande der Stadt und aussichtsloser Partnersuche abspielt.

Ein solches " Hundeleben ", nahe der Armutsgrenze ", bestreitet die 27jährige Tanja Tsupova. Sie zog vor vielen Jahren zusammen mit ihren Eltern nach Moskau, da ihr Vater zu jener Zeit arbeitslos wurde und keine Stelle mehr bekam. Hier schlug sich die Familie zunächst mit dem Geld, dass der Vater durch Gelegenheitsjobs erhielt, mehr schlecht als recht durch. Tanja zog dann aus. Sie bewohnt seitdem eine Einzimmer - Wohnung in der Peripherie der russischen Metropole, erhält für ihre Tätigkeit als Buchhalterin 80.000 Rubel, was in etwa 1.000 Euro entspricht und ist deshalb auf der Suche nach einem besseren Leben, zumal sie täglich zirka 3 Stunden An - und Abfahrt zur Arbeitsstelle benötigt.

Dieses Leben soll ihr ein reicher, ein wohlhabender Mann, ermöglichen. Diesen Wunsch umzusetzen, ist leichter gesagt als getan. Deshalb hat Tanja einen Kurs belegt, mit dessen Hilfe sie ihr eigenes Image und ihr Selbstbewusstsein aufpolieren möchte. Die Dame, die ein solches Vorhaben umsetzen möchte, lässt sich gemeinhin im denglischen Vokabular als " Coach " bezeichnen. Sie versucht die Teilnehmerinnen darauf zu trimmen, ihr eigenes Lebens so zu verändern, dass sie nicht nur selbstbewusst auftreten, sondern sich dadurch bei Männern mit Geld interessant machen. Dazu gehört allerdings auch ein aufgestyltes Äußeres. Gut, da gibt es auch in Russland und in Moskau alle Male, entsprechende Einkaufsmöglichkeiten.

Hier ein wenige Rouge, dort ein dezenter Lippenstift und auch ein paar Tröpfchen eines namhaften Parfüms dürfen nicht fehlen und schon könnten die eingeimpften Verhaltensweisen in den so bezeichneten Moskauer " Jagdschulen " vielleicht Früchte tragen.

Doch die Konkurrenz ist groß und vielbeinig. Sie besuchte bereits vor Tanja jene Theater der Illusionen, um sich etwas vorgaukeln zu lassen. Tatsächlich helfen derartige " Lebensschulen " nur einer einzigen Person: der Betreiberin, die sich für die Weitergabe ihrer Lebensweisheiten ordentlich von den vielen, auf die Millionärsjagd sich vorbereitenden Mädels bezahlen lassen.
Die Nachfrage steigt, das Geschäft boomt, der Rubel rollt.

Deshalb darf sich die nicht mehr ganz so taufrische Tanja doch der irrealen Vorstellung hingeben, irgendwann einen Millionär mit Herz kennen zu lernen, der sie  aus ihrem Einzimmer - Loch in der tristen Platte vor den Toren Moskaus heraus holt. Seit dem Zusammenbruch der UdSSR ist Russland zum Synonym für die tägliche gelebten, sozialen Verwerfungen. In keinem anderen Staat Europas ist die Gesellschaft derart krass auseinander gedriftet; sind die gesehenen Unterschiede zwischen Arm und Reich so gravierend.

Tanja Tsupova muss deshalb als Beispiel dafür herhalten, wie der erkannte, einzige Ausweg aus ihrer Tristesse am Rande des Existenzminimums leben zu müssen, zu einem Irrweg verkommt. Sie wird keinem Millionär mit Herz begegnen, denn die sind längst vergeben und  besetzt. Nur dieses erzählt die Betreiberin einer dieser unsinnigen Jagdschulen ihr garantiert nicht, denn sonst könnte sie selbst auch nicht mehr existieren und müsste so leben, wie Tanja Tsupova - im Ghetto, am Rande der Stadt und in den Niederungen des tagtäglichen Elends zwischen Bangen und Hoffen auf einen Märchenprinzen - einem Millionär mit Herz.

Mit 17 hat man noch Träume. Mit 27 sollten diese langsam ausgeträumt sein, sonst wird es zu spät für das eigene Leben.

Ein anderes Beispiel wird auch gezeigt. Eine Unternehmerin, die sich vor einigen Jahren nach einer besseren Ausbildung selbständig gemacht hat und mit einer Geschäftsidee ihr eigens Geld verdient. Sicherlich eine Ausnahme. Aber diese zeigt aber: Es geht eben auch anders.

Die russische Frau in der dortigen Gesellschaft ist in ihrem Rollenbild so zerrissen, wie die Gesellschaft selbst - zwischen Püppchen und Powerfrau.



" Shaa Khan " - " Anything Wrong " - 1979:



 










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