Die Duplo - Bausteine von Süstedt



Die Diskussion um das Thema " Arm und Reich " dürfte so alt sein, wie die halbwegs zivilisierte Menschheit selbst. Da der Urmensch wohl von den Primaten abstammt, dieser dann in Horden als Jäger und Sammler lebte und sich bereits zu jener Zeit wechselseitig mit Keulen und anderen Gedöns den Schädel einschlug, war dadurch auch klar, dass es hierbei auch um den eigenen Besitzstand ging.

Gut, diese Zeiten sind sehr lange her, aber eben längst nicht vorbei. Das Streben nach Besitztümern ist auch dem - oder gerade dem - Menschen der Zivilgesellschaft immanent. Es wurde ihm quasi mit der Muttermilch beigegeben.

Wer dieses umsetzen möchte, sollte hierfür Ideen entwickeln und dabei auch darauf achten, dass es nicht nur bei der bloßen Absicht verbleibt. Oft reichen dafür Beziehungen oder manchmal einfach nur ein wenig Glück.

Als ich vor 20 Jahren aus einem Kaff bei Verden in das Kaff Süstedt bei Bruchhausen - Vilsen im Landkreis Diepholz zog, waren die Tage meiner ersten Ehe längst gezählt. Deshalb begann ich bereits den Hausrat auszumisten. Das überflüssigen Zeugs, was eigentlich nur mitgeschleppt wurde, ohne das es einen tatsächlichen Wert mehr darstellte, lag eines Tages als Sperrmüll an der Straßenseite des Grundstücks auf dem der damalige Eigentümer Hermann G. sich nach Übernahme des elterlichen Hofs zunächst mit der Milchwirtschaft versuchte. Daraus wurde nicht viel. Die Wettbewerbsbedingungen in der industriellen Landwirtschaft sind knallhart. Neben der so genannten Milchquote schlagen die extrem niedrigen Abnahmepreise zu Buche.

G. gab diese Sparte auf und versuchte sich in der Geflügelzucht. Doch auch hier gilt das Obengesagte. Nach einigen Jahren musste G. erneut aufgeben. Seine dritte Chance kam mit Pensionspferden. Er baute seine Stallungen um und vermietete sie an Pferdehalter.Gleichzeitig hatte er aufgrund einer gesetzlichen Regelung, wonach er auf seinem Hof ohne große Einschränkungen ein Wohnhaus für seine Eltern bauen durfte, dieses später mit Mietwohnungen bestückt und als Wohnraum vermietet. Das war zwar ohne entsprechende Baugenehmigung nicht gesetzeskonform, jedoch kümmerte sich in den Behörden niemand um die rechtswidrige Nutzung.

Es G, mit dem Hof G, in der Folgezeit wieder aufwärts. Die Stallungen waren gut belegt und G. hatte ordentliche Einnahmen.

Im Mai zog ich dort ein; im Oktober bereits wieder aus. Es gab Ärger, nachdem klar wurde, dass G. seine Wohnungen nicht hätte vermieten dürfen. Einige der mindesten 10 Parteien zogen wieder aus. Ich gehörte auch dazu. Und weil ich beim Auszug keinen unnötigen Krempel in mein Büro mitschleppten wollte, bestellte ich bei der Gemeinde eine Sperrmüllabfuhr.

An jenem Abend lagen jede Menge alte Möbelteile, Spielzeug meiner Tochter und Teppiche des Nachbarn, der ebenfalls die Wohnung räumen wollte, an der Straße. In dem Berg von Gegenständen lagen auch eine große Kisten mit " Duplo " - Bausteinen. Meine Tochter hatte diese irgendwann zu einem ihrer Geburtstage geschenkt bekommen. Doch gespielt hat sie nie damit. Und daran würde sich nicht viel ändern. Deshalb legte ich den Plastebeutel mit den Spielsteinen zu dem Sperrmüll.

Als ich am nächsten Morgen zu der Bushaltestelle in Süstedt ging, traute ich meinen Augen nicht. Von dem gesamten Sperrmüllhaufen war kein einziges Teil mehr vorhanden. Über Nacht hatten Einheimische den Krempel in ein Auto geladen und abtransportiert. Das ist zwar nicht legal, aber mich hat es einst nicht gestört. Die Abfuhr war damals noch kostenfrei und außer der Fahrt zu dem Hausgrundstück hatte die Müllentsorgung keinen großen Aufwand zu betreiben, zumal ja keine Gegenstände in den LKW einzuladen waren. So fuhren sie unverrichteter Dinge wieder zur nächsten Stelle.

Kurz danach erfuhr ich, dass aus der direkten Nachbarschaft Bewohner eines Hofs gekommen      waren, um die an der Straße liegenden Gegenstände einzuladen. Ob sie diese auf einem Trödelmarkt weiter verkauft haben oder selbst nutzten, konnte mir der eigene Wohnungsnachbar nicht sagen.

Während der Busfahrt überlegte ich, dass es auch auf dem so genannten platten Lande Armut gibt. Sie zeigt sich jedoch nicht so offensichtlich, wie in einer Stadt oder Großstadt. Sie versteckt sich zumeist hinter alten Gemäuern, in renovierungsbedürftigen Wohnung und Häusern und schämt sich mit den davon betroffenen Menschen herauszutreten.

Die aktuelle Diskussion um die Essener Tafel ist aber genauso beschämend, wie jene  rund um die davon betroffenen Menschen, die allesamt bedürftig sind. Ob nun Ausländer oder nicht spielt hierbei keine Rolle. Wenn jetzt Arm gegen Arm ausgespielt wird, weil der eine Arme hellhäutig oder Deutscher ist und der andere eine dunklere Hautfarbe besitzt und dazu keinen deutschen Pass, stimmt irgendetwas nicht in diesem Land. Die Proportionen haben sich verschoben. Die Maßnahme der " Essener Tafel " bedeutet eben nicht, dass Existenz der " Tafeln " dadurch insgesamt in Frage gestellt werden muss, sondern sie zeigt nur, dass die zunehmende Verarmung bestimmter Bevölkerungsgruppen rapide zugenommen hat, sonst würde es die " Tafeln " nicht geben. Andererseits wird damit dokumentiert, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, ein wenig von dem eigenen Besitzstand abzugeben, auch heute noch vorhanden ist.

So, wie ich einst - wenn auch ungewollt - das Kinderspielzeug als Sperrmüll an die Straße gestellt hatte, in der Hoffnung, dass irgendjemand sie von dort mitnimmt.


" Spooky Tooth " - Down The River " - The Last Puff " - 1970:












https://de.wikipedia.org/wiki/Lego

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