DT 64: " Och, der kommt doch aus der Zone! "


Brrrrh, es ist nun doch kalt geworden. An einigen Stellen in unserem schönen Freistaat sanken die Temperaturen auf zweistellige Minusgrade. Da heißt es sofort: Richtig warm anziehen, sonst kann es eine böse Überraschung, die sich gemeinhin als Erkältung zeigt, geben. Zu den Hiobsbotschaften, die die massenhaft sich erklärenden " Wetterfrösche " uns über die ungezählten Medien verkünden, kam gestern noch jene Meldung, deren Sinnhaftigkeit sich den nach 1989 Geborenen nun wahrlich nur schwer erschließt:

Ab dem 6. Februar 2018 lebt der Gesamtdeutsche länger ohne, als mit der so genannten Mauer. Will heißen: Die Grenze der DDR, der anti - faschistische, anti - imperialistische Schutzwall, die Zonengrenze, durfte gestern Bergfest feiern. Hach, was haben wir uns als deutsch - deutsches Ehepaar da gefreut.

Ohne Willy Brandt´s - von den Ex - Nazis und Reaktionären in der CDU / CSU - mit allen Mitteln bekämpfte Ostpolitik, die da seit  den späten 1960er Jahre " Wandel durch Annäherung " benannt wurde ( es hätte sogar umgedreht sein können ) wäre dieses wohl kaum möglich und ohne den einstigen " Glasnost " und " Perestroika " - Verfechter Michael Gorbatschow schon gar nicht. Alle anderen Beteiligten, wie etwa auch der einstige US - Präsident Ronald Reagan, die damalige britische Premierministerin Margret Thatcher und der französische Staatspräsident Francois Mitterand, aber auch Kohl, Genscher, Schäuble, sind allenfalls Randfiguren.

Nach dem 9. November 1989 aber brach zunächst das zusammen, was längst nicht mehr zusammen hielt: Das gesamte Staats - und Wirtschaftsgebilde der DDR. Und mit diesem auch die staatlich gelenkten Medien. Die Kohl - Regierung in Bonn / Berlin ließ jene Relikte abwickeln, deren Herkunft, Nutzen und Fortbestand als zweifelhaft im Sinne der hiernach oktroyierten, vermeintlich demokratischen Strukturen zu sein schienen.

Mit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten entschwand auch ein DDR - Sender, der ein Vierteljahrhundert zuvor ins Leben gerufen wurde, um einen Gegenpol zu den BRD - Sendern und der - auch - in der DDR - Jugend immanenten Sehnsucht nach zeitgemäßer Musik zu entsprechen.

Der Sender wurde " DT 64 " getauft. Hierzu heißt es bei seinem indirekten Nachfolger:


" Der Rundfunk war in der DDR direkt dem ZK der SED unterstellt und schon nach dem Deutschlandtreffen 1964 wurde mit dem neuen Sender DT 64 (also "Deutschlandtreffen 1964") um die Gunst der Hörer gebuhlt. Die Konkurrenz aus dem Westen war groß. Der Rundfunk der DDR hatte also Nachholbedarf in Sachen Hörergunst. Im Jahr 1968 wurden gleich zwei Serien in den Äther geschickt: "Neumann, 2x klingeln" auf Radio DDR I  und "Was ist denn heut‘ bei Findigs los?" auf dem Berliner Rundfunk. Wobei die Findigs in meiner Familie "schlechte Karten" hatten, da sie genau vor den 7-Uhr-Nachrichten kamen und mein Vater rechtzeitig umschalten und den Deutschlandfunk suchen musste. ".............................


https://www.mdr.de/zeitreise/neumann-zweimal-klingeln-hoerspiel-ddr-lindenstrasse-des-ostens-100.html

Was aus dem am 1. Mai 1993 ( also vor demnächst 25 Jahren ! ) endgültig abgeschalteten Sender " DT 64 " wurde, lässt sich u.a. hier nach lesen:


https://de.wikipedia.org/wiki/DT64

Das die Döspaddel von der " JU ", dem reaktionären Jungvolk der CDU / CSU den Sender sofort aus dem Äther verbannt gesehen hätten, war natürlich völlig klar. Wer nur schwarz - weiß Denken im Spatzenhirn hat, den interessieren eben keine Grautöne und schon gar nicht eine farbige Medienlandschaft.

Auch bei der westdeutschen Presse kam der Jugendsender eher weniger gut weg. " DER SPIEGEL " sah in diesem Programm eine " Mogelpackung aus Pop und Propaganda ", weil auch" DT 64 " natürlich unter die strenge und mit einer Zensur unterlegten, staatlichen Kontrolle fiel. Dennoch war der Sender bei der DDR - Jugend beliebt.

http://www.spiegel.de/einestages/ddr-jugendsender-dt64-wird-50-zwischen-pop-und-propaganda-a-969351.html

Und nicht nur bei der. Als ich am 1. April 1972 meinen Kriegsdienst bei der Ausbildungseinheit 408 in Munster - Lager anzutreten hatte, brachten einige, Musikfans auch ihre Kofferradios mit in die Kasernen. Dann plärrte nach Dienstschluss irgendwo, irgendein BRD - Sender, irgendein Rock - oder Popsong über das Gelände. Bei guten Wetter rissen die Mitleidenden die Fenster der Stuben auf und die Musik von NDR II, Radio Bremen " Hansa Welle " oder dem Deutschlandfunk schallte in den Kasernenhof herunter.

Nur DDR - Sender, die aufgrund der grenznahen Lage der Stadt Munster / Örtze waren bei ihnen nicht beliebt. Als ich eines Tages selbst ein Kofferradio mitbrachte und dort in den späten Nachmittagsstunden an dem Sendersuchlauf herum drehte, hörte ich zufällig " DT 64 ". In dem Programm wurden Rocktitel abgenudelt, die ich sicherlich und größtenteils kannte. Nur bei den DDR - Bands hatte ich ein wenig Nachholbedarf. Meine Stubenkameraden waren davon eher weniger begeistert. Einige kamen aus den Nachbarorten oder aus Städten, die in anliegenden Landkreisen lagen, wie Celle, Lüneburg oder Uelzen. Sie kannten " DT 64 " und gaben mir, als ich sie befragte, warum sie denn den Sender nicht mochten und hören wollten, zur Antwort:
" Och, der kommt doch aus der Zone! "

Einige Monate später, ich war zur Stammkompanie II, die  in einem einige Hundert Meter entfernten Gebäude untergebracht war, versetzt worden, hörte ich " DT 64 " allein auf der 2 - Mann - Stube. Dazu las ich - als konservatives Korrelat zu der versuchten Radio - Indoktrination - die Ausgaben des Springer´schen Kampfblattes " DIE WELT " und trank nebenbei schwarzen Tee.
Während sich die Mehrzahl meiner vermeintlichen Kameraden die restlichen Grauen Zellen durch den Suff ( vornehmlich Kisten weise Billig - Bier ) reduzierten, hatte ich es eher mit dem billigen, weil aus der Küche geholten Tee. Und dazu " Njemen ", die " Puhdys ", " Silly ", " Karat ", " Lift  " oder " Omega " - Musik von " DT 64 " aus dem " Telefunken Bajazzo TS " - Mono - Kofferradio. Gut, das Lügenblatt aus dem Hause Springer schenke ich mir jetzt, weil es aber keine anderen Tageszeitungen gab, sondern nur die " BW " - Postillen " Loyal " und weiterer Kriegsrhetorik - Dreck, las ich dieses Mistblatt, dass die DDR immer noch In Anführungsstriche setze. Dafür aber eben " DT 64 " im Hintergrund.

Und, so 25 Jahre danach: Irgendwie war die Mugge damals jut. Die Klassenkampf - Propaganda mal beiseite geschoben, war es ein super Sender, der alle Male das Zeug dazu hatte, auch nach der Wende genügend Zuhörer zu finden. Schließlich wäre er ja demokratisch staatstragend geworden.
Nun, er ist in der Versenkung verschwunden und wird von dort nie wieder auftauchen.

Eine schöne Erinnerung an den Kriegsdienst verbleibt mir dennoch. Auch wenn ich nach Ende 1973 das Programm leider nicht mehr empfangen konnte. Denn " DT 64 " war:
ein " Zonensender " oder: " Och, der kommt ja aus der Zone! "


" Stern Combo Meißen " - " Allein / Hinwendungen " -


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