Beim Tierarzt


Stubentiger No. 4 ist jetzt 10 Monate alt. Er mannt so langsam, aber dafür sicher. Das bedeutet, dass er entmannt werden soll. Zunächst um zu verhindern, dass der Kater seine penetrant riechenden Duftmarken überall in das Haus setzt. Vor allem aber, darf er sich nicht unkontrolliert vermehren. Es gibt schon genug Hauskatzen. Und davon zu viele Tiere, die ausgesetzt wurden. Auch den Rasern auf der Wiesbadener Straße soll unser Finn nicht zum Opfer fallen, falls er Testosteron gesteuert, dem Vermehrungsdrang und dem Liebeswahn gehorchend, unachtsam die Formel Eens - Piste überqueren möchte.

So rief ich vor einigen Tagen bei einer Tierärztin in der Nähe an und vereinbarte einen Termin, an dem ich den Jäger vorstellen konnte. Am Mittwoch um 9.00 Uhr war es dann soweit. Ich ließ den Kater einen Abend vorher - welch´frevlerische Tat - ohne Futter und separierte ihn von der übrigen Truppe. Am folgenden Morgen holte ich die Transportbox, legte die zwei Handtücher akkurat auf den Boden des Plaste - Gegenstands und schob Finn hinein. Dann ging die Fahrt hoch nach Gorbitz, wo die Praxis liegt.

Dort saßen bereits einige Hunde - sowie ein Katzenhalter im Wartezimmer. Vor einigen Jahren war ich bereits schon einmal dort. Mit einem anderen Kater, der inzwischen im Katzenhimmel verweilt. Die Praxis hebt sich von anderen Kleintier - Praxen nicht sonderlich ab. Das Wartezimmer ist weiß getüncht und mit einfachen Stühlen ausgestattet. Der Fliesen belegte Boden zeigt jene Funktionalität, die auch bei anderen Praxen auch gesehen habe: Er lässt sich schnell und unkompliziert von dem Straßenschmutz und den Tierhaaren und mehr, reinigen. An den Wänden der Praxis und dem Anmelderaum, hängen einige Bilder sowie die mir seit Jahrzehnten bekannten Hochglanz - Tableaus über die existierenden Hunde - und Katzenrassen. Werbeprospekte verschiedener Arzneimittelhersteller und sonstige Informationsbroschüren zählen auch zu dem üblichen Lesestoff in dieser Tierarztpraxis, die sich in einem - wohl nach der Wende - sanierten, älteren Haus befindet, dass visavis zu dem Problem - Wohngebiet Gorbitz liegt. Und just dieses Klientel saß denn auch im Wohnzimmer.

Nun,ja, der kalte Rauch aus der Bekleidung jener Frauchen, die mit ihren Senfhunden neben mir saßen, lässt sich noch ertragen. Das ständige Geknurre und Gekläffe, sobald ein neuer Patient auf vier Beinen nebst zweibeinigem Herrchen den Warteraum betritt, ist da schon gewöhnungsbedürftiger. So saß ich dort und beobachtete die anderen Tierhalter. Ein größerer, schwarzer Hund mit Halter betrat kurz darauf das Wartezimmer. Ein wildes Gekläffe begann. Der Labrador - ich vermutete dahinter zunächst eine junge Deutsche Dogge - ging unbeeindruckt in den Anmelderaum. Die beiden anderen Kläffer beruhigten sich wieder. Unseren Finn ließ das völlig kalt. Er dachte wohl, dass dieses Gebelle eben nur Kinderkram sein muss; während er ja längst Mann und deshalb erwachsen ist.

Die Wartezeit zog sich hin. So hatte ich ein wenig Gelegenheit, über einige kleine Episoden aus der Zeit, in der ich mehrfacher Tierhalter, ja, Unterhalter eines kleinen Privatzoos war, zu sinnieren. Mit den Tierärzten hatte ich deshalb ständig zu tun und - so am Rande sei bemerkt - sie haben von mir ´ne Menge Kohle bekommen. Natürlich gibt es unter den Berufsausüben solche, solche und andere. Es gibt auch hier sehr gute, gute und weniger gute der Zunft.

Janusz Z. aus Bremen, ein gebürtiger Pole, war ein sehr guter Tierarzt. Er lebte für seinen Beruf und - dieses ist leider auch dort die dunkle Seite des Mondes - er war damals kein ausgesprochener Kaufmann, kein Kleinunternehmer, der auch daran dachte, dass seine Leistungen nicht nur Geld kosten, sondern auch, dass Rechnungen nicht nur ein Blatt Papier sind, dass frau/mann ungeöffnet oder auch unbeachtet in den Papierkorb oder in die Altpapiertonne wirft, sondern, dass diese zu bezahlen sind. Nun der Tierarzt Z. musste deshalb ab und an meine Leistungen in Anspruch nehmen, weil die Halunken von Tierhalter, ihre Kostenrechnungen nach der Gebührenordnung für Tierärzte ( GOT ) nicht bezahlten.

In den frühen 1990ern war die Computerisierung des Büros, der Wirtschaftszweige, der vielen
Dienstleister oder der übrigen gesellschaftlich Beteiligten noch in den Kinderschuhen. Der Aufwand bei der Rechnungserstellung gestaltete sich deshalb ungleich höher als heutzutage. Die einzelnen Gebührenpositionen für die tierärztlichen Leistungen mussten zunächst handschriftlich auf einen Vordruck gebracht werden, ehe sie dann in die korrekte Rechnungsform zu bringen war. Diese wurde dann bei dem nächsten Besuch dem Tierhalter übergeben oder - dieses geschah nicht gerade selten - sie musste mit der Post versendet werden. Viel Aufwand, für größtenteils Kleckerbeträge, die - wenn sich der Halter zahlungsresistent zeigte - dann noch angemahnt oder gerichtlich beigetrieben werden.

So manche Mark musste dabei abgeschrieben oder es musste sogar Geld zugeschustert werden, wenn der Tierhalter bereits pleite war. Damit war die eigene Arbeit mehrfach umsonst. Ein Verlustgeschäft, also, dass nicht zu häufig vorkommen sollte, denn die Kosten, wie Praxismiete, Versicherungen, Medikamente oder für die obligatorische, eine Mitarbeiterin müssen auch gedeckt werden. Und dieses, Monat für Monat.

Inzwischen sind solche umständlichen Verfahrensweisen obsolet geworden. Kollege Computer erweist sich hier als Helfer in der Not. Die Abrechnungspositionen werden in eine Programmmaske eingetragen, dann summiert und gespeichert und anschließend dem Tierhalter ausgedruckt. Bezahlt werden muss sofort. Entweder per EC - Karte oder besser noch: Nur Bares ist Wahres!

Nun kamen wir an die Reihe. Ich nahm meinen Transportkorb und stellte ihn auf den - mir längst bekannten - OP - Tisch aus Edelstahl. Die Anschaffung ist teuer. Eine Begrüßung fand nicht statt. Die Tierärztin war im Stress. Ich erklärte ihr mein - dort bereits bekanntes Anliegen - und sie untersuchte unseren jüngsten Hausbewohner auf Herz und Nieren. Nun, ja, es wurde nichts mit der Entmannung. Finn hatte leicht tränende Augen und " brüte angeblich irgendetwas aus ". Katzenschnupfen? Naja, keine wirklich überzeugende Diagnose. Wäre es so, hätte der kleine Kater längst unter Appetitlosigkeit gelitten, wäre dann eher dünn und apathisch geworden, Stattdessen wurde er groß, ärgert den weiteren Kater aus der Lausitz und ist fit, wie ein Turnschuh. Also: Nix da, mit Katzenschnupfen. Doch die Tierärztin wollte kein Risiko eingehen, verpasste ihm eine Spritze und bat, dass wir am kommenden Freitag wieder kommen, Dann geht sie zur OP über. Also: Die Kastration war nur aufgeschoben. Dafür gab es eine Rechnung - bitte gleich bar oder mit EC - Karte bezahlen - über 41,73 Euro. Huch, die Karte lag zuhause, das Bargeld war auch knapp; somit musste ich anzahlen und den Rest am Freitag - wie gehabt - entrichten.

Ach, ja, irgendwie hatte ich das Leistungs - / Gegenleistungsprinzip in dieser Tierarztpraxis nicht so richtig verinnerlicht. Denn ich war zunächst der festen Überzeugung, dass die Gesamtrechnung am Freitag zu bezahlen sei. Nein: Die Tierärztin bestand auf Zahlung der Bemühungen am selben Tag und klopfte deshalb an die Scheibe, als ich mich so aus dem Staube machen wollte. Was war das nun? Leistungserschleichung? Nein, eher Unwissenheit. Schließlich bin ich nicht nur Haushüter, Katzenbediensteter und Gärtner, sondern auch der eigene Tierarzt unserer vier Vierbeiner. Wurmkur - verabreiche ich selbst, Floh - und Ungezieferbekämpfung wird selbst kontrolliert und mit einer leichten Bindehautentzündung werde ich dank eines homöopathischen Mittels aus der Online - Apotheke auch fertig. Wozu also einen Tierarzt?

Doch: Kastration traue ich mir nicht zu. Dafür gibt es Tierärzte, die dann eben mal locker 100 Euro verlangen ( einschließlich Voruntersuchung ). Leben und leben lassen! Das war schon immer eines meiner ehernen Lebensgrundsätze.

Gut´s Nächtle mit:

Al Steward´s Klassiker ( 1976 ) " Year of the cat "











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