Mitten in Deutschland: NSU - Teil 1. Ein Film, den nur wenige sehen wollten.

Wer die Autobahn 4 von Dresden in Richtung Hessen fährt, muss - wohl oder übel - nach mehr als 170 Kilometer Strecke an der thüringischen Großstadt Jena vorbei fahren. Jena hat zurzeit mehr als 108.000 Einwohner und teilt sich in 30 Ortsteile sowie 41 städtische Bezirke auf.  Hierzu zählen auch die Stadtteile Lobenda und Winzerla. Hier wurden in den Jahren 1973, 1975 und 1977 die einstigen Mitglieder der mutmaßlichen Mörderbande National Sozialistischer Untergrund ( NSU ) Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt geboren.

Mundlos und Böhnhardt starben bekanntlich 2011; gegen Zschäpe wird seit Mai 2013 vor dem so genannten Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht München in einem Strafprozess verhandelt.

Obwohl das gesamte Verfahren gegen Beate Zschäpe noch nicht beendet ist, versuchte das Erste, jene Ereignisse rund um das Trio in Form eines dreiteiligen Fernsehfilms cineastisch aufzuarbeiten. Ein mutiges Projekt, das angesichts der Komplexität der Ereignisse, schon an sich eine Herausforderung darstellt. Hinzu kommt das Erfordernis, die Geschehen in den ersten Nachwendejahren möglichst authentisch darzustellen, weil dort der Ursprung der späteren Radikalisierung liegt.

Und so beginnt der erste Teil, der den Untertitel " Die Täter " trägt, mit der Tristesse in jenem Stadtteil Jena´s der sich Winzerla nennt und aus trostlosen, einförmigen Wohneinheiten besteht, die der praktizierte SED - Apparat den dortigen Werktätigen aufoktroyiert hat, weil die Wohnungsnot in der DDR schnellstens behoben werden musste und der bürgerliche Baustil in Form von Altbauten als dekadent galt.

Winzerla, empfindet der Zuschauer demgemäß als Ghetto im Ghetto, denn die Zeit nach 1989, als sich das Gefängnis, die Mauer, öffnete, bedeutete für jene Bewohner zunächst Abwicklung der Betriebe durch die Treuhand und sofortige Arbeitslosigkeit. Dem stand der sich langsam auf bauende Tsunami an West - Produkten entgegen, die zwar angeboten wurden, jedoch alsbald nicht bezahlbar waren.

Kohl´s " Blühende Landschaft " entwickelte sich jetzt zu einer Farce. Und in mitten dieses schleichenden Niedergangs von DDR - Sozialisation und kapitalistischen Konsumdenken, treiben drei Jugendliche in den Rechtsradikalismus ab.

Das familiäre Umfeld, dass bei allen drei Protagonisten, mehr oder weniger, als geordnet gesehen werden könnte, spielt dabei eher eine Sekundär - Rolle. Allenfalls die Mutter von Zschäpe, die als Alkoholikerin, ihr eigenes Leben nicht zu richtig in geordnete Bahnen leiten kann, fällt hierzu ein wenig ab. Mundlos und Böhnhardts Familie indes zeigt die sattsam bekannten - auch in der DDR geförderten - Strukturen. Mundlos hat einen behinderten Bruder, um den er sich rührend bemüht. Böhnhardts ältere Bruder indes verstirbt kurz vor der Wende auf mysteriöse Weise. Dieser soll danach eine Art Trauma erlitten haben.  Dennoch zeigen sich die Elternhäuser der beiden Männer eher als stabil, denn als anfällig für faschistisches Gedankengut.

Mundlos beginnt sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren und lässt von diesem Gedankengut auf während der Bundeswehrzeit nicht ab. Er wird disziplinarisch belangt. Ein MAD - Beamter überprüft seine Gesinnung. Zu einer Sanktion durch das Truppendienstgericht kommt es jedoch nicht. Inzwischen lernt er, der dann zum intellektuellen Kopf der Bande avanciert, eine Vielzahl von Neo - Faschisten und NPDler kennen. Er wird zunehmend verbohrter und sucht die Auseinandersetzung mit seinem Vater, der seine Gesinnung strikt ablehnt.

Später kommt es zum familiären Bruch. Mundlos sieht seine neue Familie bei den so genannten Kameraden, mit denen er Aktionen gegen staatliche Einrichtungen plant. Er wird später wegen des Zeigens von verfassungsfeindlichen Symbolen durch das Amtsgericht Chemnitz zu einer Geldstrafe verurteilt und erhält in der KZ - Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot, weil er dort in brauner Uniform auftritt.

Böhnhardt indes ist strafrechtlich von einem ganz anderen Kaliber. Er sitzt bereits als Jugendlicher wegen diverser Delikte ein. Auch nach der Schulzeit  fiel er durch Straftaten auf, die später zu einer Verurteilung zu mehr als 2 Jahren und 3 Monaten Gefängnis führte. Dabei wurde weitere Verurteilungen einbezogen.
Böhnhardt mutierte zu einem gewalttätigen Schläger, der sich als sehr schnell reizbar zeigte. Später wird er wahrscheinlich dem ihm intellektuell hoch überlegenen Uwe Mundlos hörig. Er wird zum Handlanger Mundlos´.

Beate Zschäpe zeigt sich eher als labil, Sie versucht, nach einer Berufsausbildung, irgendwie auf eigenen Füßen zu stehen, verfällt aber zusehends den beiden Männern, mit denen sie eine intime Beziehung unterhält. Ob nun Zschäpe auch - wie im Film gezeigt - gewalttätig war, bleibt zunächst offen.

Als Böhnhardt seine Haftstrafe antreten soll, taucht das Trio ab. Und begeht - vermutlich - eine Vielzahl von Straftaten, ehe im Jahr 2000 der erste Mord an dem türkisch stämmigen Enver Simsek ihnen zugeordnet werden konnte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_Mundlos



https://de.wikipedia.org/wiki/Beate_Zsch%C3%A4pe



https://de.wikipedia.org/wiki/Uwe_B%C3%B6hnhardt


  Der Spagat, den der Regisseur  des ersten Films, Christian Schwochow, zeigen musste, nämlich Fiktion und Realität zusammen zu führen, scheint wohl gut gelungen. Doch die TV - Zuschauer wollten seine Melange aus Geschehenen, Mutmaßungen und Fiktion, nur zu einem geringen Teil sehen. Dieses ist leider längst Fernseh - Alltag. Solche. eher unangenehmen Themen und Ereignisse werden eher dann wahr genommen, wenn es unmittelbar vor der Haustür abläuft. Doch Jena liegt weit weg und zudem im Osten. Die 90er - und die Nuller - Jahre sind schon fast vergessen. Und zudem waren die meistens Opfer ja türkischer Abstammung.

Ich möchte nicht wissen, welch geringe Quote dieser Film in den ostdeutschen Bundesländern oder in Dresden eingespielt hat. Für mich wirkte dieser Abriss der Geschehnisse jener Nachwendejahre, wie die Rückkehr in die 1980er - Zeit, als Punks gegen Skins antraten und Popper ihr hirnloses Gehabe in der Öffentlichkeit zelebrierten.
Der erste " NSU " - Film fiel bei der Mehrzahl der Zuschauer durch Nichtbeachtung durch. Diese Majorität hat eine glänzend spielende Anna Maria Mühe verpasst, die jene zunächst orientierungslose Mitläuferin Zschäpe spielte, die später wohl jene Gewaltexzesse unterstützte.

Das faschistoide Gedankengut ist - mehr als 20 Jahre danach - wieder hoffähig geworden und breitet sich in allen Variationen in der Gesellschaft aus. Jena 90 könnte bald überall sein.


http://www.spiegel.de/kultur/tv/nsu-dreiteiler-schlechte-quoten-fuer-auftakt-in-der-ard-a-1084805.html

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