Reinhard " Stan " Libuda und die 106. Minute im Hampden Park von Glasgow.














Wenn in einigen Tagen, nämlich am 7. sowie am 14. April 2016, im Viertelfinale der UEFA Europa - League die Fußball - Mannschaften aus den Vereinen des BVB 09 Borussia Dortmund und die des FC Liverpool aufeinander treffen, dann fehlen kaum 3 weitere Wochen, bis sich jenes Ereignis zum 50. Mal jährt, dass vielleicht als erste Sensation des westdeutschen Vereinsfußballs in die Analen eingegangen ist.
Am 5. Mai 1966 standen sich im ältesten Fußballstadion der Welt, dem Hampden Park in Glasgow genau jene beiden Vereine im Finale des damaligen Europapokal der Pokalsieger gegenüber.

Die Dortmunder hatten sich durch ein 2:0 gegen Alemania Aachen am 22. Mai 1965 in Hannover den Titel im  DFB - Pokal gesichert; der FC Liverpool gewann am 1. Mai 1965 vor 100.000 Zuschauern im Londoner Wembley Stadion 2: 1 nach Verlängerung den FA - Cup gegen die Mannschaft von Leeds United.

Die Borussen aus Dortmund traten am Mittwoch, den 29. September 1965 auf der Insel Malta gegen die Mannschaft von FC Floriana an und gewann souverän mit 5:1. Das Rückspiel am 10. Oktober ( einem Sonntag ) endete in Dortmund noch deutlicher, nämlich mit 8:0. Lothar " Emma " Emmerich schoss dabei 6(!) Tore und insgesamt 7 der 13 Dortmunder Treffer.

http://www.fussballdaten.de/pokalsieger/1966/vorrunde/runde1/florianafc-dortmund/

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Der FC Liverpool bekam einen weit aus härteren Brocken vorgesetzt. Die englische Mannschaft unterlag im Hinspiel am, 29. September 1965 dem italienischen Pokalsieger Juventus Turin mit 1:0; kompensierte das Ergebnis durch ein 2:0 am 10.Oktober jedoch und zog in die nächste Runde ein.



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Hier traf der FA - Cupsieger am 24. November 1965 im Achtelfinale auf den belgischen Vertreter von Standard Lüttich, den die Liverpooler klar mit 3:1 bezwangen. Das Rückspiel am 1. Dezember 1965 in Lüttich gewannen die Engländer ebenfalls mit 2:1 und zogen in das Viertelfinale ein.

Der BVB hatte es zur gleichen Zeit mit dem bulgarischen Armeesportklub von ZSKA Sofia zu tun bekommen. Das Hinspiel in Dortmund endete 3:0 für die Borussia.

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 Im Rückspiel hatten die Dortmunder allerdings erhebliche Problem. Sie unterlagen trotz einer zwischenzeitlich 2:1 Führung durch Tore von Siegfried Held und Lothar Emmerich den knüppelhart auftretenden Bulgaren mit 4:2 und hätten durchaus auch ausscheiden können. Eine dritte Begegnung als Entscheidungsspiel wurde - wie noch in der Spielzeit 1964 / 1965 durch die Auswärtstoreregel nicht mehr möglich.

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Das Viertelfinale wurde in dem Zeitraum von 12. Januar 1966 bis 16. März ausgetragen.
Die Borussen aus Dortmund trafen am 16. Februar 1966 auf den spanischen Pokalsieger Atletico Madrid und trennten sich dort 1:1. Das Dortmunder Tor erzielte Lothar Emmerich.

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Im Rückspiel am 1. April 1966 siegten die Borussen dank eines Emmerich - Treffers in der 15. Minute 1:0.


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Der FC Liverpool trat am 1. März 1966 gegen den ungarischen Pokalsieger Honved Budapest zu Hause an und gewann die Begegnung mit 2:0. Das Rückspiel in der ungarischen Landeshauptstadt endete  eine Woche später torlos.

Am 05. April 1966 liefen die Borussen aus Dortmund in den Boleyn Ground am Londoner Upton Park ein und musste sich dort mit dem Titelverteidiger West Ham United auseinander setzten. Die Engländer führten durch ein Tor des Nationalspieler Peters mit 1.0. Dann gelang dem späteren Torschützenkönig Lothar Emmerich ein Doppelschlag ( 86. und 87. Minute ) zum 2:1 Sieg.


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Am 19. April wurde das Rückspiel angepfiffen. Im heimischen Stadion ( Kampfbahn ) Rote Erde ließen die Borussen dem englischen Vertreter keine Chance. Durch ein frühes Tor ( 1. Minute ) von " Emma " Emmerich, der dann in der 29. Minute das 2.0 folgen ließ, waren die Weichen in Richtung Finaleinzug vorzeitig gestellt. West Ham United kam noch vor der Pause zu dem Anschlusstreffer durch Byrne, ehe der Dortmunder Mittelfeldspieler Cyliax kurz vor dem Ende der Partie zum 3:1 einnetzte.


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Der FC Liverpool war am 14. April 1966 im Celtic Stadion von Glasgow, der späteren Final - Stadt, gefordert. Gegen die starken Schotten verlor Liverpool mit 0:1. Das Tor für Celtic erzielte Lennox in der 52. Minute. Schiedsrichter des ersten Halbfinals war Rudi Glöckner aus der DDR.



http://www.fussballdaten.de/pokalsieger/1966/endrunde/halbfinale/cglasgow-liverpool/


Nur 4 Tage darauf traten die beiden Vereine zum Rückspiel im Stadion an der Anfield Road an. Vor mehr als 50.000 Zuschauern besiegte Liverpool die Schotten 2:0 und zog in das Finale ein.


http://www.fussballdaten.de/pokalsieger/1966/endrunde/halbfinale/liverpool-cglasgow/


Das fand dann am 5. Mai 1966 in Glasgower Hampden Park statt. Dort, wo üblicher Weise die schottische Nationalmannschaft ihre Begegnungen austrägt oder Rubgy - Spiel und Musikveranstaltungen zu sehen sind.

http://www.fussballdaten.de/pokalsieger/1966/endrunde/finale/

An jenem Donnerstag standen sich ab 19.30 Ortszeit ( MEZ ) diese Spieler gegenüber:

Borussia DortmundFC Liverpool
Borussia Dortmund
5. Mai 1966 in Glasgow (Hampden Park)
Ergebnis: 2:1 n.V. (1:1, 0:0)
Zuschauer: 41.657
Schiedsrichter: Pierre Schwinté (Frankreich Frankreich)
FC Liverpool

Hans Tilkowski - Gerd CyliaxWolfgang Paul Kapitän der MannschaftRudi AssauerTheo Redder - Dieter KurratAlfred SchmidtWilli Sturm - Reinhard Libuda,Sigfried HeldLothar Emmerich
Trainer: Willi Multhaup
Tommy Lawrence - Chris LawlerRon Yeats Kapitän der MannschaftWillie StevensonGerry Byrne - Gordon MilneTommy Smith - Ian CallaghanRoger HuntIan St. JohnPeter Thompson
Trainer: Bill Shankly (Schottland Schottland)
Tor 1:0 Sigfried Held (62.)

Tor 2:1 Reinhard Libuda (106.)

Tor 1:1 Roger Hunt (68.)

Das Endspiel wurde von der ARD übertragen. Reporter war der WDR - Sportjournalist und " Mr. Sportschau " Ernst Huberty ( https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Huberty ). Ein kompetenter Mann, der durch seine sachlich - nüchterne Art durchaus beliebt war.

Auf der BVB - Fanseite wird das Finale noch einmal ausführlich beschrieben:


http://www.schwatzgelb.de/2001-05-05-topspiele-europapokal-1966.html


Auch auf diesen beiden Seiten kann das Ereignis von vor fast 50 Jahren noch einmal nach verfolgt werden:


http://www.transfermarkt.de/borussia-dortmund_fc-liverpool/index/spielbericht/1104800


https://de.wikipedia.org/wiki/Europapokal_der_Pokalsieger_1965/66


Die Borussen aus Dortmund schafften die Sensation. Gegen die favorisierten Liverpooler gewannen sie als erster westdeutscher Verein einen Europapokal. Zuvor hatte es Eintracht Frankfurt am 18. Mai 1960 am selben Ort mit den " Überirdischen " von Real Madrid zu tun. Vor 137.000 Zuschauern gab es ein 3:7 - Debakel https://de.wikipedia.org/wiki/Europapokal_der_Landesmeister_1959/60 ).


1965 verlor der TSV 1860 München - meine damalige Lieblingsmannschaft - mit 0:2 gegen West Ham United vor 90.000 Zuschauern im Londoner Wembley Stadion das Pokalfinale http://www.fussballdaten.de/pokalsieger/1965/endrunde/finale/westham-1860muenchen/ ).

Nun hatten die Borussen es endlich geschafft. Die Phalanx der englischen Klubs, die den europäischen Fußball zusammen mit den beiden Vereinen Real Madrid und Internationale Mailand in dieser Zeit beherrschten, war gebrochen.

Einige der Dortmunder " Helden " können das Jubiläum nicht mehr erleben. Auch die Trainer der Finalisten nicht.


Willi " Fischken " Multhaup, geboren am 19. Juli 1903 in Essen, verstarb am 18. Dezember 1982 in seiner Geburtsstadt.

William " Bill " Shankley, geboren am 2. September 1913 in Glenbuck, East Ayshire, verstarb am 29. September 1981 in Liverpool.

Der BVB Mittelfeldspieler Gerhard " Gerd " Cyliax, geboren am 23. August 1937 in Dortmund, verstarb am 17. Mai 2008.

Der Mittelfeldakteur Wilhelm " Willi " Sturm, geboren am 8. Februar 1940 in Bochum, wurde nur 56 Jahre alt und verstarb am 5. November 1966.

Lothar " Emma " Emmerich, der BVB - Mittelstürmer, geboren am 29. November 1941 in Dorstfeld, verstarb am am 13. August 2003 in Hemer.

Reinhard Libuda, genannt " Stan ", geboren am 10. Oktober 1943 in Wedlinghausen bei Lemgo, verstarb am 25. August 1996 in Gelsenkirchen.


Tja, das saßen wir ab 19.00 Uhr vor dem großen Schwarz - Weiß - Fernsehgerät im Wohnzimmer der Großeltern und warteten auf den Anpfiff, der um 19.30 Uhr MEZ in Glasgow erfolgen sollte.  Irgendwann erklang dann die Melodie für eine Eurovisonssendung und es erschien das übliche Sendezeichen. Dann meldete sich der Reporter Ernst Huberty aus dem Glasgower Hampden Park.

Die Begegnung stand zur Halbzeit 0:0. Liverpool war leicht besser und hatte einige gute Torchancen, die der sehr gut aufgelegte Hans Tilkowski jedoch vereitelte. In der zweiten Halbzeit spielte die Borussia dann von rechts nach links. In der 62. Minute verlor ein Liverpooler Spieler den Ball in der Dortmunder Hälfte an dessen Verteidiger Rudi Assauer, der erreichte Held. Siggi Held passte zu Lothar Emmerich, der sich an der linken Mittelfeldseite frei gelaufen hatte und der das Leder dann punktgenau Siggi Held in den Lauf abgab. Held lief noch ein paar Schritte und knallte die Kugel dann zum 1:0 in Tommy Lawrence Gehäuse.

Sechs Minuten später dribbelte Peter Thompson auf der rechten Dortmunderseite an drei Borussen vorbei und flankte fast von der rechten Eckfahne in den Dortmunder Strafraum. Dort nahm Roger Hunt den Ball an. Der Linienrichter hob zwischenzeitlich die Fahne, denn auch er wähnte das Leder im Aus. Nach einigen Dortmunder Protesten erkannte der französische Schiedsrichter Pierre Schwinte´auf Tor.

Das Spiel war wieder offen. Trotz weitere sehr guter Chancen gelang den überlegenden Liverpoolern kein weiterer Treffer. Es gab nach 90 Minuten Verlängerung.
Dortmund spielte in der ersten Hälfte der Verlängerung von links nach rechts. Auf dem vom Dauerregen völlig aufgeweichten und zerpflügten Rasen sollte jetzt die bessere Physis entscheiden.

Die Liverpooler hatten weitere Chancen durch Callaghan, St. John, Thompson und Hunt. Doch die Bälle wurden entweder von dem überragenden Hans Tilkowski pariert, gehalten oder flogen am Dortmunder Tor vorbei. Eine Torchance der Borussia wurde zuvor durch eine Abseitsstellung abgepfiffen.

In der zweiten Hälfte der Verlängerung traten die erschöpften Spieler von beiden Teams in umgekehrter Richtung an. Dortmund spielte nun auf das linke Tor. Dann begann die 106. Spielminute. Borussia Dortmund bekam nach einem Foul eines Liverpooler einige Meter vor dem eigenen Strafraum einen Freistoss zugesprochen. Der wurde schnell ausgeführt. Der Ball landete bei Alfred "Aki  " Schmidt, der ihn hoch zu dem auf das Liverpooler Tor zu laufende Siggi Held passte. Held lief allein auf Torhüter Lawrence zu, hatte wohl aber nicht mehr die Kraft, diesen zu umspielen, so dass sein Schuss den Keeper der Engländer am Kopf traf. Von dort prallte das Leder nach rechts in Richtung Außenlinie und wurde von dem Dortmunder Rechtsaußen Reinhard " Stan " Libuda gestoppt. Der schaute und sah das Torhüter Tommy Lawrence noch nicht im Gehäuse stand. " Stan " Libuda hob das Leder an und schoss es in einer so genannten Bogenlampe in das Liverpooler Tor. Der Verteidiger Chris Lawler, eine Kante von mindestens 1,80 Meter, versuchte noch mit der Hand den Ball aus dre linken, oberen Ecke heraus zu schlagen. Die Kugel und er lagen jedoch binnen Sekunden im Netz.

2:1 für die Borussia! Ich sprang mit schweißnassen Händen beinahe unter die Zimmerdecke und musste von meinem Vater beruhigt werden. Obwohl ich zu jener Zeit Fan von 1860 München war und meine Idole eher Hennes Küppers, Bernd Patzke, Timo Konietzka und vor allem Rudi Brunnenmeier, aber auch Peter Grosse und Otto Luttrop ( " Atom Otto " ) hießen, war ich schon wegen des verloren Finals gegen West Ham United, ein Jahr zuvor in London, an diesem Abend bis zur letzten Sekunde BVB Anhänger.

Die Dortmunder lagen am Boden und warfen sich auf den Torschützen. Ausgerechnet " Stan " Libuda machte das 2:1. Er hatte zuvor keinen Stich gegen die souverän und mit bekannt britischem Körpereinsatz, ja, sogar Härte, agierenden Liverpooler Verteidiger bekommen. Seine Dribblings blieben wirkungslos. Spätestens nach dem 2. Gegenspieler blieb er dort hängen und verlor den Ball. Eine einzige Enttäuschung. Auch die Tormaschine " Emma " Emmerich stotterte gewaltig. Er wurde exzellent gedeckt und wirkte irgendwie gehemmt. Dafür wuchsen andere Borussen über sich hinaus. Hans Tilkowski beispielsweise, aber auch " Hoppi " Kurrat oder " Aki " Schmidt sowie auch der spätere Schalke 04 - Manager Rudi Assauer spielen überragend.

Dann pfiff Schiedsrichter Schwinte´die Begegnung ab. Es muss wohl so gegen 22.00 Uhr gewesen sein, an jenem Donnerstagabend, an jenem 5. Mai 1966 im Glasgower Hampden Park vor nur knapp 42.000 Zuschauern, aber vielen Millionen an den klobigen TV - Geräten in Westdeutschland und Europa, als die Schwarz - Gelben aus Dortmund Fußballgeschichte schrieben.

Wie war das noch gleich? In jener denkwürdigen 106. Minute?

" Jetzt hat Held eine Möglichkeit! " " Und trifft nur den Kopf von Lawler ( - gemeint war aber der Torhüter Lawrence ) ! "
"   Libuda´s Ball senkt sich! Ins Tor! Ins Tor! Ins Tor! Es ist unglaublich! "
" Libuda´s Ball senkt sich ins Tor zum 2:1 für Borussia Dortmund. In der Verlängerung. In der 106. Minute! "






Und hier noch einmal die BVB - Geschichte 1965 / 1966:






Und so hörte es sich im englischen Fernsehen an:








Und für Hard - Core - Fans, die komplette Aufzeichnung der BBC aus Glasgow:





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