Ein Mal Waschen, Fönen, Schieben.



Als ich mich vor 44 Jahren mit der Fahrerlaubnis der Klasse III versuchte, dabei bald zu geben musste, dass es selbst dort ohne Fleiß keinen Preis gab und erst nach dem Ausfüllen eines weiteren Satzes Lernbögen, dann doch den begehrten " Lappen " erhielt, waren die Zeiten für Autofahrer nahezu paradiesisch. Der Liter Normalbenzin kostete zu dieser Zeit etwa 60 Pfennig, die Kraftfahrzeugversicherungen starteten ab 150 % für Fahranfänger und die Freie Fahrt für Freie Bürger galt nahezu unumschränkt. Dafür gab es jährlich zirka 18.800 Verkehrstote.

Als ich eben zu jener Zeit meinen ersten Renault R4, rot, 26 Pferdestärken und 6 Volt - Batterieanlage für knapp 5.500 DM erwarb, war ich stolz wie Oskar. Der " Gartenstuhl " war zwar alles andere als bequem und elegant aussehend, dafür mit etwa 6,5 Liter Normalbenzin auf 100 Kilometer extrem günstig. Dieses galt auch für die Versicherung und die Kraftfahrzeugsteuer. Auch sonst konnte ich - zumeist unter gütiger Zuhilfenahme von Bekannten - selbst an dem R 4 - " Rödel " herum schrauben. Inklusive Ölwechsel, Luftfilter - Austausch, Zündkerzen - Einbau. Der Renault 4 war eben Portemonnaie freundlich gebaut. Auch die nach zwei Jahren durch gerostete Auspuffanlage war - wenn auch unter lautem Fluchen - nach einigen Stunden erneuert. Ein wahres Reparaturwunder, also.

Heutzutage ist es dem Autohalter nicht einmal mehr möglich, eine defekte H4 -, H7 - oder Xenon - Glühlampe auszutauschen. Der Wechsel des Ölfilters oder gar Ölwechsel selbst, ist seit mehreren Jahrzehnten sogar untersagt. Gleiches gilt für das Waschen des Vehikel am Straßenrand, auf dem eigenen Hof oder in der Garage. Hierfür gibt es eben die äußerst beliebten Waschstraßen. Jene Technikmonster, deren Funktionsweise auf dem Prinzip : " Viel hilft viel " basiert.


Inzwischen gibt es Anlagen, die es an nahezu nichts fehlen lassen. Und, als besonderes I - Tüpfelchen - für den Herren von Welt mit Niveau und Sinn für das pure Erotische in dem sehr legitimierten Leben, haben sich pfiffige Sachsen den Oben - Ohne - Waschsalon ausgedacht.


Aber: Wer nur eine Standardwäsche ordert, der bekommt sie auch. Doch daneben gibt es auch noch: 



  • Hochdruckvorwäsche – Ein Hochdruckstrahl (bis 90 bar) wäscht das Auto vor, um extreme Verschmutzungen und Sand, die im Bürstenwaschgang zu Kratzern führen können, vom Auto zu spülen.
  • Aktiv-Schaum – Das Auto wird mit einem hochaktiven Reinigungsschaum eingesprüht, der festhaftende Verschmutzungen löst, um den Lack für die Bürstenwäsche vorzubereiten.
  • Bürstenwäsche – Das Fahrzeug wird von drei Bürsten (zwei vertikalen, einer horizontalen) mittels Sensoren und Druckfühlern abgetastet und dabei der Lack gereinigt.
  • Wachsauftrag – Heiß-, Kalt- und Schaumwachs werden nach dem Waschvorgang aufgesprüht.
  • Sonderwachs – Ein Spezialwachs wird nach einer Zwischentrocknung auf den trockenen Lack aufgesprüht und dann von den Bürsten fixiert.
  • Schaumpolitur – Ein Spezialwachs wird ohne Zwischentrocknung auf den Lack als Schaum aufgetragen und dann von den Bürsten fixiert.
  • Glanztrockner/Trocknungshilfe – Ein Mittel wird vor dem Trockenvorgang aufgesprüht und bewirkt, dass der Wasserfilm schnellstmöglich abrinnt.
  • Trocknung – Ein horizontales Gebläse (optional auch seitliches Gebläse) folgt der Fahrzeugkontur und bläst so die verbliebenen Wassertropfen ab.
  • Unterbodenwäsche – Der Unterboden und die Radläufe werden durch Hochdruckdüsen mit bis zu 90 bar gereinigt.
  • Unterbodenkonservierung – Der Unterboden wird mit einem speziellen Wachs besprüht, um ihn vor Steinchen und Salz zu schützen.
  • Felgenreinigung – Die Felgen werden durch Tellerbürsten oder Hochdruckdüsen gereinigt.

Diese Zusatzleistungen müssen natürlich auch extra bezahlt werden. Weil des Deutschen liebstes Kind ja nun einmal auch besoderer Pflege bedarf, gibt der Durchschnittsmichel dann und wann dafür rund 50 Euro und mehr aus. Danach muss aber noch der Innenraum mittels Turbo - Autostaubsauger - steht gleich auf den Plätzen nebenan, gereinigt werden.
Und nach erfolgreicher Autowäsche erhält die Ersatzfrau dann auch noch einige Minuten lang eine zärtliche Streicheleinheit mit liebkosenden Lammfell - Handschuh, damit der eklig aussehende Wasserrand an den wieder blitzenden 8 fach - Lackauftrag nicht mehr zu sehen ist.

Sicherlich hat die industrielle Waschanlagen - Herstellung längst dazu geführt, dass an jeder besser ausgestatteten Tankstelle eine solches Putzwunder zur Verfügung steht, weshalb auch eine Fahrt dorthin, nicht einen gesamten Samstagvormittag in Anspruch nehmen muss, Aber dennoch, gibt es immer wieder Verweigerer und Waschmuffel. 

Ich zähle mich, seit dem ich Führerscheinbesitzer bin,  immer dazu. Um es klar zu sagen: Ich hasse diese fauchenden, schäumenden und zischenden Monster, in deren Schlund ich mit dem PKW hinein fahren muss, um eine Orgie von Wasserstrahlen, Schaum und Chemie zu ertragen, obwohl ich selbst nicht gewaschen werde. Auch diese Hilflosigkeit, dabei der Technik vollkommen ausgeliefert zu sein, sie macht mir irgendwie Angst.

Es gibt dabei auch noch den Event - Autofahrer, der eine solche Reinigungstortur zum Anlass nimmt, mal so richtig einen Raushängen zu lassen. Er zieht sich dann am Samstagvormittag modisch, adrett und stylig an, holt den Autotransponder, den " Replacement Car Ship Key " oder den " Keyless Entry Remote Fobs " aus der Schublade der Flur -  Garderobe und fährt dann leicht, locker, beschwingt zur " Stamm " - Autowaschanlage. Mit etwas Glück kommt er dort nach einigen Minuten in den Genuss, der vollen Autopflege.

Zuvor muss er aber bezahlen. Entweder an der üblichen Kasse , an dem Verkaufstresen oder auch direkt an einen Automaten, in den er auch eine gleichfalls vorher erworbenen Chip einziehen lassen darf. Quasi als Eintrittskarte in das paradiesische Glück.


Nach einigen Minuten begibt er sich langsam aus dem Waschstraßenrefugium, startete den Motor mittel Knopfdruck und fährt gesittet aus der Anlage heraus. Selbstbefriedigt begibt er sich dann auf den Heimweg. Ach, welch ein Erlebnis. Diese Liebkosungen mit Lappen, Bürste und Fellrollen? Dieses Blasen der Hochleistungstrockner und das nahezu ewige Dahingleiten auf der Bahn des vollkommen Glücks? Dieses kann doch keine Frau bieten. Wellness bis zum Get No!


Und dann noch dieses unsägliche Gefühl der PS protzenden Überlegenheit, des Vorsprungs in Design und Technik sowie des Geldbeutels - obgleich die Karre nicht bezahlt, sondern fremdfinanziert ist -, wird sofort gegenüber der Konkurrenz um Zeit, Raum sowie Habitus klar gestellt: Ich habe den Stärksten, den Schönsten, den Längsten.


Da stand ich nun - widerwillig und emotionslos - in einer Mini - Kolonne vor der Einfahrt zur Waschanlage an Tharandter Straße in Dresden. Die Anlage machte nicht mehr den modernsten Eindruck; eher, den, die besten Nachwendejahre längst hinter sich gehabt zu haben. Aber, die Preise waren mehr als günstig. 4,90 Euro für die Standardwäsche, 8,50 Euro für die Qualitätswäsche und einen Euro noch darauf, dann bekam Mann die " Premium " - Wäsche auf die Karre gesetzt.

Ich entschied mich für die mittlere Variante - ohne separate Felgenreinigung -, denn die waren ja nigelnagelneu. Nach der Barzahlung - eine Plastikkarte oder so etwas ähnliches gibt es dort nicht - wartete ich auf den Einlass in den Höllenschlund. 

Kurz vor dem Auffahren auf die Schienen des Transportbandes musste ich erneut den Motor starten, denn ich hatte die Schiene schlichtweg verfehlt und so konnte die Automatik eben das Auto nicht greifen. Eine unbeholfene Aktion eines blutigen Laien eben. Dann begann der Spass. Es zischte, fauchte und pläscherte rund herum. Es erfolgten gezielte Angriffe gegen den Winterschmutz von allen Seiten. Nach einigen Minuten glitt dann Dr. Mazda in den finalen Kampf. So, wie mein SV Werder es momentan in der BuLI zeigt und ich mittels genehmigten Aufkleber der grün-weißen Werder - Raute, den Hintermännern zeige, was eine Werder - Harke ist.


Es stand die Trocknung an. Gewaltige Gebläse drückten Heißluft gegen den glänzenden Lack. Nach einigen Meter war das Blasen vorbei und ich wurde auf die noch rot zeigende Ampel transportiert. Bei Grün hätte ich aus dem Hinterteil der Anlage ausfahren dürfen. Ich drückte den Startknopf und das Armaturenbrett leuchtete, wie gewohnt, als sei bereits wieder Weihnachten. Dann hätte das Geräusch eines anlassenden Motors erklingen müssen. Doch: Es blieb still. Ein erneuter Versuch sollte nun diesen, unerwünschten, Aggregatzustand beenden. Ich drückte den Startknopf erneut. Es blieb immer noch ruhig. Nur das Zischen, Plätschern und Fauchen der Anlage war zu hören. Ich unternahm einen dritten Versuch. Drei Mal ist eben Bremer Recht. Doch: Wieder nichts. Was war los? Drohte mir jetzt der Abstieg nach 35 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur 1. Liga?


Auch ein vierter Startversuch änderte daran nichts. Dr. Mazda streikte. Der Tannenbaum leuchtete in sämtlichen Farben, doch der Motor streikte. Inzwischen hatte das Personal der Waschanlage die missliche Situation bemerkt und öffnete die Stahltür des Kontroll - und Betriebbsraumes. Dann schoben die beiden Männer den PKW auf die Parkfläche. " Öffnen Sie doch mal bitte den Motorraum. ", bat mich der verbleibende Mitarbeiter. Ich stieg aus und sah mit ihm in das Innere des PKW - Herzens. Er drückte ein wenig an den beiden Batteriepolen herum.

Die Frage, ob vielleicht Wasser dort hinein gelaufen sei, beantwortete ich gleich selbst: " Nein, kann ja nicht! "
Dann bat mich der Mitarbeiter, den glänzenden, frisch geputzten Wagen erneut zu starten. 

Ich drückte den Startknopf, die Lampen leuchteten nur kurz auf, dann erklang das sehnsüchtig herbei gewünschte Anlassgeräusch. Ich bedankte mich bei dem Mitarbeiter und sagte erleichtert: " Ja, das ist Mensch und Technik ". " Er lachte und gab den zutreffenden Satz zurück: " Ein Auto ist manchmal wie eine Frau, immer für eine Überraschung gut. "

Er wünschte mir noch ein schönes Wochenende und ich legte frohen Mutes den ersten Gang ein.

Auf der Rückfahrt überlegte ich dann doch, woran das bockige Verhalten des Fahrzeuges denn wohl gelegen haben könnte. Kein Wasser im Motorraum, kein Defekt an der Batterie, kein Fehler in der Elektronik. Ergo: Menschliches Versagen! So, wie es gewesen wäre, wenn Werder gegen seinen noch immer verehrten Meistertrainer Thomas Schaaf, der jetzt bei dem Nord - Konkurrenten sein hartes Brot verdienen muss, einige Stunden später verloren hätte. Menschliches Versagen, eben? Doch die tatsächlichen Gründe für den Motorstreik lagen wahrscheinlich wo anders. In der alten Waschanlage selbst, die für computerisierten PKW zu grobschlächtig ist. Alt mit Neu, geht eben nicht. Und modern ist nur der, der für Neu viel Geld ausgibt. Im Fußball gilt eine andere Regel, die Otto Rehhagel kreiert hat: " Modern spielt der, der gewinnt. "

So is´et! 

    




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