Die Lügen über die " Lügenpresse ".



Wenn sich das Dickschiff der freien, investigativen und kritischen Berichterstattung, das Hamburger Nachrichtenmagazin " DER SPIEGEL " in seinen jüngsten Ausgaben (  5 / 2016, S. 10; 7 / 2016 S. 58 ff ) ernsthafte Sorgen um die eigene Zunft im Allgemeinen und die Gewähr für eine unabhängige Presse im Besonderen, macht, dann ist irgendetwas Besonderes in diesem, unserem Land, vorgefallen.
Angriffe und / oder Gängelungen durch staatliche Organe hat es seit Gründung der BRD und auch nach 1990 immer wieder gegeben.

Seit dem richtungsweisenden " Lüth " - Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 1958 ( BVerfGE 7, 198 ) steht fest, im welchen Kontext die Meinungsfreiheit zu anderen Grundrechten zu sehen ist. Die freie Meinungsäußerung ist demnach als tragendes Element des verfassungsrechtlichen Wertesystems anzuerkennen und darf nur in Ausnahmefällen beeinträchtigt werden.

Aber auch der Versuch, den kritischen, dann nicht genehmen Journalismus zu gängeln, führt letztendlich dazu, dass staatlichen oder legislatives Handeln sich an dem Recht der freien Meinungsäußerung zu orientieren hat. Die so genannte " SPIEGEL " - Affäre 1962 gilt hier als leuchtendes Beispiel und zeigt, dass die von dem Grundgesetz gewollte strikte Trennung von Staat und Medien ( Presse ) die ultima ratio im Verhältnis zwischen beiden. einem demokratischen Gemeinwesen ausmachenden Säulen ist.

Dann gibt es noch einen Zwitter, nämlich die öffentlich - rechtlichen Rundfunk - und Fernsehanstalten. Sie sollen in ihren Gremien ein paritätisches Verhältnis zwischen den gesellschaftlich relevanten Gruppen, wie Parteien, Gewerkschaften oder Kirche sicher stellen. Hiermit kann eine direkte Einflussnahme der Legislative auf die Programmgestaltung sowie den dortigen Inhalten verhindert werden. Nun, daran haperte es in der Vergangenheit schon viele Male. Auf bestimmte Sendungen wurde von Seiten der Politik, der Kirchen oder auch Industriekonzernen ein Zensur artiger Druck ausgeübt, um deren Ausstrahlung zu verhindern. Davon betroffen waren aber auch Redakteure, Moderatoren und Journalisten.

Rechtlich betrachtet, stellt jede Art von sachfremder Einflussnahme auf die journalistische Tätigkeit einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung dar und ist demnach nicht nur bedenklich, sondern strikt abzulehnen. Wer allerdings in der Berichterstattung oder in einem gesendeten Beitrag weit über das Ziel hinaus geht, dem droht eine Rüge durch die Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle oder ein justizielles Verfahren.

Nun behaupten seit einigen Jahre bestimmte Kreise, dass die gesamten Medienlandschaft durch die staatlichen Organe und / oder die bürgerlichen Parteien, so manipuliert sei, dass eine freie, neutrale und sachliche Berichterstattung nicht mehr gegeben sei. Solche Vorwürfe sind nicht neu.

Bereits in den 1960er Jahren gab es politische Strömungen, die sich gegen die offenkundig CDU / CSU nahe Berichterstattung der Print - Medien aus dem Verlagshaus Axel Springer richteten, dem - völlig zutreffend - damit Parteilichkeit vorgeworfen wurde. Neben Springer´s Druckerzeugnissen, waren aber auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung ( FAZ ) oder auch parteieigene Zeitungen, wie der " Bayernkurier ", eindeutig als konservativ bis reaktionär einzustufen. Dem standen einst Publikationsorgane, wie " DER SPIEGEL ", " stern " oder die liberale Wochenzeitschrift " Die Zeit " entgegen.
Während die Presse, wie andere Medien auch, in der DDR durch die staatliche Kontrolle bedingt, als vollkommen gelenkt und manipulativ arbeitend, einzuordnen waren.

Mit der Wende 1989 verschwammen bei den fast monolithischen Medienblöcken zunehmend klare Konturen. Die " Springer " - Presse hetzte nicht mehr gegen die DDR, den Kommunismus und " Linke " im eigenen Land; die links - liberalen Publikationen pöbelten nicht mehr gegen Springer und Konservative in den CDU / CSU.  Die Parteien bemühten sich, andere politische Inhalte in ihren Programmen einzuflechten. Es ging nicht mehr um " Freiheit statt Sozialismus " oder " Auf in die Zukunft, aber nicht mit roten Socken " und der Slogan der Schwarzen,  " Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau " war längst nicht mehr gefragt. Das linke Lager musst nun nicht mehr befürchten, dass FJS Bundeskanzler werden könnte und " Stoppt Strauß " war nicht mehr erforderlich.

Stattdessen waren sachbezogene Themen, wie die Massenarbeitslosigkeit nach 1990, die " Balkan " - Kriege, die " Golf " - Kriege, die Finanzkrise, die Euro - und Griechenland - Krise und aktuell, die Flüchtlingskrise, die beherrschenden Themen der Medien.

Die Landschaft, in der eben jene Vierte Gewalt tätig ist, veränderte zudem ihr Gesicht. Aus den sich bemühenden Journalisten mit der manuellen Schreibmaschine, der seine Artikel im " Adler " - Suchsystem auf ein weißes DIN A4 - Blatt oder eine Matrize einhämmert, wurde ein mit sämtlichen modernen Kommunikationsmitteln ausgerüstetes, mobiles  Ein - Mann / Frau - Büro. Damit wuchs auch der Arbeitsdruck auf jeden dort Tätigen. Zudem wurden die Mitarbeiter als Freelancer eingestellt, die nach Output bezahlt, ständig frische und interessante Themen als verkaufsfähige Ware anzubieten haben, um selbst finanziell über die Runden zu kommen.

Mit der zunehmenden Arbeitsverdichtung und der sich ständig ändernden Medienlandschaft verschwand der klassische Beruf des Journalisten. Staat seiner ist heute ein freiberuflicher Alleskönner am Werke, dessen Qualitäten zwar auf dem Gebiet des Nutzens moderner Kommunikationsmittel zu sehen sind, nicht aber auf dem der ausreichenden Sachkenntnis. So kommt es nicht von ungefähr, dass ungezählte Online - Dienste " Billigheimer " zur Verwurstung der immensen Flut an Informationen eingestellt haben und dabei der einstige Qualitätsjournalismus abhanden kommt.

Weil durch Pressekonzentration, einem sich radikal veränderten Absatzmarkt und dem immensen Konkurrenzdruck, die billige Ware " Nachrichten ", " Meldungen " und Artikel - Veröffentlichungen als Teil der Journalistentätigkeit, wie eine Tüte H - Milch gleich aussieht, kommt es häufiger vor, dass ein Mitarbeiter von einem anderen Journalisten einfach abschreibt, ohne dessen Sermon auf Wahrheitsgehalt, Orthographiefehler und Sinnhaftigkeit eingehend zu überprüfen.

Was nunmehr das Mass aller Dinge ist, heißt " Auflage ", " Umsatz " und später " Gewinn ". Die journalistisch saubere Recherche, der investigative Berichterstatter und der unabhängig und unzensiert veröffentlichte Artikel bleibt somit die große Ausnahme. Was bleibt und somit Diskonter - Ware ist, heißt aktuelle Berichterstattung. Dieses führt zwangsläufig dazu, dass viele Medien sich eines, dann völlig identischen Themas befleißigen. Dieses wird bis zum Get No wieder gekäut, ausgelutscht und danach abgelegt.

Hierfür haben Kritiker den Begriff der " Medien - Sau ", die durch das Dorf getrieben wird, geprägt. Demnach muss es - unter den Zwängen des Marktes - immer eine neue Sau sein. Das ist für Anhänger des Qualitätsjournalismus zu billig, Ein identisches Thema, dem sich einige Zeit lang, zudem auch noch beinahe alle Medien widmen, hat für den kritischen Rezipienten keinen Wert mehr, denn er dürfte nach dem Lesen und der Zurkenntnissnahme einer Meldung, diese spätestens beim dritten oder vierten Mal verarbeitet haben und sich dabei seine eigene Meinung und Wertung bilden können. Warum also nehmen sich beinahe alle Marktanbieter der Ware " Information oder Meinung ", nun nur eines Themas an? Ganz einfach: Dieses ist für jeden einzelnen Anbieter die kostengünstige Variante, denn dieser kann von einem Konkurrenten dessen Veröffentlichung abkupfern, ohne großartig Hirnschmalz für eine Recherche verbraten zu müssen.

Im Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Medien könnte der einfach gestrickte Rezipient somit den Eindruck erhalten, dass sämtliche Segmente des Medienmarktes irgendwo in Berlin zusammen gezogen werden und damit manipulierbar geworden sind. Tatsächlich aber, ist auch der Medienmarkt inzwischen hoch komplex. Es gibt dort lokale. regionale und überregionale Anbieter. Die heimische Tageszeitung, das Lokalblatt übernimmt aber längst die Weltnachrichten von einem Druck - und Verlagshaus, dass bundesweit tätig ist oder aus externen Quellen, während die Lokalmeldungen selsbt gefertigt werden. Wenn der Landwirt Xaver Kraxlhuber am Mittwochvormittag seinen Mist ausfährt, wird diese Meldung niemals von Berlin oder der Landeshauptstadt gebrieft worden sein. Dieses gilt auch für die Nachricht über einen Brand in einem Flüchtlingsheim.  

Nun gibt es in diese, wohlhabenden Industrieland Deutschland viele Millionen, die in irgendeiner Form eben kein Durchschnittsbürger mit eigenem Heim, einem Mittelklassewagen und dem Drang möglichst viele Fernreisen zu absolvieren zu müssen, sind. Jene Benachteiligte fragen sich dann, wie so etwas kommt. Das Ergebnis könnte lauten, dass die anderen Mitmenschen daran Schuld sein müssen. Da fällt es nicht allzu schwer, eine bestimmte Gruppe zum Sündenbock für diese Misere abzustempeln. Einst waren es die Juden, die an dem Elend nach der so genannten Weltwirtschaftskrise Schuld gewesen sein sollten. Dann waren es die angeblichen Kommunisten aus der 68er - Zeit, die den Staat bedrohen könnten. Heute sind es die Politiker insgesamt, die die Bürger veräppeln. Weil aber diese eben von den Medien hofiert werden, veröffentlichen jene, deren ihnen gegenüber geäußerte Meinung, Einschätzung oder aber auch Kritik zu einem bestimmten Thema.

Jeder rollende Furz auf der Gardinenstange, den ein Berufspolitiker ablässt, ist damit wichtiger, als die Meinung des Bürgers vom Typ Otto Normalverbraucher. Und so muss die,  aus eignen Interessen oft verbogene Bewertung eines bestimmten Sachverhalts auch so veröffentlicht werden, ohne das hierzu grundlegend geprüft wird. Damit könnte der Rezipient mit einem einfältigen Gemüt und dem Hang seinen eigenen Mikrokosmos als auf das gesamte Land und die Welt übertragbar haltend, zu dem Ergebnis kommen, dass die Medien, die just des Politikers Wertung abdrucken oder weiter verbreiten, genauso mit der Wahrheit auf Kriegsfuß stehen, wie dieser selbst.
Lügt ein Politiker ( was nicht selten vorkommt ), so lügt auch die Presse.
Diese kann aber auch lügen, wenn sie bestimmte Nachrichten nicht veröffentlicht. Es sind eben jene Meldungen, die dem Otto Normalo in seiner Sicht der Dinge zu einem Problem, wie das der Flüchtlingskrise bestätigen.

Um dieses zu ändern, treten Geistesgrößen, wie Petry, Festerling, Bachmann, Höcke, Ulfkotte oder Gauland an. Ihre Anhänger sowie andere Flachdenker aus dem so genannten nationalen und rechten Spektrum behaupten ohne Unterlass, dass die Medien manipuliert seien, denn sie würden ausschließlich nur über politische Inhalte der bürgerlichen Parteien berichten. Doch sich statt mit eben jenen angeblich manipulierten Medienvertretern auseinander zu setzten, den Diskurs mit ihnen zu suchen, werden diese pauschal verunglimpft und ignoriert. Dafür pöbeln, hetzten und diskriminieren die Maulhelden von rechts in den einschlägigen Foren sowie auf den Facebook - Seiten herum. Werden sie bei der Begehung von entsprechenden Straftaten ertappt, behaupten jene Ignoranten auch noch, die " Lügenpresse " habe sie dazu gebracht.

Nach der Lektüre der obigen " SPIEGEL " - Artikel stellte ich mir eine weitere Frage, nämlich jene, warum sich dort nicht ein Satz zu den Ursachen jener bedenklichen Entwicklung im Medienbereich findet, sondern nur eine Aneinanderreihung von Fakten zu den Ereignissen sowie geäußerten Meinungen zum Thema " Lügenpresse ", womit eine Rechtfertigung zur eignen Existenz einher geht. Es wird wohl daran liegen, dass der Haushund nicht das Bein an der eigenen Hofwand hebt und diese damit beschmutzt. Schließlich muss mit der Ware Information auch morgen noch Geld verdient werden.

Wer sich die Mühe macht und bei Google die Begriffe " Lügenpresse " und  " Buch " eingibt, erhält diese Ergebnisse:


https://www.google.de/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=l%C3%BCgenpresse+buch

Da sind die üblichen Verdächtigen am Geld verdienen ( Elssässer, Dassen, Gärtner und Denk über den Kopp - Verlag, der Garant für krude Theorien ist ). Die Bagage versucht es eben, weil es heut zu Tage leichter ist ein Buch zu schreiben als eine Führerscheinprüfung zu bestehen.

Nun, ja, pecunia non olet. Das wussten bereits die Beatles 1966 in dem Liedchen " Paperback Writer ":


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