Fiat 500, ein Marzipanei auf vier Rädern.



Das Dasein eines durchschnittlichen Italieners war einst überschaubar. Wer in die richtige Familie, die passende Region oder Stadt hinein geboren wurde und zudem noch parteipolitisch fundierte Beziehungen vorweisen konnte, dem hätte im Regelfall nichts mehr Unvorhergesehenes passieren dürfen. Zumindest galt dieses in dem Zeitraum nach dem Zusammenbruch der Musolini - Diktatur von 1922 bis Juli 1943.
Der " Duce del Fascismo " und Capo del Governo " ließ zudem jene Männer in seinen Hofstaat vor, die ihm bedingungslos dienten und in defätistischer Grundhaltung sich alsbald von dem Führer des Stiefellandes protegierten.

Zu ihnen zählte auch der Mitbegründer des Fiat - Konzerns Giovanni Agnelli sen. als Automobilhersteller genoss er bei dem " Duce " ein sehr hohes Ansehen. Da die Verantwortlichen bei Fiat zudem einen Hang zum Bau von schnellen PKW entwickelten, stieg die Automarke im Ansehen des " Duce " stetig.

Der machoistisch, maskuline Dreiklang, mit dem ein schnelles Auto zu einer virtuellen Verlängerung des besten Stücks und damit zu schöneren Frauen führen soll, wurde bei Fiat ex tempore umgesetzt, obwohl das arme Italien dafür eigentlich keine ökonomische Grundlage in Form einer hohen Kaufkraft hatte.

Später, nämlich ab 1930, zog sich der inzwischen zu einem der gefragtesten Automobilhersteller Europas aufgestiegene Fabrikant aus dem Rennsport zurück und setzte zunehmend auf Massenproduktion.

In der Phase entwickelte Fiat den Cincequento, der auf dem ausländischen Mark dann als Fiat 500 angeboten wurde. Ein Kleinwagen also, dessen Vorteile mit der zunehmenden Verkehrsdichte und den immer rarer werdenden Parkmöglichkeiten in den Zentren der Städte einige Vorteile aufwies.

Die sonstigen technischen Daten lasen sich eher bescheiden.

Der erste 500er als Modell hieß " Topolino " und wog mit mehr als einer halben Tonne Leergewicht erheblich mehr, als vergleichbare, heutige Modelle. Er hatte eine Motorleistung von 10 KW ( 13 PS ) bei 4000 / min. Der " Topolino " brachte es damit auf eine Maximalgeschwindigkeit von 90 Km/h. Später legte Fiat eine Sportversion mit 15 KW ( 21 PS ) bei 6000 Umdrehungen pro Minute auf.

Die Verkaufszahlen zeigten sich indes zunächst eher bescheiden. Der Konzern konnte - nach dem eine amerikanisierte Version mit einer umgestalteten Front auf den Markt kam - jedoch die weiteren Varianten erfolgreich vertreiben.

Als ab 1957 das Nachfolgemodell der " Cinquecento " - Reihe, der Fiat 500 " Nuova " ( übersetzt " Neu " oder besser: der " Neue " ) auf den Markt kam, zeigte sich dieser PKW völlig andersartig. Er wies einen 2 Zylinder - Motor mit nur 10 KW ( 13,5 PS ) und einer Vier - Gang - Klauen - Schaltung vor; hatte allerdings nur knapp 470 Kilogramm Leergewicht und erzielte eine maximale Geschwindigkeit von 85 Kilometer pro Stunde.

Neben andren, technischen Unterschieden, zeigte sich der " Nuevo " im Vergleich zu dem " Topolino " in einem eiförmigen Aufbau. Dieses Chassis wurde bei den später folgenden " Nuevo " - Variaten noch weiter verfeinert. Der Fiat " Nuova " war demnach windschnittig und brachte es später, dank höherer Motorleistungen, auf immerhin auf über 100 Km/h ( die Sportausführung mit " Abarth " - Auspuffanlage erzielte ein Maximum von 105 Km/h ).

Der " Neue " wurde zum Verkaufsschlager des Fiat - Konzerns. Er erzielte bis zur Produktionseinstellung eine Verkaufszahl von über 3, 7 Millionen Fahrzeugen. Zunächst kostete ein solcher PKW in der Standardausführung 2.990 DM ( inflationsbereinigt 6.800 EUR ) und war wegen der spartanischen Innenausstattung und der als " Selbstmördertüren " bei den westdeutschen Autofans diffamierten, hinten angeschlagenen Türen, doch relaltiv teuer.

Dennoch gab es - nicht nur wegen der italienischen " Gastarbeiter " in der BRD - dieses Modell bis weit nach Produnktionseinstellung häufig zu sehen.



https://de.wikipedia.org/wiki/Fiat_(Marke)

https://de.wikipedia.org/wiki/Fiat_500

https://de.wikipedia.org/wiki/Fiat_Nuova_500


Es war eine der vielen tropischen Nächte im Juli vor 40 Jahren als wir, von L Estatit, einem Nest an der Costa Brava, kommend, auf einem Parkplatz an der Autobahn heutigen A9, E 15, die von der französischen Grenzstadt Perpingnan aus in Richtung Lyon verläuft, eine Rast einlegten. Nach mehrstündiger Fahrt wollten wir einen Stopp einlegen und eine Coca Cola trinken. Etwas unsicher schlenderten wir auf einen freien Tisch zu, der zu einem Gastronomiebetrieb an der Raststätte gehörte. Hier herrschte auch in den späten Abendstunden reges Treiben. Neben Holländern, Schweden und einigen Franzosen, saßen vor allem deutsche Touristen an den Tischen.
Der Kellner stürzte auf uns zu. Er sah uns etwas skeptisch an. Fünf junge Männer, mit zotteligen, langen Haaren, vergammeltem Outfit und deutsch sprechend, das war ihm nicht ganz geheuer.

Mein Mitfahrer stammelte dann etwas von " Cola ". " Drei Cola ", ergänzte ich. " Trois Cooolah!", erwiderte der Kellner oberlehrerhaft. " Trois Colooolaah! ", äffte ich ihn nach. " Oh, you learn very wll! ", kam es aus dem Mann heraus. " Oh, yes. because I want study. ", entgegnete ich ihm. Er grinste, nickte heftig und kam dann mit dem Gesöff zurück. Er verlangte 24 Franc für die 3 Cola. Als wir ihm den Rest unserer Franc - Münzen gaben, bedankte er sich und erzählte uns, dass er vor nicht allzu langer Zeit selbst ein Studium in Paris abgeschlossen habe und keinen Job fand, weshalb er jetzt hier arbeiten müsse.

Wir tranken die Cola aus,verabschiedeten uns und wollten gerade zu unseren Autos, als ein Mann an seinem Fiat 500 " Nuevo " herum bastelte. Er hatte die Heckklappe geöffnet und drehte an dem Vergaser herum. Dann stieg er in das Fahrzeug und orgelte erfolglos mit dem Anlasser herum. Die Karre in einer kaminroten Farbe sprang nicht an. Er versuchte es erneut. Nichts. Wir sprachen den genervten Mann aus Italien in deutsch  an. Er verstand uns ein wenig. " Aja, hilfen!", sagte er. Sein Gesicht hellte sich auf.

Wir standen nun zu dritt hinter dem Marzinpanei, legte unsere Hände auf die wohl geformten Rundungen des Chassis und schob die etwas mehr als 500 Kilogramm an. Der Fiat wurde schneller. Auf der nahezu geraden, tadellos asphaltierten Parkplatzeinfahrt kam die Karre in Schwung. Der Italiener riss die Fahrertür auf, warf sich auf den Sitz, trat die Kupplung durch und zog den 2. Gang über das seltsame Schaltungsgestänge ein.
Der Fiat machte einen Bocksprung. Wir vernahmen ein ächzendes, gurgelndes Geräusch im Motorraum. Dann stand die Kiste. " Nochmal!", sagte mein Mitfahrer. Wir wiederholten den Vorgang auch ein drittes Mal. Dabei gelangten wir bis kurz vor die Einfädelungsspur zur A9 / E 15 auf der die Lichterkette nicht abriss.

Der Fiat - Besitzer fluchte auf italienisch, nahm eine Reisetasche und eine Jacke von der Sitzbank und knallte die Fahrertür zu, Dann trat er mit seinem rechten Fuß wuchtig gegen den rückseitigen Bereich des Marzipaneis, sodass dort eine Beule bildete und verließ grußlos den Platz.

Wir begaben uns leicht schwitzend zu unseren Autos. Diese waren immerhin fahrtüchtig.
Der arme Italiener ward nicht mehr gesehen.

Merda Fiat! Merda ouvolo di marzipane!


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