Geschichten aus dem alten Deutschland: Teil II - „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen?“



Die 1960er oder kürzer, die 60er Jahre werden gemeinhin als das " bewegte Jahrzehnt " eingeordnet. Ob dieses generell so war, wage ich zu bezweifeln, denn jeder einzelne Bundesbürger in dem heutigen Deutschland hat diese Zeit individuell unterschiedlich durch laufen. Vorausgesetzt, sie/er war bereits zu Beginn der Dekade so alt, dass er konkrete Erinnerungen daran hat.

Über die 60er Jahre, wie sie eher bieder, beschaulich, banal in der westdeutschen Provinz abgelaufen sein könnten, habe ich hier bereits einige Posts eingestellt. Darin finden sich einige Umschreibungen, wie, warum und wodurch jene, diese Ära prägenden Faktoren, wie Mode, Musik sowie Marotten, nur zum Teil in die Bereiche des platten Landes  vor drangen. Die aus dem fernen England herüber schwappenden Trends, setzte die Jugend in den Städten dann viel eher um, als es in einem kleinen Nest mit dem Namen Bad Eilsen der Fall war. Pilzkopf - Frisuren waren bei den Jungen der Umgebung eine absolute Ausnahme, weil diese bei deren  Eltern absolut verpönt, ja, sogar verhasst waren. Allenfalls die so genannte Beat - Mode mit Shake - Slop - oder bunten - Hose, mit Rüschenhemden, bedruckten T - Shirts und grell - farbigen Halstüchern, wurde dort teilweise toleriert.

Ähnlich verhielt es sich mit der Beatmusik, die bei den Erwachsenen und Eltern als " Neger " - " Hotten - Totten " - oder " Affen " - Musik verunglimpft wurde. In milderen Bewertungen qualifizierte die einstige " Hitler - Genration ", diese als Krach, Gejaule oder Lärm ab. Dabei kredenzten die Protagonisten aus der Beat - Ära ihre Liedchen sehr oft in einem kreuz - braven Outfit, mit gut gestylten, weil gewaschenen und akkurat gefönten, leicht über die Ohren und bis zu den Augenbrauen gewachsenen Haaren. Als die erste Beat - Club - Sendung 1965 vom Ersten ausgestrahlt wurde, nölte ein Fernsehansager dazu noch ein, aus einer Vielzahl von entschuldigenden und um Verständnis bittenden Sätzen bestehendes Vorwort ab.

Dann durften wir im zarten Teenaager - Alter befindlich, über den Schwarz - Weiß - Kasten unserer Großeltern, die Radio Bremen - Sendung sehen. Ich hatte schweißnasse Hände, weil ich aufgeregt war, als Uschi Nerke die Musikgruppen ansagte. Es waren ausnahmslos regional bekannte Bands ( https://de.wikipedia.org/wiki/Beat-Club ). Doch sie spielten eben andere Musik, als wir sie über die staatlichen Rundfunksender - mit Ausnahme von Radio Luxemburg - täglich anhören mussten. Beat - Musik, eben - unsere Musik, also!

Und während unter den westdeutschen Spießbürgern, den Alt - Faschisten und den Reaktionären, nach der ersten, einer nur halbstündigen Sendung, übelste Verwünschungen, In jenem Jargon, der die NS - Zeit mit beeinflusst hat und der sich von dem heutigen Dreck, wie er in den Kommentaren bei Facebook, den Hetz - Seiten im Netz und auf NPD - Veranstaltungen immer noch zu lesen ist.Der einzige Unterschied hierbei war jedoch, dass die intoleranten Flachdenker überwiegend der deutschen Sprache mächtig waren, während dieses bei den heutigen Banausen eher nicht der Fall ist.

Nun, das Team um Uschi schüttelte sich ein Mal kräftig und sendete weiter - und, wie!

Nach und nach konnte danach die westdeutsche Jugend auch in einigen Formaten der öffentlich rechtlichen Radiosender jene Musik hören, die von den Beatles, den Rolling Stones, den Small Faces, den Animals oder den Who auf Platten veröffentlicht, zunehemnd in den Zimmern der Jugendlichen standen.

Während der eine Teil Deutschlands sich zähneknirschend der anderen Musik hin gab, spielte sich in der DDR zunächst in ähnlicher Weise viel ab. 1965 war damit zunächst einmal Schluss.  Der Grund dafür war die ablehnende Haltung des Vorsitzenden des ZK der SED Walter Ulbricht, der diese Musikrichtung nach englisch - sprachigen Vorbild als unerwünscht einstufte, jedoch die Gründung von Musikgruppen in der DDR, die einer staatlichen Kontrolle und Lenkung unterliegen sollten, dann nicht verhindern ließ.

Aus jenen Jahren ist eine Äußerung des einst mächtigsten Mannes der DDR überliefert, die er im September 1965, nach den Krawallen rund um den Auftritt der Rolling Stones auf der West - Berliner Waldbühne formulierte.

http://www.zeitklicks.de/ddr/zeitklicks/zeit/kultur/musik-1/beatmusik-nein-danke/

Weder von dem einen, noch von dem anderen Ereignis, bekamen wir in der Provinz etwas mit. Dass es bei dem Rolling Stones - Konzert in West - Berlin Randale gegeben hatte, wohl schon, weil dieses die " Blöd " - Zeitung in ihrem Aufmacher zum Anlass nahm, um gegen die Beat - Anhänger zu hetzen. Wie es jedoch um die Musikkultur im anderen Teil Deutschlands bestellt war, erfuhr der BRD - Bürger nicht; zumindest nicht offiziell.

Die DDR war für uns Jugendliche vom Lande noch weiter weg als West - Berlin, Hamburg oder München. Selsbt eine Fahrt in das etwa 50 Kilometer entfernt gelegene Hannover, der niedersächsischen Landeshauptstadt, geriet eher zu einer Abenteuerreise, denn zu einem Routinebesuch.

Ein solcher war auch jener nicht, den meine DDR - Verwandtschaft in den 6oern zum ersten Mal vornahm. Mein damaliger Onkel nebst Tante kamen aus dem Vogtland und reisten damals über den Grenzübergang Bebra ( Bad ) Gerstungen mit dem Interzonenzug in Richtung Frankfurt am Main, dann Kassel, Hannover, nach Bückeburg.

Als sie zum ersten Besuch bei meinen Großeltern waren, wussten wir aus deren Erzählungen, wie sich das Leben in der DDR abspielte. Weder Tante Martha, noch Onkel Georg erzählten dabei Romane. Vielleicht wollten oder durften sie es auch nicht. Doch einst berichteten sie sehr wohl, dass es in der DDR keine englisch - sprachige Beatmusik gab, wie wir sie kannten. Und mit den Langhaarigen, war es auch so eine Sache. Beide lehnten diese neue Mode ab. Und so gab es während ihres Besuchs Mitte der 60er Jahre bei unseren Großeltern zwar Fernsehen, aber keinen Beat Club aus Bremen.

Wie war das noch gleich mit der Monotonie des kapitalistischen Klassenfeinds in dessen Musik? " Je, Je, je " - oder, wie das auch immer heißt. Yeah, Walter, Yeah - That´s It!





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