Geschichten aus dem alten Deutschland. Teil I. " 3 geteilt? Niemals! "



Wenn in einigen Tagen die Lobhudel - Arien unserer aktuellen Politiker zum 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung erklingen werden, wenn sich die Polit - Prominenz zu den vielen Veranstaltungen zeigt und die Mikrophone von rechts nach links und umgekehrt, herüber gegeben werden, wenn dem vereinigten Deutschland für einen Tag; zumindest wenige Stunden, Friede - Freude - Eierkuchen - Laune verordnet werden soll, dann gerät jene Zeit völlig in Vergessenheit, die es nach dem Zusammenbruch des Großdeutschen Reichs, offizielle besiegelt am 7. Mai 1945, über viele Jahrzehnte gegeben hat: die Existenz von vier Besatzungszonen, von zwei teil - souveränen Staaten und die, als Verlust, bezeichnete Aufgabe der einstigen Ostgebiete, jenseits von Oder und Neiße.

Hierüber sind unendliche viele Bücher, Filme und Ausstellungen gezeigt worden. Die Nachkriegsgeschichte ist - wenn auch sehr schleppend - inzwischen aufgearbeitet worden. Möglicherweise auch zu viel. So verbleibt für einen einstigen BRD - oder DDR - Bürger oft nur ein winziger Rest an eigenen Erlebnissen, den er weitergeben könnte und der eben nicht in den massenhaften Abhandlungen zu finden ist.

In den 1950ern regte sich in Westdeutschland, in den drei alliierten Besatzungszonen, der BRD also, ein zartes Pflänzchen, das sich alsbald " Wirtschaftswunder " bezeichnen ließ. Wirtschaftswunder deshalb, weil nach 1945 das gesamte, einstige Großdeutschland in Schutt und Asche lag und der Teil, für den sich die USA, England und Frankreich zuständig erklärten - nach anfänglichen, erheblichen Bedenken -sich zum Wiederaufbau der zerstörten Strukturen aufmachte. Reparationsleistungen, wie sie die gegründete DDR zu leisten hatte, waren nicht oder kaum zu erbringen, sieht der Geschichtsbewanderte mal von der vorläufigen Abtrennung des Montangebiets Saarland ab.

So gelang es binnen einer Dekade, mit tatkräftiger, US - amerikanischer Hilfe, die Wirtschaftskraft so zu steigern, dass die BRD in der sich selbst eingeordneten westlich Hemisphäre mit halten konnte; wenngleich nicht auf Augenhöhe.Dennoch erhielt die BRD auch international wieder ein Renommee und dieses nicht nur, weil die - noch für Gesamtdeutschland - spielende Fußballauswahl bekanntlich 1954 in Bern Weltmeister wurde.

Schnell versuchten die großen Parteien in Westdeutschland den Erfolg, den Aufschwung, als ihren Verdienst zu erklären. Besonders tat sich die Adenauer - CDU hervor. Der Kölner, der gläubige Katholik, war dabei in der Wahl seiner Mittel, den Erzfeind, die SPD zu verleumden, zu verhöhnen und als " Vaterlandsverräter " zu diskreditieren, nicht gerade zimperlich. Neben Ex - Faschisten, die in seinem Kabinett - wenn auch nur vorübergehend - unter gebracht wurden, damit auch die reaktionären Kräfte in der CDU / CSU ihr Gehör fanden, gab es die große Fraktion der Revanchisten, die sich mit einer - längst vollzogene - Teilung des einstigen Großdeutschland nicht abfinden wollten und kräftig die Propagandatrommel dagegen rührten.

Es waren die so genannten Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler aus den einstigen " Ostgebieten ", die in der CDU / CSU, der FDP, der DP und Teilen der SPD, die sich mit einer De - facto - Teilung nicht abfinden wollten. Deshalb gründete sich nach 1949 sogar eine Partei der Heimatvertrieben und Entrechteten ( GB / BHE ), die einer Dreiteilung offensiv entgegen trat.

Und so fanden sich denn auch genug Wähler, weil Vertrieben, die jenen Parteien ihre Stimme gaben, weil sie der festen Überzeugung waren, das die Dreiteilung ihres Vaterlandes nur ein temporäres Phänomen sei. Die CDU / CSU mit Adenauer erzielte dennoch traumhafte Wahlergebnisse und sogar die absolute Parlamentsmehrheit. Der erste " Ewige Kanzler " der Westdeutschen setzte auf harte Verhandlungen mit den " Sovjäts " in der Außenpolitik sowie auf " Keine Experimente " und " Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau " im Inneren. Konrad Adenauer hatte damit Erfolg. Er blieb 14 Jahre Bundeskanzler, damit 4 Jahre Bundesminister des Äußeren ( 1951 - 1955 ) in Personalunion. Adenauer war - zumindest zeitweise - der Überpolitiker schlechthin ( oder, um es mit den Worten von Otto Rehhagel als CDU - Anhänger zu formulieren: Er hat die demokratische Diktatur verkörpert ).

Um an der Macht zu bleiben, trat er regelmäßig bei Veranstaltungen der Vertriebenverbände auf. Diese wurden dann im Deutschlandfunk live übertragen, damit auch die Adenauer - Reden. Unter tosenden Applaus zog der katholische Kölner dann gegen die politischen Gegner in der SPD vom Leder. Die hatten bei den reaktionären Flüchtlingsverbänden kein Rederecht; sie erhielten häufig nicht mal eine Einladung zu deren Veranstaltungen.

Mein Elternhaus hat Adenauer nie gewählt. Auch mein Großvater, der aus dem Vogtland stammte, war Sozialdemokrat. Deshalb sperrten ihn die Faschisten einige Jahre in ein KZ. Als er noch vor der Kapitulation nach Hause kam, war er schwer erkrankt. Dennoch zeigte sich der vogtländische Dickschädel bis zum Tod in den 1970ern unbeugsam. Die Schwarzen hat er nie gewählt. Er verabscheute das heuchlerische Pack. die Wendehälse und Opportunisten.

Obwohl meine Familie sozialdemokratisch wählte, hörte sich mein Vater, der zudem in der Gewerkschaft war, das elendige Geseiere der CDUler auf den Vertriebentreffen im Radio an. Weil das, in einem handgemachten Nussbaum - Gehäuse mit Glanzlasur versehene " Grundig " - Radio über keine Außenantenne verfügte, sondern nur mit einer Wurfantenne, die aus einem vielleicht zwei Meter langen, zweiadrigen Kabel versehen war, verfügte, ließen sich dort nur wenige Sender störungsfrei einstellen. Dazu zählte auch der Propagandasender " Deutschlandfunk ", der dann in schöner Regelmäßigkeit über die " Sowjetische Besatzungszone ( SBZ ) " oder kurz " Ostzone " hetzte.

Wir Kinder verstanden diese Sendungen nicht. Für uns war eher das technische Wunderwerk Radio interessant, aus dem manchmal und ganz besonders vor Weihnachten, Kinderlieder ertönten. Weil über Politik nicht oder nur selten gesprochen wurde, bekamen wir natürlich davon nichts mit. Weshalb die Kürzel CDU,FDP oder SPD für uns reinweg gar nichts bedeuteten. Allenfalls vom FC, 1.FC oder SV, den Abkürzungen von Fußballvereinen, wussten wir Bescheid.

In Erinnerung habe ich aber dennoch jene Wahlplakate, die Ende der 1950er Jahre dann an einem Telegraphenmasten, an einer Litfaßsäule oder einem Apfelbaum pappten. Es waren für mich eher dunkle, unheimlich gestaltete Pappschilder, auf denen Worte, wie " 3 geteilt? Niemals! " zu lesen waren.

Was diese Plakate aussagten, wusste von meinen Spielkollegen aus der Nachbarschaft keiner. Was Marxismus bedeutete ebenso wenig und wer nun welchen Ministerposten inne hatte, konnten auch die Erwachsenen nicht sagen. Nur Adenauer, den kannten alle.

Wenn wir zum Spielen auf der staubigen, nicht asphaltierten Feldstraße herunter liefen, mit einem Kinderroller zur Bückeburger Straße fuhren oder im Gänsemarsch den Weg zur Aue antraten, dann konnten wir sie ab und an sehen, die Wahlplakate der CDU, der FDP und ganz selten, der SPD. Verstanden haben wir sie damals eben nicht.

Was wir wussten, waren einige Dinge vom Krieg, den Deutschland verloren hatte. Aber auch, dass wir 1954 mit Fritz Walter, seinem Bruder Otmar und dem Bundestrainer Sepp Herberger Fußballweltmeister geworden sind. Weil fast jeder Fußballfan die Spieler aus dieser Nationalmannschaft mit Namen aufsagen konnte, von einer DDR - Auswahl im Westen kaum jemand Notiz nahm, war für uns Kinder klar, dass Deutschland eben die Bundesrepublik war.

Das alt auch für andere Bereiche in der Politik, der Wirtschaft oder auf dem Gebiet der Kultur. Deutschland war für Westdeutsche nur jener Teil, der als Bundesrepublik gegründet wurde. Der zweite deutsche Staat wurde als ein vorübergehendes Konstrukt angesehen, dass nach der Überwindung der deutschen Teilung, wie selbstverständlich der BRD wieder angegliedert wird. Basta!

Weil dieser so genannte Alleinvertretungsanspruch damals von fast jeder politischen Partei - die später verbotene KPD ausgeklammert - als Status quo reklamiert wurde, war auch klar, dass es die DDR völkerrechtlich nicht gab. Und so stand es einst auch in der Präambel des Grundgesetzes.

Bei der angeblich zweiten Teilung des Landes, nämlich der Aufgabe der Gebiete in den Grenzen vom 31. Dezember 1937, war es schon schwieriger zu behaupten, sie seien deutsch. Dort sprach die Bevölkerung entweder polnisch, russisch oder tschechisch. Deshalb argumentierten die vielen, von dort Geflohenen, dass sie von dort völkerrechtswidrig vertrieben worden seien. Was ja zum Teil auch stimmt.

Die Wahlplakate der zugelassenen Parteien nahmen sich der Zerschlagung des einstigen Großdeutschen Reichs natürlich an. Mit Propagandafloskeln, wie " 3geteilt? Niemals! ".

Auf jene, an hölzernen Telegraphen - und Strommasten prangenden CDU - Plakate marschierten wir im militärischen Gleichschritt und alte Landserlieder laut singend zu; mit selbst zusammengenagelten Holzgewehren auf dem Rücken. Die einstigen Wehrmachtssoldaten, die jetzt auf irgendeiner Baustelle, eines der vielen Häuser hochzogen, grüssten uns immer freundlich, denn die Lieder kannten sie natürlich auch und wir hatten diese wiederum von den Erwachsenen irgendwann aufgeschnappt, so, wie wir die Bundeswehrsoldaten genau beobachteten, wenn sie an der Feldstraße vorbei marschierten.

" 3geteilt? Niemals! ", dafür wurden auch die westdeutschen Nachkriegskinder im deutschen Sinne erzogen, weil die DDR damals ja zwar auch Deutschland war,, aber eben der falsche Teil. Als Erinnerung an jene Kindheitstage hat ein Blogger - Kollege dieses hier eingestellt:



http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.willizblog.de/blogpicts/ungeteiltes-deutschland.gif&imgrefurl=http://willizblog.de/?p%3D7742&h=172&w=492&tbnid=DVOT79YPbTQkhM:&tbnh=90&tbnw=257&usg=__w0Ycb9VK9WUQhnwzrkDqBCq_aR8=&docid=Fa1aR6hWVfOzTM&sa=X&ved=0CCYQ9QEwAWoVChMIoYPygrbuxwIVRFUUCh29pAJS


Im ungeteilten Sinne: Gut´s Nächtle mit Donovan´s " Universal Soldier " - nie war er so wichtig, wie heute:


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