Der Krisenmanager vom Typ " Landstreicher " als Mann im Gleis.




Der Bahnhof in Dresden - Plauen, oder besser gesagt: Das, was die Deutsche Bahn AG den Kunden als Bahnhof anbietet, ist nun wahrlich kein Hort der Besinnlichkeit. So, wie auf einigen Tausend anderen Haltestationen, zeigt er sich in einem beklagenswerten Zustand. Die Aufbauten der Überdachung gammeln vor sich hin. An den Ecken zum Treppenaufgang riecht es nach Urin. Manchmal liegt längst getrocknetes Erbrochenes vor dem Zugang. Einzig die elektronischen Anzeigentafeln funktionieren. Auch der Fahrkartenautomat ist inzwischen gegen Sprengstoff - Attacken gesichert. Und, das ist besonders wichtig, die dort ein - und auslaufenden Züge sind größtenteils pünktlich.

Da ich beinahe jeden Werktag meine bessere Hälfte von dort abhole, ist mir das Gesamtbild des Bahnhofs längst zur vertrauten Gewohnheit geworden.

Da sind die Graffitis, die SGD - Anhänger auf den rissigen, verputzten Wänden der gegenüber liegenden Gebäude aufgesprüht haben. Andere Sprayer haben sich mit, mehr oder weniger, intelligenten Figuren und Sprüchen verewigt. Weitere Wirrköpfe mit rechter Gesinnung setzten die Parole " Abschaum erwache " hinzu. Wenn auch nicht in korrekter orthografischer Form, liest es sich, wie " Deutschland, erwache ! ". Eine Standardfloskel der Nationalsozialisten mit der sie den Zustand in der Weimarer Republik geißelten.

Erwacht bin ich dann, als ich auf den Fahrkartenautomaten am Bahnhof zuging. Da klebte ein DIN A 4 - Blatt großer Suchaufruf auf dem Metallgehäuse. In der Mitte des Blattes war ein Farbfoto eines Hundes zu sehen. In etwas ungelenkten Sätzen schilderte die Verfasserin des Aufrufs, dass eben jener Rüde seit einigen Tagen vermisst wird. Es handele sich dabei um einen reinrassigen Border  Collie, Dieser Hund sei zuletzt zusammen mit zwei Männern in der Nähe des Bahnhofsgebäudes gesehen worden. Einer der Männer sei korpulent gewesen, der andere Mann habe längere Haare gehabt und sei groß und hager gewesen. Beide Männer hätten einen ungepflegten Eindruck vermittelt. Und dann formulierte diese Dame doch glatt: " Typ Landstreicher ".

Junge, dachte ich sofort, wenn das keine Diskriminierung ist. Da sucht eine Halterin  ihren ausgebüxten Hund und beschwert sich noch, dass dieser sich ein neues Zuhause gesucht hat, weil er wohl arg vernachlässigt wurde. Denn: Diese Hunderasse ist ein absoluter Problemfall. Ein Border Collie benötigt nicht nur viel Auslauf, sondern auch jede Menge Zuwendung. Nichts für Coach - Potatos, Spinner, die ihren vermeintlichen Wohlstand mittels exotischer Haustierhaltung heraus hängen lassen wollen und Ahnungslose, die von der Hundehaltung nur wissen, dass ihr Tierchen auf vier Pfoten läuft.

Kopfschüttelnd murmelte ich mir einige Verwünschungen für diese Dame in den Bart und schaute dabei eher beiläufig auf die elektrische Uhr. Eigentlich sollte der Zug aus Chemnitz schon längst eingelaufen sein. Eigentlich! Doch der schwarze Minutenzeiger bewegte sich Minute für Minute weiter in Richtung 19.00 Uhr. Ich nahm mein Handy aus der Innentasche der Jacke und schaute auf das Display. " 1 Anruf in Abwesenheit ". Aha, der Zug hat Verspätung.

Ich rief meine bessere Hälfte zurück. " Wo bist Du? ", so lautete meine etwas besorgt klingende Frage. " Der Zug steht hier kurz hinter Potschappel. Wir müssen warten bis der Notfallmanager kommt. Da liegt Einer auf der Gegenseite im Gleis, haben sie durch gesagt., war ihre Antwort. " Ach du Scheiße! Soll ich mit dem Auto kommen? ", wollte ich jetzt wissen. " Nein, gehe mal nach Hause. Das kann hier noch dauern. ", gab sie zurück.
Ich drückte auf das " Anruf beenden " - Symbol und steckte das kleine Wunderding zurück in die Jackentasche.

Die übrigen Wartenden hatte wohl das Gespräch mit bekommen. Ich ging auf sie zu. " Der Zug könnte wohl 1 Stunde Verspätung haben. Da hat sich eine Person auf dem anderen Gleis vor den Zug geworfen. ", gab ich bekannt. " Warum sagen die das nicht durch? ", zeterte eine leicht füllige Frau. " Machen die nicht. Immer wieder das Gleiche mit der Bahn. ", sagte ich in einem spöttischen Ton. Die beiden jungen Männer bedankten sich höflich bei mir und stiegen ebenfalls die Treppe hinab. " Fahren wir eben mit ´nem Bus. ", antworteten sie mir noch.

Das Leben geht nun mal nicht geradeaus. Und wenn ein Mitbürger sich dieses dann auch nehmen möchte, dann gibt es keine Weiterfahrt mehr. Da wird dann der Notfallmanager gerufen, das ganze Programm mit der Kripo, der Spusi, dem Notarztwagen samt Unfallpsychologen wird abgespult. Ein leicht spektakulärer Abgang aus dieser Welt ( mag sie noch so ungerecht, kalt, feindlich sein ) zieht einen Rattenschwanz an Betroffenen nach sich. Kein schöner Tod, eben. wenn ein Mann im Gleis liegt. Dieses geschieht mindestens 2 mal täglich - Jahr für Jahr.

" Tony Joe White und Mark Knopfler mit " Good In Blues " :





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?