Ferdinand von Schirach´s " Schuld ": Der etwas andere Krimi.



Wenn Juristen sich der Schreibkunst widmen, muss dieses nicht immer mit dem Beruf zusammen hängen. Goethe dichtete, Berhard Schlink ( Der Vorleser ) schreibt Romane und auch der US - Amerikaner David Baldacci ist ein Solcher.
Der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach, geboren 1964, ist sowohl Jurist als auch Schriftsteller. Auf beiden Berufsfelder ist von Schirach erfolgreich. Er lässt seine beiden Romane auf angeblich von seiner Kanzlei betreuten Justizfälle basieren und gibt durch entsprechende Rahmenhandlungen den Fällen einen realistischen Hintergrund.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_Schirach


Das ZDF hat nun den zweiten Roman ( nach von Schirach´s " Verbrechen " ) mit dem Titel " Schuld " verfilmt. Die 6 Episoden wurden allesamt in einer Staffel am 20. Februar gesendet.Vier der 6 Episoden, nämlich " Der Andere ", " Ausgleich ", " DNA ", " Schnee ", " Volksfest " und " Die Illuminaten " habe ich mir über die " Magenta " - Mediathek angesehen.


http://de.wikipedia.org/wiki/Schuld_nach_Ferdinand_von_Schirach


" Der Andere " stellt einen Fall dar, der sich als eine Art Straftat auf höchstem Niveau entpuppt. Das kinderlose, in den mittleren Lebensjahren sich befindliche Ehepaar Thorsten und Lizzy Pulsberg beabsichtigt das inzwischen etwas fade Liebesleben aufzufrischen. Nach 10 Ehejahren kommt es - eher zufällig - in einer Bar eines Wellness - Hotels zu einer Begegnung zwischen dem Paar und einem wesentlich jüngeren Gast, den die Paulsberg´s dann in der Sauna wieder treffen. Es kommt dabei zu eindeutigen Avancen des jungen Mannes und endet mit gemeinsamen Sex. Die Ehefrau ist inzwischen bemüht, über das Internet andere Männer zu kontaktieren, mit denen sie sich später beim Sex von ihrem Mann filmen lässt.
Nach einigen Treffen mit verschiedenen Männern trifft das Paar in einer Gastronomie auf den ehemalige Schulkollegen Rüdiger. Der Lebemann hatte sich auf einer Dating - Webseite vorgestellt und beginnt sofort über alte Schulzeiten zu palavern. Lizzy möchte die Begegnung mit dem einstigen Schulkollegen ihres Mannes abbrechen. Sie lässt sich dann aber auf Drängen von Thorsten mit diesem ein.

Lizzy hat jedoch danach Schuldkomplexe, weil sich ihr Mann doch als eifersüchtig zeigt. Das Ehepaar beschließt deshalb die Sex - Abenteuer zu beenden.
Später trifft Thorsten seinen Schulfreund Rüdiger auf einer Messe wieder. Der lädt sich bei Thorsten selbst und schnupft in dessen Hotelzimmer Kokain. Rüdiger provoziert Thorsten ständig, bei dem dann die Eifersucht hoch kommt. Er schlägt Rüdiger mit einem schweren  Stein -Aschenbecher auf den Hinterkopf und verletzt ihn dabei lebensgefährlich.

Thorsten Paulsberg bittet vor seiner Abreise, sein Zimmer möglichst schnell zu reinigen. Dort wird dann der schwerverletzte Schulkollege gefunden. Thorsten Paulsberg wird später in Untersuchungshaft genommen und wegen versuchten Totschlags angeklagt.
Sein Verteidiger ist der Rechtsanwalt Dr. Kronberg, der in der Hauptverhandlung auf das Nachtat -Verhalten des Angeklagten, der sich selbst zu dem Anklagevorwurf nicht äußert,  hinweist und darin einen minderschweren Fall erkennen möchte. Die Strafkammer lässt sich indes davon nicht beeinflussen und kommt erst nach der Zeugenaussage der Ehefrau zu dem Ergebnis, dass es sich " nur " um einen Fall von gefährlicher Körperverletzung gehandelt hat.

Lizzy Paulsberg - selbst Juristin und Rechtsanwältin - sagt bei ihrer Zeugeneinvernahme aus, dass sie den Ex - Schulfreund Rüdiger - ohne ihren Mann zu informieren - über das Internet kennen gelernt habe. Beim Sex habe Rüdiger sie dann gefilmt und damit ihren Ehemann und sie versucht zu diskreditieren. Der habe ihre und seine berufliche Reputation gefährdet gewesen. Dieses muss wohl das Motiv für die Tat gewesen sein.
Zuvor aber hat aber der Zeuge und geschädigte Schulfreund Rüdiger seine Aussage vor dem Gericht verweigert, weil er sich wegen des Kokain - Konsums selbst belasten würde und zudem unter Drogeneinfluss auch nicht glaubwürdig wäre.

Der Anklagevorwurf des versuchten Totschlags wird nunmehr fallen gelassen. Dadurch erhält Thorsten Paulsberg eine wesentlich mildere Strafe, nämlich 3 1/5 Jahre Haft.
Das Ehepaar verlässt nach der Haftverbüßung von Thorsten das Land und wohnt zusammen im Ausland.

Was eher nach juristischen Spitzfindigkeiten aussieht und sich in dem Roman von von Schirach
wohl auch so liest, ist eher eine geschickte Strafverteidigung, die dem Mandaten eine vielleicht nur halb so hohe Haftstrafe einbringt. Weil der Geschädigte selbst eine Strafe wegen Drogenbesitzes oder sogar mehr zu befürchten hatte, wäre eine Aussage fatal gewesen. Damit aber, wurden erhebliche Tatbegleitumstände nicht berücksichtigt und zudem durch die nicht wahrheitsgemäße Aussage der Ehefrau zugunsten ihres Mannes gewertet.

Der Volksmund nennt so etwas vor Gericht lügen; wir Rechtskundige indes sprechen von einer nicht vollständigen Aussage.

Der zweite Fall heißt " Ausgleich " und behandelt ein immer währendes Thema, nämlich " häusliche und/oder eheliche Gewalt ". Eine junge Frau ( überragend von Anna Maria Mühe dargestellt ) wird nach der Eheschließung systematisch von ihrem Mann grün und blau geschlagen, mit Gewalt zum Beischlaf gezwungen und erniedrigt. Ihr Mann ( ebenfalls exzellent von Benjamin Sadler verkörpert ) hat zudem ein gravierendes Alkoholproblem. Auch aufgrund dessen misshandelt Thomas Läufer regelmäßig seine Ehefrau Alexandra. Nach Geburt der Tochter Saskia nehmen die Misshandlungen sogar zu.Die ausgeübte körperliche Gewalt führen bei Alexandra zu schwerem Traumata, die sie lähmen und es ihr unmöglich machen, sich von ihrem prügelnden Ehemann zu trennen. Irgendwann lernt den über der Wohnung lebenden Nachbarn kennen, in den sie sich dann verliebt und ein Verhältnis beginnt. Bei einem Treffen entdeckt der Nachbar die vielen Hämatome am Körper der Frau. Er fordert sie auf, ihren Mann bei der Polizei anzuzeigen. Alexandra weigert sich indes.

Als die mittlerweile 9jährige Tochter bei ihren Großeltern zu Besuch ist, vergewaltigt und misshandelt Thomas Läufer seine Frau erneut. Am nächsten Morgen wird er erschlagen im Bett aufgefunden. Alexandra kommt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. In der JVA Oldenburg wird sie dann von Dr. Friedrich Kronberg als der von ihren Eltern beauftragten Rechtsanwalt aufgesucht. Das Mandantengespräch verläuft zunächst sehr schwierig, weil sich Alexandra in Schweigen hüllt. Bis es dem Verteidiger gelingt, die Inhaftierte zu einer Schilderung der Tatumstände zu bewegen. Hieraufhin lässt Dr. Kronenberg seine Mandantin von einen ärztlichen Sachverständigen untersuchen. Der stellt eine Unzahl von jüngeren und alten Verletzungen bei Alexandra fest.

In dem Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Oldenburg schildert Alexandra Läufer erneut ihr gesamtes Ehe - Martyrium und zudem, dass ihr Ehemann nach der letzten Misshandlung und Vergewaltigung angedroht haben soll, dass auch der gemeinsamen Tochter demnächst antun zu wollen. Daraufhin habe sie ihm im Schlaf mit einer 42 Kilogramm schweren Stein - Statur erschlagen.

Während das zuvor noch - wie die Staatsanwaltschaft auch - von dem erfüllten Tatbestandsmerkmal der Heimtücke und somit von Mord gemäß § 211 Strafgesetzbuch ausgegangen ist, rücken sowohl die Richter als auch - in einem vom Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer erbetenen, informellen Rechtsgesprächs - davon ab. " Jetzt soll ich diese Frau lebenslang hinter Gittern führen? ", fragt der sichtlich beeindruckte Kammervorsitzende die beiden Volljuristen. " Für mich liegt immer noch das Mordmerkmal der Heimtücke vor. Sie hat ihren Mann im Schlaf mit einer schweren Statur erschlagen. Wir wissen doch auch, wie der BGH es in solchen Fällen sieht. ", antwortete der Staatsanwalt, ein solider, bodenständiger Anklagevertreter, der das Geschäft bereits viele Jahre kennt. Doch auch Mord kommt nicht ständig in seinen bearbeiteten Fällen vor. So stimmt er dem Gericht zu, dass die Verteidigung ihre Rechtsauffassung von einer Notwehrsituation begründen soll. Der Vorsitzende hat deshalb die Verhandlung unterbrochen und für den nächsten Tag einen Fortsetzungstermin anberaumt.

" Dann möchte ich aber von Ihnen etwas vernünftiges dazu hören, Herr Dr. Kronberg. ", sagt er zum Abschluss des Gesprächs.
Der Verteidiger legt sich ordentlich ins Zeug und eignet sich binnen einer halben Nacht nahezu die komplette Rechtsprechung des BGH zu der Rechtsfrage, in welchen Fällen das Mordmerkmal der Heimtücke zurück tritt.
In seinem glänzenden Plädoyer zitiert Kronenberg dann auch ein Urteil des BGH, dass sich mit den Gesamtumständen der Tat und dem Persönlichkeitsprofil des Täters auseinandersetzt:
    

"  BGH Urteil v. 13.8.1997 – 3 StR 189/97: Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychische Zustand (z.B. der Erregung) Beweisanzeichen dafür sein, dass das notwendige Ausnutzungsbewusstsein fehlt (ähnlich auch BGH Urteil v. 24.6.1998 – 3 StR 219/98). "

Der Verteidiger beantragt folgerichtig den Freispruch der Angeklagten und dem entspricht auch die Strafkammer.

Sehr gut dargestellt sind die letzten Sequenzen zum Verhandlungsende. Der Staatsanwalt - ein sehr sachlich und besonnener seiner Zunft - gratuliert sogar dem Verteidiger und nimmt dem Gerichtsvorsitzenden beim Wort, der diesem empfiehlt: " lassen sich hiermit gut sein. "

Als Kronberg dann eher zufällig bei einem Kaffee die frei gesprochene Mandantin mit ihrem Freund, dem einstigen Wohnungsnachbarn eng umschlungen sieht und dieser sie in einem PKW einsteigen lässt, wirft er - misstrauisch geworden - noch einen letzten Blick in die Strafakte. Er bemerkt, dass die nur 1,57 große, zum Tatzeitpunkt mit nur knapp 50 Kilogramm gewogene Mandantin einen 42 Kilogramm schweren Gegenstand als Tatwaffe gehoben haben soll. Ihm kommen erhebliche Zweifel und er erkennt eher den tatsächlichen Täter in dem Freund der Mandantin. Freispruch ist jedoch Freispruch, egal wofür.

 In dem dritten Fall mit dem Titel " DNA " wird Dr. Kronberg zusammen mit einem Kollegen als Verteidiger für ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem bürgerlichen Umfeld bestellt. Die Eheleute werden beschuldigt in den frühen 1980er Jahren einen älteren, allein stehenden Mann in seiner Berliner Wohnung getötet zu haben. Kronenberg übernimmt die Verteidigung der zweifachen Mutter, von der er zunächst nur sehr zögerliche Auskünfte zu der beinahe 15 Jahre zurück liegenden Tat erhält.

Die Eheleute lebten in den frühen 80er Jahren in Berlin auf der Straße. Kronberg´s Mandantin Nina war zum diesem Zeitpunkt minderjährig und von Zuhause geflohen, weil der Vater sie sexuell missbrauchte. In der Berliner U - Bahn lernte sie dann Thomas kennen, der ebenfalls " auf Platte " ging. Beide verlieben sich und verbringen die kommende Zeit miteinander. Nina erzählt Thomas, weshalb sie ihr Elternhaus verlassen hat. Am Heilig Abend ruft sie ihre Mutter an, die sie jedoch nicht erreicht. Der Vater bittet sie jedoch flehentlich wieder zurück zu kommen. Nina legt auf. Wenig später wird sie von einem älteren Mann angesprochen, der vorgibt, am Heilig Abend anleine zu sein. Er lädt Thomas und sie zu sich in die Wohnung ein. Der eher bieder und gutmütig aussehende Mann bewirtete das Paar. Irgendwann schlägt der Mann vor, dass Nina ein Bad bei ihm nehmen könne. Das Paar hat inzwischen Vertrauen zu dem Gastgeber gefasst. Als Nina badet, schläft ihr Freund auf der Coach des Mannes ein. Nina hört in dem Bad, dass sich nicht abschließen lässt, dann Geräusche. Als sie den Duschvorhang ausreißt, steht der ältere Mann onanierend vor ihr. Sie brüllt vor Angst los. Thomas wird sofort wach, erkennt die Gefahrensituation und drückt den Mann so lange mit dem Kopf in die Badewanne, bis dieser kein Lebenszeichen mehr von sich gibt. Er zieht den Mann aus der Wanne und lässt ihn mit geöffneter Hose auf dem Boden liegen. Die Beiden wischen die Fingerabdrücke von sämtlichen Geschirr und dem Mobiliar und rauchen zum Schluss eine Zigarette. Den Aschenbecher mit den Kippen lassen sie jedoch auf dem Tisch stehen.

Beim Verlassen der Wohnung wird das Paar von einer Nachbarin des Opfers gesehen. Diese gibt eine etwas ungenaue Beschreibung der Beiden ab. Später nehmen Polizeibeamte Nina und Thomas als mögliche Tatverdächtige fest.Das Paar wird erkennungsdienstlich behandelt, dann aber aufgrund der nur dürftigen Beweislage wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

15 Jahre später, Nina und Thomas sind längst Eltern und sesshaft geworden und gehen einem Beruf nach, erhalten sie eine Vorladung zur Abgabe einer Speichelprobe für einen DNA - Abgleich.Dieser ergibt eine vollkommene Übereinstimmung mit der DNA auf den Zigarettenkippen. Daraufhin werden beide verhaftet und wegen Mordverdachts in Berlin - Moabit gebracht. Hier sucht Dr. Kronenberg Nina auf. Sie erzählt ihm nach und nach diese Tatgeschichte. Kronberg erreicht eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen Kaution und Meldeauflagen, weil Nina - sowie auch ihr Mann - einen festen Wohnsitz, eine geregelte Arbeit und gefestigte Strukturen in ihrem Lebensumfeld nachweisen können.

Nachdem sich Dr. Kronberg mit seinem Kollegen über die Verteidungsstrategie berät, kommen beide zu dem Ergebnis, dass es sich weder um Mord, noch um Totschlag handelt, und erwarten eine Freiheitsstrafe für den Mann in einem Bereich von 2 1/2 Jahren. Während die beiden Verteidiger noch zuversichtlich sind, besorgt sich Thomas eine Pistole, verabschiedet sich zusammen mit Nina von seinen beiden Kindern, die zwischenzeitlich bei der Mutter in Betreuung waren, und erschießt Nina und sich am Spree - Ufer in Berlin.
Der Fall der Nina und Thomas Deggert endet so dramatisch, wie er zuvor an einem Heilig Abend in den 1980ern begonnen hatte:

" Die Schuld eines Menschen ist schwer zu nehmen. Wir streben unser Leben lang nach Glück. Aber manchmal verlieren wir uns und die Dinge gehen schief. Dann trennt uns nur noch das Recht vom Chaos. Eine dünne Schicht aus Eis. Darunter ist es kalt und man stirbt sehr schnell. "

Mit diesem Worten gehen sämtlich 6 Episoden der Roman - Verfilmung des Kollegen Ferdinand von Schirach zu Ende. Ein Krimi der anderen Art. Eine erst klassige Umsetzung des Romanstoffs, dargeboten von einem Vollblut - Strafverteidiger und außergewöhnlichen Autor. Jeder Schuss aus der Trommel des ZDF - Krimi - Revolvers, ein Treffer. Dieses aber auch Dank einer hoch karätigen Besetzung mit Schauspielern, wie Moritz Bleibtreu, zwei prima Produzenten mit Hannu Salonen  und Maris Pfeiffer sowie einen Produzenten mit dem Namen Oliver Berben, der sein Fach versteht.

Wer vom Fach ist oder auch nicht,, dürfte nach dem Ende jeder Episode, ein wenig nachdenklich bleiben.

Jennifer Rostock und die Titelmelodie " Schlaflos " aus dem gleichnamigen Album:

 




Kommentare

Octapolis hat gesagt…
es gab da mal so eine miniserie. die fand ich großartig und das sagt einer, der um deutsche krimis einen möglichst großen bogen schlägt... ;o)

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