Piratengeschichten


Das Jahr 2014 rast dem Ende entgegen. Noch 112 Tage bis Silvester und Neujahr, noch 105 Tage bis Heiligabend. Wer es nicht wahr haben will, sollte sich kurz in einem der viel zu vielen Supermärkte umsehen. Da liegen bereits Tüten und Schachteln mit Weihnachtsgebäck, wie Spekulatius, Printen oder Zimtsterne in den Drahtgestellen herum. Nach und nach kommen Dominosteine, die allseits beliebten Pfeffernüsse und diverse Plätzchensorten hinzu. Wer sich auf die zu vielen Pfunde noch weiteres Kampfgewicht anlegen will, der kann jetzt schon kräftig zu langen.


Bald läuft die Geschenke - Kauf - Orgie an. Dann sind die Innenstädte zum bersten voll. Ob da jeder Geschäftsinhaber seinen notwendigen Schnitt machen kann, ist indes zu bezweifeln. Der Internethandel boomt und jagt den übrigen Anbietern immer mehr Kunden ab. Bequemer ist diese Kaufmöglichkeit alle Male. Sie erspart die teure Parkplatzsuche, das noch teurere " Knöllchen " und vermeidet Stress.

Irgendwo zwischen Heiligabend und Heiligabend hat jeder Erdenbürger - allerdings nur gemäß unserer hiesigen Zeitrechnung - seinen Geburtstag.Er sollte - neben Weihnachten / Heiligabend - dann Geschenke erbringen. Kann, kann aber auch nicht sein. Wer sich der Unsitte entledigt hat, diesen beiden Präsenttagen zu frönen, darf immerhin ein Problem gelöst haben, nämlich jenes, das da heißt: " Was schenke ich meinen Liebsten zu Weihnachten? "

Beim Geburtstag ist dieses Problem häufig noch schwieriger zu lösen, als jenes zu Weihnachten. Doch: Nicht immer kommt ein Konsumverweigerer drum herum, dann doch ein Präsent zu überreichen. Dann nämlich, wenn es Kinder oder Enkelkinder sind, die den Geburtstag feiern. Und gerade aus einem solchen Anlass, hatte meine bessere Hälfte bei ebay ein Schnäppchen gemacht. Wieder einmal! Der Jüngste im Trio der Enkel sollte ein Piratenschiff erhalten. Auch hier kann guter Rat sehr teuer sein. Dann, wenn er über die nervige Werbung erteilt wird.

Das, was sich " Piratenschiff " nennt und kaufbar auf dem riesigen Markt erscheint, kann tatsächlich richtig ins Geld gehen. Und deshalb machten wir aus der Not eine Tugend und schnupperten bei ebay herum - mit Erfolg.
Statt ein solches Schiff von Playmobil für 65 € bis 75 € mit einer begrenzten Anzahl von Figuren zu erwerben, ersteigerte meine bessere Hälfte ein 88 cm großes Holzschiff mit sage und schreibe 31 Figuren und Zubehörteilen.

Das lag es nun, das Piratenschiff. Fein säuberlich in einem eigens zusammen gebauten Pappkarton und wartete darauf, aufgebaut zu werden. Eigentlich fühlte ich mich für derlei Aktionen viel zu alt. Eigentlich! Uneigentlich, juckte es mir in den Fingern und mich packte sogar der Ehrgeiz, der übrigen Welt, meiner Familie und dem Enkelsohn zu zeigen, dass ich auch mit Spielzeug umzugehen vermag, das ich zuvor nie in meinen Händen hielt.


Damals, also vor mehr als 5 Dekaden, gab es solche Spielsachen nicht. Da wurde auch nur eine Kleinigkeit geschenkt. Vielleicht ein Malbuch, ein Märchenbuch, später dann ein Jugendbuch. Oder es gab Süßigkeite: Eine Tafel " Saraotti " - Schokolade, ein Beutel " Haribo " - Konfekt und 1 Päckchen " Maoam ". Spielzeug war eher die Sache der Eltern und Großeltern, die dann schon mal ein paar Mark für eine Plastikpistole mit Zündplättchen ausgaben. Dann wurde eventuell ein neuer Fußball aus Kunststoff geschenkt. Oder es lag ein " Märklin " - Modelleisenbahn - Wagon unter den Geschenken.

Damals war eben alles kleiner, überschaubarer und einfacher. So, wie es die Kindheit und Jugend auch waren.Schließlich hatten die Familien in den 1950er und 1960er Jahren mehr als nur ein " Wunschkind ". Da wohnten in der Nachbarschaft die Meier´s, die hatten 5 Stück, dann gab es die Unruh´s, da lebten neben meinem damaligen Freund Michael, in der Gaststättenwohnung in Bad Eilsen drei weitere Geschwister, dann waren wir zu dritt, die Familie Wolf hatte zwei Kinder, die Grünewalds auch, die Kirstein´s ebenso und auch Buntes hatten zwei Jungs - nur bei Schwarzes gab es die Christiane, die alleine war und mit uns nicht spielen durfte, weil sie zur Oberschule ging und das Abitur machen sollte.

Und weil in jenen Generationen auch viele Kinder geboren waren ( der Geburten stärkste Jahrgang 1964 feiert bekanntlich seinen 50. Geburtstag in diesem Jahr ), viele Eltern nicht reich oder wohlhabend waren, fielen die Geburtstagsgeschenke eben nicht so üppig aus, denn es gab noch andere Geschwister.

Die Zeiten haben sich geändert, mit ihnen der Zeitgeist. Was ist heute schon ein Geschenk für 5 € ( immerhin knapp 10 DM )? Was ein Geschenk für 25 € ( zirka 50 DM )? Oder was eines für 50 € ( 100 DM )?
Unter 100 € geht heute bei Geburtstagsgeschenken beinahe nichts mehr? Da wird dem verzogenen, verwöhnten und anspruchsvollen Einkind - Nachwuchs mal eben ein Handy für 350 € und mehr auf den Tisch gelegt. Teuere Designer - Klamotten mit 200 € aufwärts sind längst zur Regel geworden oder zum 17. Geburtstag wird der Führerschein, zum 18. ein eigenes Auto finanziert.



Diese Gedanken kamen mir, als ich in mühevoller Kleinarbeit die Figuren aus dem großen Karton, unter den Schaumstoffmaterial heraus puhlte. Eine Männchen nach dem anderen wanderte in einen Schuhkarton. Zudem lagen auch noch einige Waffen, wie Säbel, Pistole und sogar Bordkanonen in dem Verpackungsmaterial. Nach einer halben Stunde lag alles im Pappkarton, das Schiff stand daneben und ich trug die Beute nach oben.

Auf dem Küchentisch stand dann das Prachtexemplar aus Holz und es lagen die vielen Figuren nebst dem übrigen Zubehör in der Schachtel. Jetzt begann die Aufbauarbeit. Irgendwann hatte ich so ein Piratenschiff mal gesehen. Deshalb montierte ich aus der Erinnerung die Teile zusammen. Hier die beiden Segelmasten, dort der Ausguck und da wiederum das Bermundasegel nmit Baum, das kielwärts angebracht wird. Als Norddeutscher, als Ex - Buten - Bremer hatte ich sie ja schließlich auch mal im Original gesehen, die Segelschiffe.

Dann waren die Bordkanonen platziert, es folgte die Besatzung, die Piraten, die Freibeuter, die Geächteten.
Nein, den Kino - Schinken " Flucht der Karibik " mit Depp und Konsorten habe ich nie gesehen. Doch an die Szene mit dem " Rolling Stones " - Gitarristen Keith Richards konnte ich mich erinnern, denn der Ausschnitt kam vor Jahren im Fernsehen. So etwa sehen sie aus, die " Playmobil " - Figuren, die Plaste-Piraten, deren Waffen noch angebracht werden mussten.

Nach einer Stunde Arbeit war es geschafft, das Zweimastschiff mit dem schönen Namen " Ghost " war einsatzbereit. Bereit, die Meere, die Ozeane dieser Welt zu erorbern, dort andere Schiffe aufzubringen, zu kapern, die Schätze zu rauben und sich nach einem wilden Kampf von dannen zu machen. Ich erinnere mich an die Stevenson´sche Verfilmung der Schatzinsel, die Jahre lang um die Weihnachtszeit bis zu Silvester als Wiederholung lief. An das Buch, das ich als Junge vom " Bertelsmann " - Verlag bestellt, einst geschenkt bekam.

Die kindliche Phantasie kennt oft keine Grenzen. Selbst im Jahr 2014 immer noch. Trotz des enormen materiellen Verwöhnfaktors in vielen Familien. Es kommt auch hier nicht auf das Wieviel sondern auf das Womit an. Und so kam ich zu der Überzeugung, dass auch nicht alles, was in dieser globalisierten Welt existiert, tendenziell schlecht sein muss. Auf die Anwendung kommt es auch an. Das ist so ähnlich, wie beim Fußball. Da können die Quatschköpfe von " sky ", von der ARD oder sonstwo labern, wie sie wollen. Preissler Plattitüde gilt immer noch: " Entscheidend is´auf´m Platz!"

Entscheidend ist, ob die bequemen Eltern sich mit den Kindern / dem Kind beschäftigen. Schenken kann jeder. Was bringt es, wenn ich viel Moneten in die eigne Brut investiere ( laut Statistik sollen es vom 1. Tag bis zum Ende der angestrebten Ausbildung bis zu 150.000 (! ) € sein ), wenn ich mich mit der eigenen Brut nicht beschäftigte. Nichts!

Na, denn: Ahoi! Und immer eine Hand breit Wasser unterm Kiel!

Gut´s Nächtle - mit: Dem klasse Seemann und Hamburger Jong Achim Reichel und " Piratentanz " aus dem 1976er - Album " Klabautermann ":




Die Sauerkraut - Franzenfrisur tragende Nena und der prima Titel " Lass mich dein Pirat sein " aus dem Jahr 1985 ( Mensch, wat war´n mer noch jung? ) - live:


Und zum Einschlummern " The Pirates " mit " Honey Hush " von dem Album " Skull Wars "  ( 1978 ) in einer 1981er - Live - Version:




Ach, ja, der Zufall wollte es so: Auch dieser Herr, ganz in rot mit einem weißen Bart, lag im Karton.
Ich habe ihn statt mit einem riesigen Rentierschlitten - ganz nach norddeutscher Küstentradition - mit einem Ruderboot bestückt.
" Rudere, rudere, bald ist Weihnachten! "


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