Auf dem Kesseldorfer Boulevard.


Die Sächsische Zeitung, kurz " SZ ", gilt in Dresden und umzu gemeinhin als Organ der heimischen Informationspflege. Beim Lesen finden sich so allerhand Kurznachrichten aus der 5. schönsten Stadt Deutschlands ( für mich eigentlich hinter Hamburch, Brämen, die Drittplatzierte ). Ob nun Lokalnachrichten das Non Plus Ultra bei der Verarbeitung der täglichen Meldungsflut, die die Medienindustrie uns herüber kübeln, lasse ich mal unbewertet. Fakt ist, wer keine Artikel über die heimische Region liest, hat eine Bildungslücke; zumal ihm so manche Eigentümlichkeit verborgen bleibt.
Aber auch bei der Jagd nach Schnäppchen, dem Aufsuchen eines Billigheimers oder der Umsetzung des dem Germanen immanente Sparsamkeit, sind Regionalnachrichten unerlässlich.

So las ich in der letzten Freitagsausgabe der " SZ " auf der Seite 10,  dass am folgenden Samstag die Filiale der Drogeriekette " Rossmann " nun innerhalb der Kesseldorfer Straße umgezogen sei und mit einer Neueröffnung den potenziellen Kunden dazu einlädt, dieses gebührend zu feiern. Nun, ja, " Rossmann " ist nicht die allererste Adresse, was verschiedene - meist unnötige - Konsumgüter betrifft. Wer richtig Kohle für Schwachsinn, wie Marken - Parfüm ausgeben möchte, sollte da lieber zu Karstadt fahren oder Douglas oder einen anderen Stinkladen dieser Art aufsuchen.

Also: " Rossmann " feiert Neueröffnung. Eigentlich hätten wir schon am Wochenende neue Spülmaschinen - Tabs benötigt. Doch, meine kurze Überlegung, mich am Samstag zu " Rossmann " in die Kesselsdorfer Straße zu begeben, habe ich sofort wieder verworfen. Nein, das Getümmel - trotz Ferien in Sachsen - tue ich mir nicht an.

Dann las ich noch, dass eben der " Rossmann " - Filiale auch andere Geschäfte, wie ein " Asia " - Imbiss, ein Fleischer und ein Bäcker sowie der Ableger  einer Kette mit dem viel sagenden Namen " Clever Fit " der dort im November eröffnet werden soll. Und damit die ersten Umsetzungen eines " Kesseldorfer Boulevard " zwischen der " Gröbelstraße " und der " Tharandter Straße " eingeleitet worden seien. Häh? " Kesselsdorfer Boulevard "?
Da wurde ich dann doch neugierig. Ich verschob meinen Mini - Einkauf auf den heutigen Dienstag und stapfte in den frühen Nachmittagsstunden los.

Die Strecke ist mir ja seit vielen Jahren bekannt. Von der " Wiesbadener Straße ", über die " Dölzschner Straße ", die " Clara - Zetkin - Straße " zur " Bünaustraße " und am Ende dort rechts in die " Kesselsdorfer Straße " abbiegen.
Soweit, so gut.
Aber, wo in aller Herren Namen, soll denn der " Kesselsdorfer Boulevard " entstehen?

" Boulevard ", dieser Begriff ist zwar vielfältig, doch im Zusammenhang mit einer Straßenart, setze ich diesen mit dem Wort " Prachtstraße " gleich. Und - tatsächlich - so definiert die Sprachkunde " Boulevard " mit

 " Als Boulevard (von niederländisch bollwerc) bezeichnete man in Frankreich ursprünglich eine breite Ringstraße, die nach der Schleifung des Walles einer städtischen Befestigungsanlage auf demselben angelegt wurde. Sprachlich hat Boulevard seine Wurzeln im deutschen Wort Bollwerk, da im Mittelalter die Verteidigungsanlagen den Stadtkern ringförmig umgaben und auf Spuren oder Resten dieser Anlagen zum Beginn der Neuzeit Straßen angelegt wurden. "

- Zitatende - aus: http://www.fremdwort.de/suchen/bedeutung/boulevard

oder:

" Boulevard [bulvaʁ] sind breite, meist als Straßenring angelegte, von Bäumen flankierte und entlang einer ehemaligen Stadtmauer verlaufende Straßen in Großstädten. Sie umgeben folglich die ehemalige Kernstadt ringförmig."

- Zitatende - aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Boulevard

Also breit ist die " Kesslsdorfer Straße " schon, aber ringförmig, in Form einer von Bäumen flankierten, entlang der Stadtmauer verlaufenden Straße?
Dazu benötigt der Passant, der Autofahrer oder sonstige Mobilist dann doch recht viel Phantasie.So oder so ähnlich waren meine Gedanken, als ich von der " Bünaustraße " aus in die " Kesselsdorfer Straße " per pedes einbog. 

Sicherlich, die Geschätshäuser, die eher kleinere Filialen von irgendwelchen Ketten und diverse Fachgeschäfte beherbergen, sie sind durchaus ansehnlich heraus geputzt worden. Auch die teilweise darüber liegenden Mietwohnung und/oder Eigentumswohnungen haben ein gewisses, großstädtischen Flair. Doch, wer sich etwas genauer umsieht, bemerkt sehr schnell, dass ringsum die - manchmal - schon abblätternden Fassaden, vieles im Argen liegt.

Da wächst unkontrolliert das bekannte und berüchsigte Unkraut an den Rändern, zwischen den Gehwegplatten und an den Nahtstellen von Außenmauern zu dem Fußwegen. Schön ist was anderes.
Schmuddelig sieht auch so manche Leuchtreklame aus. Einige dieser Einrichtungen haben ihre besten Tagen schon längst hinter sich.

Als Boulevard soll also dieser, in einigen Abschnitten doch herunter gekommene Teil der " Kesselsdorfer Straße " umgewidmet, umfunktioniert, umgestaltet werden?

Nö, Leute, so nicht.

Auch die Auswahl der angesiedeten Geschäfte lässt sehr zu wünschen übrig. Billigheimer - Ketten, wie die in Verruf gekommene " KiK " - Discounterkette, Imbissbuden, egal, wie sie ausgestaltet werden oder Supermärkte, sind keine feinsten Adressen für einen " Boulevard Kesselsdorfer Straße ".

Da sollten sich die Investoren und politisch Verantwortlichen etwas kreativer zeigen.
Andererseits: Was kann der Passant, der Bewohner, der Bürger schon von der allmächtigen CDU hier erwarten?
Nichts!
Mit Zähneknirschen wurde für Sachsen der bundesweit eingeführte Mindestlohn hingenommen.
Wer mit Niedriglöhnen als Standortvorteil Betriebe, Konzerne oder Investoren bewirbt, muss sich nicht wundern, dass er Ramsch als Partner bekommt.

" Kesselsdorfer Boulevard "? Ich musste müde grinsen, als ich visa vis zur neu eröffneten " Rossmann " - Filiale, aus der Techno - und popeliger Soft - Pop heraus drönhte in das dortige " Einkaufszentrum " latschte. Also, " Rossmann " tue ich mir heute nicht an. Dieser Krach! Ich möchte auch keine weiß-roten Luftballons zur Einweihung als Willkommenspräsent, ich hasse rot -weiß, und auf den Eröffnungsrabatt von 10 % - auf alles, einschließlich Tiernahrung - kann ich bei diesen geplanten Einkauf auch verzichten.


So trieb es mich zunächst zu " MäcGeiz " und dann zum " Rossmann " - Konkurrenten " DM ". " Schlecker ", " Schlecker XXL " und " Ihr Platz " sind ja von der Bildfläche verschwunden, womit die reinen Drogeriemärkte in überschaubarer Anzahl konkurrieren dürfen.

Tja, und, was soll ich sagen: Auch bei " MäcGeiz" und " DM " gibt es jene Artikel, die ein Hausmann benötigt, um das Wohnumfeld in Schuss zu behalten. Und, sogar noch einige Eurocent günstiger.

Ich trolle mich aus dem der " Löbtau Passage ". Endlich wieder frische Luft und dazu der Verkehrslärm. In dem Geschäftshaus roch es irgendwie nach Gaststätte, nach Pinte, nach Imbiss - nach altem, verbrannten Speiseöl und Fett. Puuuh!

Mein Weg führt mich entlang des " Reno " - Schuhgeschäfts über die Fußgängerampel in Richtung " Bünaustraße ". Hier also soll innerhalb der " Kellei " ein Boulevard entstehen. Die " Grünen " fordern ihn als reine Fußgängerpassage. Geht das überhaupt?
Eine partielle Fußgängerzone in Mitten einer Hauptverkehrsader?
Na,ja, egal.
Das mit dem Boulevard wird eh noch dauern. 

Wieder führt mich der Weg an dem Sonnenstudio " Perfect Sun " vorbei. Aus den geöffneten Oberlichter kommt eine Dunstfahne aus billigem Parfüm und irgendwelchen anderen geruchsintensiven Drogerieartikeln entgegen. Furchtbar, diese Einrichtungen. Höhensonnenbräune ist Krebs erregend, Sonnenstudios sind dazu auch noch teuer und die miefenden Körperpflegemittel sind es auch. Wer sich mit " Aleppo " - Seife wäscht und duscht benötigt diesen Müll nicht.


Ich steige in das ordnungsgemäß geparkte Auto in der " Bünaustraße " und bewege mich mit etwas mehr als 30 Km/h gen " Clara - Zetkin - Straße ". Es holpert, ruckelt und schüttelt. Das sind also die tollen Dresdner Straßen, von denen die FDP - mangels anderer Themen - in  ihrem letzten Wahlkampf auf den Plakaten so schwärmt.

" Kesselsdorfer Boulevard " in diesem Umfeld? Dat wird nix. Und wenn sich noch weiterere Bazis aus München als Investoren zeigen.

Ein Boulevard ist ´ne Prachtstraße, so wie in Hollywood oder anderswo und kein Sammelsurium von Ramsch - Schuppen, Imbissen und Filialen.


Na, dann: Gut´s Nächtle mit den " Kinks " und " Celluloid Heroes " aus dem Jahr 1972 von der LP " Everybody Is´n Show - Biz ": 



   


Und weil es ein klasse Titel ist, noch die Live - Version aus ´79:




Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Heutzutage bekommt eben alles einen wohlklingenden Titel verpasst. Da stehen 3 Birken neben einem Haus - schon ist es ein "Apartement am Park" usw... Das treibt die seltsamsten Blüten.

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