Wo ist eigentlich Henning Venske abgeblieben?



Als ich heute auf den Seiten von " radioforen. de " herum stöberte, las ich unter anderem auch einige schwärmerisch - nostalgische Beiträge zu einstigen Sendungen und ehemaligen Moderatoren. Nicht, dass ich diese Nostalgiker nicht verstehen könnte, aber ganz so toll war das Radioprogramm vor vielen Dekaden denn nun auch nicht. Vieles war spießig, bieder, banal, bräsig, austauschbar und zensiert. Obwohl diese nach dem auch zu jener Zeit geltenden Artikel 5 des Grundgesetzes eben nicht statt finden darf. Zensiert wurden vielleicht nicht die Beiträge oder Musiktitel in den Sendungen; dafür wurden jedoch bestimmte Kulturströmungen in den verantwortlichen Kreisen erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Obwohl der staatliche Rundfunk einen klaren grundgesetzlichen Auftrag hatte, nahm er diesen nicht vollständig wahr.
Populäre Musik konnten Jugendliche und jüngere Menschen nicht hören, weil sie nie gespielt wurde. Unliebsame und kritische Sendungen oder Beiträge gab es nicht, weil mögliche Journalisten und Moderatoren, die diese hätten einbringen können, sofort abgewürgt wurden. 

Erst in der Mitte der 1960er Jahre fanden Minoritäten im Staatsrundfunk Beachtung. Einige Sender erlaubten ihren Mitarbeitern auch Beat, Rock´N ´Roll und Pop zu spielen. Jedoch wohl dosiert und überwacht. Langsam entstanden jedoch in einigen Programmen spezielle Jugendsendungen, in denen nur populäre Musiktitel abgespielt werden durften. Dieser Trend setzte sich in den 1970er Jahren fort. So gab es Programme, die dann überwiegend englisch - sprachige Musik spielten. WDR 2, HR 3 oder aber auch NDR 2 zählten einst dazu.
NDR 2 ließ in dem 5 Uhr - Club dazu auch aktuelle gesellschaftliche und politische Themen senden. Der 5 Uhr - Club wurde alsbald zu einer der beliebtesten Sendungen im norddeutschen Raum. Aber nicht nur dort, denn dieser Sender konnte auch in der DDR empfangen werden. So in den Gebietend es heutigen Mecklenburg - Vorpommern, in Teilen von Brandenburg und Sachsen - Anhalt war deshalb der 5 Uhr - Club sehr beliebt.

Zu den Moderatoren, die im " Club " damals zu hören waren, zählten:

- Rainer Wulff

- Monika Jetter

- Wolfgang Bombusch

- Baldur Filoda

- Henning Venske

 mit zu den " Clubberern " der ersten Stunde. Später waren Namen, wie Lutz Ackermann, Torsten Römling ( der dann zum Privatsender Radio ffn ging ) oder auch Wolfgang Hahn dort tätig.

" Am 1. Dezember 1969 war es soweit: Der "Fünf-Uhr-Club" brachte den Jugendlichen das, was sie zuvor so schmerzlich im Radio vermisst hatten – die aktuelle englische Popmusik sowie Wortbeiträge, die sich mit den alltäglichen Interessen und Problemen junger Menschen auseinandersetzten. Der Inhalt dieser Wortbeiträge deckte dabei eine breite Spanne ab. Von der richtigen Ausrüstung fürs Trampen und Motorradfahren bis zu politischen Ereignissen wie dem Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima wurde alles behandelt.
Jeder Wochentag hatte einen festen Moderator, der durch die Sendung führte und ihr seinen ganz eigenen Stil gab. So begrüßte montags Henning Venske die jugendlichen Hörer, dienstags war es Rainer Wulff, mittwochs Monika Jetter, am Donnerstag Wolfgang Bombosch und freitags stimmte Baldur Filoda die "Club"-Gemeinschaft auf das bevorstehende Wochenende ein. In den nächsten Jahren gesellten sich noch weitere Moderatoren dazu und lösten einige der "alten Hasen" ab. "

- Zitatende - aus:
http://www.ndr.de/unternehmen/organisation/ndr_geschichten/1962/fuenfuhrclub101_page-2.html

Wenn der Name Henning Venske hier fällt, dann erinnere ich mich an die ersten Jahre des " Clubs ". Über ein Kofferradio, das in der elterlichen Küche stand, ein " ITT Schaub Lorenz Touring 70 Universal " in einem blauen Chassis und über das " Telefunken Bajazzo TS " hörte ich nach der Berufschule den 5 - Uhr - Club auf NDR II. Der Sender war in jener Zeit über UKW auf den Frequenzen 93, 1, 92,6 und 99,8 zu empfangen. Bei günstiger Wetterlage war auch ein Empfang auf anderen Kanälen möglich.
Da saß ich dann von montags bis freitags und hörte gespannt zu, welche Musikstücke gespielt wurden. Weil der WDR damals noch keine spezielle Jugendsendung anbot, der Hessische Rundfunk meistens nicht sauber zu empfangen war und die Piratensender, wie " Radio Caroline ", " Radio Nordsee International " oder etwa " Radio Veronica " über Mittelwelle nur bedingt hörbar waren, denn das ständige Zirpen, Knattern und Zischen war kaum zu ertragen, hatte NDR II und sein " 5-Uhr-Club " eine Art Alleinstellungsmerkmal.

In jenen Jahren war eben auch Henning Venske als Moderator für den NDR tätig. Henning Venske wurde am 3. April 1939 in Stettin geboren. Er entstammt einer in Pommern lebenden und nach Kriegsende von dort fliehenden Familie. Er wuchs dann in Minden / Westfalen auf und legte dort das Abitur ab. Später studierte er Germanistik und Geschichte; ein Studium der Theaterwissenschaften brach er ab. Anschließend erhielt er eine Schauspielausbildung an der " Max - Reinhardt - Schule " in Berlin. In dieser Zeit befreundete er sich mit dem späteren Radio Bremen - Moderator Christian Günther, der ihm in den Folgejahren nicht nur beruflich sehr nahe stand.

Henning Venske war aber auch im Fernsehen zu bestaunen. Ab 1971 bis 1974 übernahm er die zuvor von Peter Fröhlich und dessen Vorgänger,  " Mr. Pumpernickel " Chris Howland moderierte Show " Musik aus Studio B ". Eine westdeutsche Kultsendung, in der deutschsprachige Schlager kredenzt wurden. Ferner war Henning Venske in der Kindersendung " Sesamstraße " regelmäßig beteiligt und spielte in " Tatort " - Folgen mit. In dieser Zeit tourte er unter anderem mit dem Bühnenprogramm "  Papa, Charly hat gesagt… .
Ab 1980 war er Chefredakteur der Satire - Zeitschrift " Pardon ".

Henning Venske ist ein Multitalent. Deshalb wundert es nicht, dass er sich nicht nur einseitig auf ein bestimmtes Medium fest legt. Die Bühne, das Kabarett besonders, ist seit eh und je sein Transponder, um gesellschaftliche Misstände zu benennen und anzuprangern. Aber auf eine undogmatische Weise, womit er seine Glaubwürdigkeit nie verliert. Henning Venske hat sich dadurch aber nicht immer beliebt gemacht.

Bereits in den 1970ern eckte er als Radiomoderator an. Nicht nur, weil er seinen Kollegen Christian Günther zur Seite stand, als dieser wegen einer parodistisches Adaption des hoch geschätzten Weihnachtsliedes " Stille Nacht " einer fristlosen Kündigung durch die verspießte und wohl auch rechtslastige Radio Bremen - Intendanz nur knapp entging, sondern auch in der Folgezeit, als er unliebsame Meinungen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen öffentlich machte.

" Dem Pop Shop Moderator Christian Günther, der am 20.12.1972 eine parodistischen „Stille Nacht“-Musik aufgelegt hatte den Plattenteller, wurde mit der Kündigung gedroht, weil er „sittliche und religiöse“ Hörergefühle verletzt habe. (Spiegel 4 1973) "

Henning Venske wurde die Zusammenarbeit mit diversen ARD - Sendern aufgekündigt, zuletzt traf ihn der Bann des Hessischen Rundfunks, der 1978 ihn vor die Tür setzte, weil er die " Meinungsfreiheit " wohl doch zu arg strapazierte:

" Nach verschiedenen ARD-Anstalten kündigte 1979 auch der Hessische Rundfunk die Mitarbeit. Sprüche wie "Carter ist doch bloß der Geschäftsführer einer Imbißkette von Harrisburgern" oder "Wann endlich kommt die Disco-Version des Horst-Wessel-Liedes auf den Markt, und wer hindert Carstens, das mitzusummen?" galten als "nicht sendefähig". (Spiegel 26 1979)"

Beide Zitate aus: 
 
http://www.zensur-archiv.de/index.php?title=Radio

Nein, Henning Venske war keiner von denen. Jenen eher angepassten und auf die eigene Karriere und den damit gefüllten Geldbeutel schielenden Berufskollegen. Der multi - mediale Tausendsassa Henning Venske zeigte sich überwiegend unbotmäßig. Auch in den Jahren nach dem Abgesang der politischen Jugend, als die APO - Protagonisten längst auf luxuriösen Chefsesseln in warmen Vorstandszimmern oder an den Hebeln der Macht von jenen Institutionen saßen, die sie eine Dekade zuvor vehement bekämpft hatten, grollte Henning Venske in den Medien immer noch. Völlig zu Recht, denn geändert hatte sich de facto nicht sehr viel; geblieben waren die bekannten Missverhältnisse in der Gesellschaft. Und zwar weltweit.
So kam es nicht von ungefähr, dass Henning Venske in seinem " Folklorebasar "oder in der WDR 3 - Sendung " Musikpassagen " neben Titeln, die dem Folklore - Umfeld sehr unterschiedlicher Länder zuzuordnen waren, auch bissige, teilweise anklagende und sehr informative Begleittexte in seiner Moderation einflocht, um den Hörer wach zu rütteln.
Es waren Wortbeiträge, in denen die realen Verhältnisse in einigen Ländern Südamerikas angerissen wurden. Aber auch ethnische Minderheiten und politisch Verfolgte erhielten hier ihre Beachtung; immer verbunden mit deren spezieller Musik.

Ein Forum in dem Minderheiten eine gewisses Mass an Aufmerksamkeit erhielten, in einem öffentlich rechtlichen Randprogramm.

Henning Venske widmete sich ab den frühen 1980er Jahren dem schriftstellerischen und veröffentlichte  zusammen mit dem " Stern " - Redakteur Günter Handlögten vier Bücher über das Thema Wirtschaftskriminalität.
In dieser Dekade vermehrte er seine kabarettistischen Aktivitäten und fungierte als Autor sowie als Künstler der " Münchner Lach - und Schießgesellschaft ", wo er unter anderem auch mit Dieter Hildebrandt agierte.
Henning Venske widmete sich in diesen Jahren aber nicht ausschließlich dem Kabarett, sondern war auch an Hörbuchproduktionen beteiligt. 

In den Folgejahren war Henning Venske regelmäßig als Sprecher und Moderator zu hören und zu sehen. Jochen Busse und er touren seit 2009 mit dem Programm "Inventur durch den deutschsprachigen Raum ". Seit 2012 ist er mit seinem neuen Partner Kai Magnus Sting mit dem Programm " Gegensätze " sowie als Solist in " Das wird man ja wohl noch sagen dürfen " zu sehen.


http://www.venske.de/biografie/


http://de.wikipedia.org/wiki/Henning_Venske

Henning Venske ist nach dem Tod des Übervater des deutschen Kabaretts, Dieter Hildebrandt, im November des letzten Jahres, der dienstälteste seines Fachs. Leiser dürfte er indes nicht geworden sein. " Sagen, was ist? " Dieses könnte immer noch sein Motto sein. Der politische Henning Venske, das politische, gesellschaftskritische Kabarett hat mir besonders gefallen. Es soll es ja auch noch heute - trotz des Commedy - Quatsches - immer noch geben.
Der NDR II, WDR 3 - Moderator Henning Venske zählte ebenso zu meinen Favoriten, weil er kein Blatt vor den Mund nahm. In einer Zeit, als noch Alt - Faschisten und rechtslastige Intendanten bei den ÖR das Sagen hatten und in der Politik Ex - Nationalsozialisten, wie Filbinger, Kiesinger oder unlehrbare vom Kaliber des Denninger, Dregger sowie Strauß den Ton angaben.

Aber auch der durch seine vielen Sketche bekannt gewordene Henning Venske war ein Hingucker. So in einem " Weihnachtssketch " aus den 1970ern, als er den verspießten, biederen und technisch überforderten Familienvater zu Weihnachten abgab. Dieser hatte seinem vielleicht gerade schulpflichtigen Sohn einen Geschenkkasten mit einer elektrischen Eisenbahn unter den Weihnachtsbaum gelegt. Nach der Bescherung versuchte er zusammen mit dem Filius die Eisenbahn aufzubauen und zum Fahren zu bringen. Das misslang. Es funktionierte nicht. Es vergingen Stunden. Die Mutter war bereits auf dem Sofa eingeschlafen und der Sohn lag auf dem Teppich und träumte vor sich hin. Gegen Mitternacht wachte der Sprössling auf, rieb sich Schlaf trunken die Augen und fragte mit müder Stimme den Vater: " Papaaaaaaa, waaaas maaaachst duuu daaaa? "
Henning Venske, als Vater, zeigte sich sichtlich gereizt, frustriert, weil die teure Eisenbahn nicht lief und raunzte seinen Sohn mit " Spiiiiiiielen!" an.
Mit kamen die Tränen - vor Lachen.

Das war Henning Venske, wie er bleibt und lebt. Einfach Klasse!
Henning Venske wird am 3. April 2014 seinen 75. Geburtstag begehen können. Um es - mit seiner Art - etwas ironisch auszudrücken: Er wird dann viele, die ihn vor vielen Jahren zum Teufel wünschten längst überlebt haben. Dieses gilt aber auch für einige seiner einstigen Kolleginnen und Kollegen, wie Christian Günther, den unvergessenen Moderator von Radio Bremen, aber auch Dieter Hildebrandt.

Einige Radio - Schnipsel aus der Zeit, als das Hören noch ein Erlebnis war, wenn auch manchmal zensiert:


 

Kommentare

kreuzfahrer hat gesagt…
ich bin zwar 1950, aber die Frage habe ich mir auch schon gestellt..........
Lobster53 hat gesagt…
Tja, die Frage, nach dem, wo er abgeblieben ist, hat Henning inzwischen selbst beantwortet: Er steht dort, wo er hin gehört, auf der Bühne und motzt weiter.

http://www.reservix.de/tickets-henning-venske/t5899

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