Wo liegt eigentlich Ballenstedt?

Wenn nicht nur am 3. Oktober 2013, dem Tag der Deutschen Einheit, die Medien wieder umfangreich aus der Zeit nach dem Fall der Mauer, der deutschen Wiedervereinigung und von den " Geburtswehen " des vereinten Deutschland berichten, dann sind es oft Beiträge, in denen häufig viele Filmaufnahmen und  Archivbilder aus der DDR eingespielt werden. So produzierte der Mitteldeutsche Rundfunk hierzu eine 6 - teilige Serie nebst eines " Special ", die " Damals nach der DDR " heißt und deren erste Folge am 13. September 2010 gesendet wurde.
Wer es genau nach lesen möchte:

http://www.fernsehserien.de/damals-nach-der-ddr/episodenguide

Der MDR hat zudem eine weitere Staffel abgedreht, die sich mit dem Leben in der DDR befasst. Sie wurde folgerichtig:

http://www.mdr.de/damals-in-der-ddr/index.html

benannt und lief ein Jahr zuvor erstmalig über die ARD - Senderkette.

Kurz vor dem 23. Tag der Deutschen Einheit wiederholte nun der ARD - Spartenkanal Einsfestival die 6-teilige Sendereihe " Damals nach der DDR ". Und so konnten die Zuschauer hierin eingebettet,  als 3. Episode jener ARD - Serie, noch einmal jene Protagonisten bestaunen, die ihre persönlichen Erlebnisse während der teilweise chaotischen Nachwendejahre schilderten:

http://www.einsfestival.de/sendungen/sendung.jsp?ID=10673202024

Somit kam auch ein einstiger Mitarbeiter der in diesem Zeitraum eigens ins Leben gerufenen " Treuhand ", ein Bernd Capellen zu Wort. Capellen trieb es nach der Wiedervereinigung im Auftrag der " Treuhand " nach Sachsen - Anhalt. Aus dem Beitrag geht zwar nicht hervor, was Capellen dazu bewog, hier in den Osten der Bundesrepublik Deutschland zu gehen, ob es nur das Geld in Form der " Buschzulage ", eine neue Herausforderung oder beides war. 

So hatte Capellen denn unter anderem auch den Volkseigenen Betrieb ( VEB ) Gummiwerk Ballenstedt unter seine Fittiche genommen, um zu prüfen, ob der Betrieb überlebensfähig sein könnte. Capellmanns Prüfung ergab, dass er es nicht war. Zum einen,weil die Herstellungstechniken zu alt waren, zum anderen, weil die Abnehmer der produzierten Gummi - Förderbänder ausschließlich in der damaligen UdSSR lagen. So entschloss sich Bernd Capellen, den Betrieb " dicht zu machen ", ihn zu schließen, ihn abzuwickeln, wie es so schön im Amtsdeutsch heißt.

Capellen konnte diese Entscheidung von sich aus treffen, denn er war ja Bevollmächtigter der " Treuhand ". Er musste als Mitarbeiter aber auch die Belange der betroffenen Betriebsangehörigen, der Werktätigen von einst, in sein Kalkül mit einbeziehen. Selbst gefragt wurden ie natürlich nicht. Warum auch? Planwirtschaft ist nicht Marktwirtschaft und umgedreht. Bei einer Weiterführung des Werks hätte der Staat die Verluste, die bei der Produktion aufgelaufen wären, zu tragen gehabt. Dieses bedeutete de facto, das der gesamtdeutsche Steuerzahler dafür eintreten musste. Steuergelder, die andererseits für weitere Aufgaben verwendet werden konnten.
So sagte Capellen eben: " Dicht machen! "

Die Mitarbeiter des VEB Gummiwerk Ballenstedt waren sauer. So, wie es die anderen Betroffenen in jenen Tagen, Wochen und Monaten auch waren, wenn die " Treuhand " ihnen die Kündigungen per Einschreiben mit Rückschein zusenden ließ. Wut kam bei ihnen hoch. Oft berechtigt, denn wer lässt sich nach 20, 30, 40 Jahren der Betriebszugehörigkeit schon gerne vor die Tür setzen? Ohne Ausgleich, ohne Abfindung und ohne Zukunft.

Als Capellen dann die Frage gestellt bekam, ob das Kraftwerk, dass sich neben den Gummifabrikanlagen befand, auch geschlossen werden solle, da antwortete Capellen leichtsinniger Weise mit " Ja ". Und so schalteten die Mitarbeiter dort alle Aggregate ab, wohl wissend, dass die halbe Stadt Ballenstedt am Stromnetz des Kraftwerks hing. Die Straßenbeleuchtung erloscht, die Ampeln gingen aus und die Haushalte waren fortan ohne Strom. Es wurde partiell dunkel, in " Dunkeldeutschland " ( Westjargon zu jener Zeit ).
Die Verantwortliche in Ballenstedt riefen die " Treuhand " in Berlin an und beschwerten sich dort. Zu Recht,denn ohne Stromversorgung ging auch 1990/1991 nichts mehr im so genannten Beitrittsgebiet, in Ostdeutschland, der einstigen DDR, die ja qua demokratischer Wahlen, bei denen mehrheitlich eben jene Schwarzen die Politik machten, die dann zur Wiedervereinigung führte.

Nun, das ist fast 23 Jahre her. Die " Treuhand " wurde selbst aufgelöst, nachdem der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte, der einstige Chef Detlev Carsten Rohwedder erschossen wurde ( von der RAF ) und die Nachfolgerin Birgit Breuel längst ihre üppige Pension genießen kann. Aus dem Gummiwerk wurde eine Industriebrache. Später dann eine GmbH, die heute noch existiert. Deren Hauptsitz ist Köln, dort im näheren Umfeld ( 42, 2 Km entfernt ), in Haan nämlich, hat sich Bernd Capellen als selbständiger Unternehmensberater nieder gelassen. Capellen erhielt zwischenzeitlich lukrative Mandate als Liquidator insolventer West - Betriebe, die genauso überlebensunfähig geworden sind, wie einst der VEB Gummiwerk Ballenstedt. Capellen hat damit ausgesorgt. Einige Male wurde ihm vorgeworfen, zu viel für sich selbst gesorgt zu haben. Er bekamm deshlab Besuch von der Staatsanwaltschaft und der Polizei, als sein Büro durchsucht wurde. Sei´s drum, Capellen blieb nicht in Sachsen - Anhalt, sondern verzog sich nach erfolgter Abwicklungsarbeit in den Goldenen Westen. 

Ballenstedt, eine Stadt am nördliche Rande des Ostharzes, mit 7749 Einwohnern, die nach der Wende sukzessive schrumpfte, in der es dann mehr Arbeitslose als Häuser gab und die jetzt vergreist. Die Jugend zieht weg, denn es gibt keine Arbeit, keine Zukunft, keine Lebensqualität hier, in der ländlichen Ödnis des Vorharzlandes.

http://www.strassenkatalog.de/ort/ballenstedt-ballenstedt-stadt.html

Und, obwohl es den Menschen hier wirtschaftlich nicht gerade gut geht, wird dennoch schwarz gewählt. So, wie schon vor mehr als 2 Dekaden, als der ewige Kanzler Kohl die " Blühenden Landschaften " versprach.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ballenstedt

" Am 3. Oktober 1990 ist es so weit: Die Menschen bejubeln die deutsche Wiedervereinigung, doch bei vielen Ostdeutschen vermischen sich die positiven Gedanken mit Skepsis. Es folgen die mühsame Umgestaltung eines Landes nach dem Vorbild der Bundesrepublik und ein schlagartiger Wandel der Lebensverhältnisse von Millionen von Menschen. "

So auch geschehen, in der Kleinstadt Ballenstedt, als das Gummiwerk schloss, das Licht - zwar nicht für immer - ausging und die Menschen arbeitslos wurden und - meistens - auch blieben - bis zur Verrentung. Die Geschichte des Gummiwerks Ballenstedt indes lässt sich weiter erzählen.
Die Treuhand Halle und ihr Bevollmächtigter, Herr Bernd Capellen, fanden einen Käufer für das Industriewrack in Ballensedt, der ab 1993 dort eigetragene Eigentümer Vollmer aus Berlin, veräußerte das Werk 1997 an die Schommer AG in Saarbrücken, einem Hersteller von synthetischen Produkten und Gummiwaren. 


Gummiwerk Ballenstedt GmbH
ab 1990 in Ballenstedt/Harz
1990: Treuhandanstalt Halle
1993: Eigentümer: Vollmer, Berlin
1997: Eigentümer: Schommer, Saarbrücken

Einst, nämlich  ab 1936 gehörte die Produktionsstätte für Gummierzeugnisse in Ballenstedt zu der Franz Clouth AG in Köln - Nippes, einem auf dem Kautschuk verarbeitenden Sektor tätigen Konzern, der dann bis 1945 auch für die Wehrmacht Kriegsgüter herstellte.
Die Clouth AG stellt sich im Internet so dar ( Vgl. S. 10 der Präsentation ):

http://clouth.org/PDF%20Schautafeln/Tafeln-90x200-komplett.pdf

Somit lag Ballenstedt einst im Herzen der Kriegswirtschaft des Tausendjährigen Reichs und nicht nur in der " Wiege Anhalts ".


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