Mein Platz - Dein Platz - Ihr Platz.



Auf dem Weg zu Fuß über die Fußwege des Dresdner Stadtteils Löbtau, die mich eher an eine Abenteuerfahrt mit meinem einst lindgrünen R4 zum Nordkap erinnerten, eierte ich in Richtung Kesseldorfer Straße. Dabei hörte ich schon von weitem den Lärmpegel aus dem Kindergarten und der Kindertagesstätte an der Bünaustraße. Und während ich die dortigen Grundstücke zügig passierte, schossen mir Gedanken an die Umsetzung des Wahlversprechens unser aller " Angie " und ihrer - wohl demnächst dort nicht mehr amtierenden - Bundesfamilienministerin Schröder  durch den Kopf. Diese lauten nun mal:

Ab dem 1. August 2013 werden Eltern für jedes Kind vom vollendeten ersten Lebensjahr an einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder durch Tagespflege haben. Bis dahin soll bundesweit für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz geschaffen werden; 30 Prozent der neuen Plätze sollen in der Kindertagespflege entstehen. Die Ansprüche der Kinder ab drei Jahren und die der unter Dreijährigen werden in den §§ 24 und 24a SGB VIII geregelt. "

- Zitatende - aus: IPZF, Kindertagesbetreuung Martin R. Textor:
http://www.kindertagesbetreuung.de/rechtsgrundlagen.html


So weit, so gesetzlich geregelt. Nur, die Realität sieht längst anders aus, denn:


"Ab dem 1. August 2013 wird es in vielen Städten und Gemeinden wahrscheinlich nicht genügend Betreuungsplätze für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr geben, um den zu erwartenden Bedarf zu decken. Dann rechnen die kommunalen Spitzenverbände mit einer Welle von Klagen gegen die Kommunen, an die sich der Rechtsanspruch richtet. "

- Zitatende - aus: a.a.O.

Das wird für manche Kommune dann richtig teuer. Wer die voll mundigen Versprechungen der beiden CDU - Damen beim Wort nimmt und sich auf jenen Rechtsanspruch beruft, wird - wenn auch nach einiger Zeit - über ein örtlich zuständiges Verwaltungsgericht einen Platz zuerkannt bekommen. 
So kommt denn auch ein - vorsorglich - eingeholtes Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht im Auftrag des Deutschen Städtetages sowie ein Rechtsgutachten der Kanzlei Bernzen und Sonntag im Auftrag der Friedrich vom Stein-Akademie für Europäische Kommunalwissenschaften zu der erhellenden Erkenntnis, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz in einem nicht unerheblichen Maße erforderlich sein wird, denn die nach dem Gesetz verbriefte Betreuungsplatzgarantie ist de facto nicht gegeben. Damit besteht aber auch die Möglichkeit den Anspruch auf Kostenerstattung für eine selbst verschaffte Kinderbetreuung (wenn der örtliche Träger der Jugendhilfe keinen Platz zur Verfügung stellen konnte) bzw. eines Anspruchs auf Schadenersatz (z.B. des Verdienstausfalls) geltend zu machen.

Eine solche Verpflichtungs - und Leistungsklage hat aber  nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn beispielsweise
  • die Anspruchsberechtigten den Träger der örtlichen Jugendhilfe (Jugendamt) mindestens drei Monate - während einer Übergangszeit u.U. sogar mindestens sechs Monate - vor der tatsächlichen Inanspruchnahme des Rechtsanspruchs darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass sie dann einen Betreuungsplatz benötigen werden und
  • die Anspruchsberechtigten bereit waren, einen Platz sowohl in einer Kindertageseinrichtung als auch in Kindertagespflege anzunehmen, da im Gesetz beide Betreuungsformen als gleichwertig und gleich geeignet betrachtet werden sowie
  • die Eltern nicht auf einem Platz in einer bestimmten Einrichtung bzw. bei einer bestimmten Tagespflegeperson bestanden haben, sondern jeden ihnen vom örtlichen Träger der Jugendhilfe angebotenen Platz akzeptiert hätten.
Außerdem müssen die Anspruchsteller dazu  nachweisen, dass ihnen wirklich ein Schaden entstanden ist, weil der Rechtsanspruch nicht eingelöst werden konnte, (sie also z.B. eine konkrete Stelle nicht - wieder - antreten konnten) und dass sie ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen sind. Wobei die Kosten für eine ersatzweise selbst beschaffte Kinderbetreuung nur ersetzt werden, wenn u.a. allgemeine Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet wurden. Andererseits darf eine Klage nicht aus dem Grund abgewiesen werden, dass es objektiv unmöglich gewesen sei, dem Kind einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, da es insgesamt zu wenig Plätze gäbe.
Und weil die Betreuungsplatzunterdeckung bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Merkel/Schröder´schen Gesetzes vorhersehbar ist, haben sich betroffene Erziehungsberechtigte längst im Internet positioniert und geben dort kostenlos Rechtsauskunft. Immerhin: Die Hilfe zur Selbsthilfe funktioniert dort exzellent.

http://www.kitaplatz-klage.de/

Da bleibt denn dem Vorbeischreitenden auf dem Weg zur Erledigung der Alltagsroutine, nach Ende der kurzen Gedankenspiele nur ein tiefes Durchatmen verbunden mit der erleichterten Quintessenz, dass das gesetztere Alter dem sich, nach Maßgabe des gesunden Menschenverstands aus der aktiven Zeugungsschlacht längst verabschiedenden Nichtbetroffenen, jene Arena der gesellschaftlichen Realitäten wohl wissentlich versperrt hat.


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