" Mobbing " - Ein Fernsehfilm mit Realitätsbezug.



Fernsehfilme können oft eine Traumwelt darstellen, innerhalb derer sich immer die gleichen Fratzen des Gebühren alimentierten, verantwortlichen Senders treffen, um dem Zuschauer vermitteln zu wollen, dass er auch jenen anstrengungslosen Materialismus ausleben kann, wenn er nur die richtige Herkunft ausweist. Für dieses Genre zeichnen seit vielen Jahren angebliche Stars, wie Smith - Fulton, Kohlund oder sonstige, längst abgetakelte Schauspieler verantwortlich.Das Gegenteil, mithin die Antithese zu jener These des frei zur Verfügung stehenden Wohlstands, präsentiert in Form eines opulenten Anwesens, klotziger Limousinen und üppiger Luxus - Einrichtungen, sind jene Filme, deren Inhalt sich auf das Wesentliche im Leben reduzieren lässt, das da heißt: Überleben. Dazwischen liegt eine Filmkategorie, die sich unter " sowohl als auch " subsumieren lässt. Sowohl, deshalb, weil hier Handlungen nachgespielt werden, deren Ursprünge in der Bewältigung der all täglichen Probleme , die uns dieses Leben aufzeigt, zu finden sind. Als auch, deshalb, weil die Lebensrealität sich dennoch auf einem hohen Niveau, abseits von HARTZ IV und sonstigen Armutsfällen, abspielt.

In jene Schublade ist auch der Fernsehfilm " Mobbing " einzuordnen. Dieser als " Drama " ( viel zu hoch gegriffen ) titulierte Film, soll das standardisierte Sein in der Mitte unserer Gesellschaft wieder geben. Ein Anspruch, dem das TV - Stück nicht immer gerecht wird. Das gezeigte soziale Umfeld lässt allerdings sehr wohl den Schluss zu, dass hier keine Scheinwelt aufgebaut wird.   


Gezeigt wird eine Familie, aus eben dieser Mitte der Gesellschaft mit zwei Kindern, diversen Freunden und einem durchaus wohnlichem Heim.Die zweifache Mutter Anna versucht sich als freischaffende Übersetzerin.  Der Vater Jo ist Angestellter  im Kulturreferat einer Kleinstadt und macht dort seit 18 Jahren seine Arbeit. Bislang zur Zufriedenheit des Arbeitgebers. Der Job ist zwar nicht einfältig, dennoch sind die Anforderungen an ihn hier überschaubar. Im Kollegenkreis ist Jo durchaus beliebt. Die Stimmung ändert sich schlagartig, als er eine neue Chefin bekommt.Jo, dem alles mit links zu gelingen scheint, bekommt ebenso wie sein Freund und Kollege Markus Probleme, als eine neue Chefin ins Kulturamt berufen wird. Sie entzieht den Endvierzigern die großen Projekte, lässt sie überwachen, stellt ihre Kompetenz in Frage, frühere Mitarbeiter schlagen sich opportunistisch auf die Seite der nun Mächtigen. Während der allein stehende Markus sich bald an anderen Orten bewirbt, fühlt sich Jo als Familienernährer wie gelähmt. Sie kritisiert ständig seine Arbeit und beschneidet sukzessive seine Kompetenzen.Jo wird unzufrieden mit dem Job, weil er den aufgebauten Druck nicht mehr erträgt, kapselt er sich ab.


Auch Zuhause entfremdet sich Jo zunehmend von seiner Ehefrau Anna, die auf ihre bohrenden Fragen  immer häufiger keine Antwort mehr bekommt. So entsteht eine krisenhafte Situation, wodurch Jo immer gereizter auf die Ratschläge seiner Frau reagiert. Anja möchte ihm eigentlich helfen, kommt aber an Jo dann nicht mehr heran.

Als dieser nach einer Abmahnung und der darauf folgenden Kündigung seines besten Freundes auch die eigene berufliche Existenz gefährdet sieht, geht es mit Jo´s seelischer Verfassung weiter bergab. Schließlich wird auch er selbst fristlos entlassen. Weshalb, erfährt Lisa erst später. Ihr Mann redet kaum noch mit ihr, lieber wütet er mit der Kettensäge im Garten und bleibt sonst sprachlos. Keine guten Voraussetzungen für eine Ehe. Als Anna ihn zunehmend unter Druck setzt und dabei über berufliche Alternativen sprechen möchte, platzt es aus Jo heraus: Sein einziges Ziel ist es nur noch, den angestrengten Prozess vor dem Arbeitsgericht zu gewinnen. „Ich hol mir diesen Job zurück“, koste es, was es wolle, so redet Jo sich bei Anja heraus. Seine Familie verliert er zunehmend aus dem Blick. Für Anja eine unerträgliche Situation. Sie will nicht immer alles ausbaden müssen, sie ist erschöpft, sie ist wütend: „Du kriegst nichts auf die Reihe, gar nichts, nicht den Job, nicht die Familie, gar nichts!“, brüllt Anna den Ehemann an.
Eine Ehekrise, an deren Ende häufig die Ehescheidung steht, hat die beiden Protagonisten längst erfasst.

Der Film trägt zwar den Titel " Mobbing ", befasst sich jedoch vornehmlich mit den Folgen einer beruflichen Situation, die über viele Jahre überschaubar, kalkulierbar und ohne große Veränderungen ablief. Ein dann eher biederes Umfeld mit Menschen, rund um die 40. Spießern eben, die im ihrer vorgefertigten Welt keinen Platz eingeräumt haben, um soziale Problem anderer Menschen überhaupt verstehen zu können. Der selbst auferlegte Schein des Normalen, des Bürgerlichen, des Berechenbaren, hat statt dessen in dem gebildeten Umfeld der beiden Eheleute den Vorrang.Der Begriff " Mobbing " kommt dort genau so wenig vor, wie HARTZ IV und Veränderung.

Wenn „Mobbing " als  ein diffuser Zustand definiert werden kann, dann geht dieser einher mit Gerüchten, Ängsten, Projektionen und Demütigungen, die sich alsbald zu einem Konglomerat aus allem verbinden, die sich zu einem Alptraum entwickeln, der sich in den Köpfen festsetzt – nicht nur des Gemobbten, sondern aller Mitspieler, deren Rollen dabei bald selbstläuferische Charakterzüge annehmen.
So hat die Schriftstellerin Annette Pehnt für ihren Roman „Mobbing“ einen kommunikativen Zugang zu diesem gesellschaftlichen Phänomen gewählt. Die alt bekannten, die gewohnten Aufgabenverteilungen zwischen Eheleuten werden plastisch wieder gegeben: Hier der zupackende, lebensfrohe Mann und dort die patente, einfühlsame Ehefrau. Beide halten dem Mahlwerk des Mobbings nicht stand.
Für die gezeigte Verfilmung wurde von den Autorenduo Eva und Volker A. Zahn ein ähnlicher Zugang gewählt. Die konkreten Aktionen, die beruflichen Beschneidungen, die dann das eigentliche " Mobbing" entstehen lassen, werden vom Zuschauer noch von der weibliche Hauptfigur erkennbar gezeigt Auch die Mobbing-Attacken ansich kommen nur vermittelt zum Ausdruck; denn Jos Chefin wird im Film nicht gezeigt. Diese Perspektive verlagert deshalb den Schwerpunkt der Geschichte zum Thema " Mobbing " auf die Auswirkungsebene, die sich in einer Macht-Ohnmacht-Quälkommunikation auf das familiäre Umfeld des Betroffenen massiv auswirken; dieses sodann lähmen. Im Film rückt die nicht minder unter dem Konflikt leidende Ehefrau indes aktiver ins Zentrum der Handlung.
Die Ehefrau stellt dann resignierend fest: " Was ist bloß aus uns geworden? Wir belügen uns schon gegenseitig“. Damit erkennt Anna auch jene Gradwanderung zwischen gesellschaftlicher Anerkennung durch Wohlstandspräsens und dem Ab - sowie Ausstieg aus diesem Beziehungsgeflecht.
Schlussendlich konstatiert sie:  „Es war schon ein harter Kampf für das bisschen Gerechtigkeit“. Als sie dann noch unangemeldet den Mann an dessen Arbeitsstelle aufsucht, zieht sie eine weitere Bilanz.Aus dem einstigen lebensfrohen Partner ist ein funktionierendes Wesen geworden.Der realistische Blick für jedwede Wertschätzung ist ihrem Mann vollends abhanden gekommen. Der Verlust seiner Würde hat ihm offenbar jegliches Gespür für den Wert des Lebens genommen. Die Schlussszene, die diesen in einem ausgelagerten Container vor dem Stadtverwaltungsgebäude zeigt, liefert ein Horrorbild für Entfremdung von der eigenen Tätigkeit.


„Mobbing“ ist aber auch ein höchst aufschlussreicher Film über die „Entfremdung“ eines Ehepaars. Nicht nur, weil die dem Zuschauer übermittelte destruktive Kraft und unheilvolle Wirkung von einer imaginären, weil nicht sichtbaren Vorgesetzten als Täterin ausgeht; sonder weil über die Mobbing-Interaktion, das fragile Gebilde der Partnerschaft vollends aus dem Gleichgewicht gerät. Damit zeigt sich, was diese Ehe eigentlich wert ist. Anhand der geschilderten Veränderungen beider Eheleute wird es im Einzelnen darstellt, aber auch, das diese natürlich sehr unterschiedliche  „Mentalitäten“ besitzen. Den Schauspielern Susanne Wolff und Tobias Moretti gelingt es,ein furioses Doppel zu initiieren, in dem jene Unterschiedlich klar zu Tage treten.Sie können sich alsbald  hinter nichts mehr verstecken, keinen anderen Figuren, keinen Genre-Ritualen, keinem Alltagsgeplänkel. 



Mobbing 
BR, SWR, Arte / Fernsehfilm / Drama 
EA: 25.1.2013, 20.15 Uhr (Arte) 
Mit Susanne WolffTobias MorettiAndreas LustBettina MittendorferKrista Stadler und Margret Völker 
Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn 
Regie: Nicole Weegmann 
Kamera: Alexander Fischerkoesen 
Ausstattung: Eva Maria Stiebler 
Schnitt: Andrea Mertens 
Produktionsfirma: Claussen+Wöbke+Putz



Soundtrack: David Bowie („Heroes“), Peter Gabriel („Heroes“)

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