Heinz Buschkowsky - Thilo Sarrazin, das sich abschaffende Deutschland und die Mär von der Leitkultur.



Heute Nacht hatte ich einen Traum, einen Albtraum. Ich befand mich plötzlich in den 80er Jahren. In jener Dekade, die sich durch Punk, Neon-Licht und Popper auszeichnete, in der die Friedensbewegung den Bonner Politikern schwer zu schaffen machte, weil diese die Sicherheit der BRD,  das Fortbestehen der NATO, ja, sogar die vermeintliche Freiheit der gesamten  westlichen Hemisphäre durch jene Quälgeister in Gefahr sahen. Deshalb hetzten einst die Springer - Postillen, die CDU/CSU und andere konservative Flachdenker gegen jene Zeiterscheinung, die es vor 31 Jahren  unter anderen schaffte, mehr als 300.000 Menschen zu einer Kundgebung auf dem Bonner Hofgarten zusammen zu bringen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung#Gegen_den_Nato-Doppelbeschluss

Während die Verdummungsmaschinerie der BRD - Medien von einer kommunistischen Unterwanderung der " Friedensbewegung " phrasierte, machten es sich die Propagandisten in den Staaten des Warschauer Pakts im Umgang mit jenem Zeitgeist und dessen aktiven Vertretern noch einfacher, sie behaupteten schlank weg, dass die Kriegswaffen des Osten unisono nur der Erhaltung des Weltfriedens dienten und fabulierten im feinsten Parteipropaganda - Sprech von " Friedensbombern ". Nur ein dementer Dogmatiker vermochte bereits damals einen Unterschied darin zu erkennen, dass einst US - Napalmbomben, abgeworfen von B52 - Festungen, einen imperialistischen Kriegscharakter hätten; die flächendeckende Bombadierung in Afghanistan, etwa eine Dekade später durch die UdSSR, jedoch dem Erhalt des Weltfriedens diene.

In dieser Zeit also, erschien ein Film in den kommunalen Kinos der BRD, der sich " Yol  - Der Weg " nannte, den der türkische Regisseur, kurdischer Abstammung, Yilmaz Günney drehen ließ. Yilmaz Günney verstarb zwei Jahre  später  im Alter von 47 Jahren in Paris.

http://de.wikipedia.org/wiki/Yol_%E2%80%93_Der_Weg

http://de.wikipedia.org/wiki/Y%C4%B1lmaz_G%C3%BCney

Was der in Cannes mit der " Goldenen Palme " ausgezeichnte Kinostreifen über knapp 2 Stunden als Botschaft herüber bringt, war mir damals, als ich ihn zusammen mit einigen ausländischen Kommilitonen im " Cinema Ostertor " in Bremen sah, nicht so richtig klar. Sicherlich, ich kannte schon aufgrund meiner aktiven Arbeit im Mieterrat des Mensa - Wohnheims an der Uni viele ausländische, insbesondere türkische Kommilitonen, weil ich mich bemühte, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Nicht in einer Funktion als " Gutmensch ", wie jene Fürsprecher einer multikulturell orientierten Gesellschaft von den Unwissenden, Verblendeten und Deutschtümlern hier und heute öffentlich diffamiert werden, sondern weil ich der festen Überzeugung war, dass das einst geltende Recht für alle in der BRD lebenden Menschen gelten muß. Nun, die spätere Berufserfahrung lehrte mich sehr schnell eines Besseren.

Trotzdem verhalf mir der Film ein wenig dazu, die realen Zustände in der Türkei der 80er Jahre besser verstehen zu können. Jedoch warf er auch viele Fragen auf.  Wer waren die Mitglieder der PKK, die sich für die Freiheit der kurdisch - türkischen Minorität oft mit Gewalt einsetzten? Wer waren die Militärs, die nach 1980 in dem Land, das immerhin US - und NATO - Stützpunkte beherbergte, die nicht nur jene kurdische Minderheit verfolgte, sondern auch die türkisch - stämmige Bevölkerung unterjochte? Warum gelang es den Menschen dort nicht, einen demokratischen Staat aufzubauen, ohne dass es Schießereien, Gewaltexzesse und Mordtaten zwischen den verfeindeten Anhängern der beiden großen Parteien gab?

Der Film von Yilmaz Günney erbrachte bei mir zwar nur einen winzigen Einblick in das Innere der türkischen Gesellschaft, weil er diese, als von Traditionen geprägt skizziert und als sozial zerrissen zeigt; dennoch widerspiegelt er den damaligen Realzustand eines Landes, das - geographisch betrachtet - als Bindeglied zwischen Asien und Europa gilt. Dort der arme, der verarmte Osten, an der Grenze zu den arabischen Staaten Syrien, Irak und Iran, den asiatisch - geformten Ländern der damaligen UdSSR, nämlich Armenien, Aserbaidschan und Georgien, da der wohlhabendere Westen, mit seinen Grenzen zu Bulgarien, dem einstigen Mitgliedsstaat des Warschauer Pakts, zu Griechenland, dem NATO - Mitglied und der geteilten Insel Zypern, mit der autonomen Republik Zypern sowie dem türkischen Teil Nordzypern. Ringsherum Wasser, genauer gesagt das Schwarze Meer, das Mittelmeer, die Ägais und die geographische Grenze zu Europa, das Marmara Meer.

http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrkei

Warum also konnte oder besser durfte sich in diesem flächenmässig großen Land kein Staat mit demokratischen Zügen entwickeln? Von der geostrategischen Warte der USA, der NATO und des Westens aus betrachtet, kam jener Militärputsch 1980 gerade zur rechten Zeit. Die bösen Russen waren ein Jahr zuvor in Afghanistan eingefallen, in einigen europäischen Staaten gab es immer noch starke, teilweise an Regierungen beteiligte Kommunistische Parteien ( Eurokommunismus ) und nun auch noch die Friedensbewegung, die von jenen kommunistischen Gruppierungen unterwandert sein sollte. Deshalb ließen es die USA und ihr schwacher Präsident Jimmy Carter wohl auch geschehen, dass das Militär sich in der Türkei an die Macht putschte. Nach dem Gusto: Lieber massive und permanente Menschenrechtsverletzungen dort, als die Kommunisten vor der NATO-Haustür, wurden sodann Waffen geliefert, die vom türkischen Militär gegen die Kurden und die Zivilbevölkerung insgesamt eingesetzt werden durften.

Zwar zog sich das Militär mit dem Verfassungsreferendum am 9. November 1982 de jure aus großen Teilen der Politik wieder zurück und gab die Macht an eine zivile Regierung ab, dennoch blieb dessen Einfluss über den bis 1989 amtierenden Staatspräsidenten Evren nahezu ungebrochen. Evren fungierte quasi als Wächter zur Einhaltung der oktroyierten Spielregeln. So kam es, wie es kommen musste: Aus der Türkei, besonders der Osttürkei und den anatolischen Gebieten, ergoß sich ein Flüchtlingsstrom über Westeuropa, vor allem die BRD. Das einstige, sehr liberale Asylrecht ermöglichte es den türkisch - kurdischen Antragstellern, die eingeleiteten Verfahren auf viele Jahre zu erstrecken, ohne dass eine rechtskräftige - überwiegend ablehnende - Entscheidung der Verwaltungsgerichte erging.
Die Asylantragsteller erhielten zu jener Zeit mindestens den Aufenthaltsstaus einer " Duldung ". Der zwar unsicher war, jedoch eine Abschiebung verhinderte.

Das war gut so, denn in den osttürkischen Gebieten tobte inzwischen ein regelrechter Bürgerkrieg. Die PKK mit ihrem inzwischen längst inhaftierten Führer Abdullah Öcalan versuchte die separatistischen Forderungen der dort lebenden Bevölkerungsminderheit auf die Gründung einer autonomen kurdischen Republik mittels Waffengewalt durchzusetzen. Ankara hielt seinerseits durch militärische Aktionen, wie Bombardements, Atelleriebeschuss ganzer Dörfer und Säuberungs - sowie Verhaftungswellen massiv dagegen.

Während der Krieg jährlich viele Tausend türkische Asylantragsteller nach Deutschland trieb, entwickelte sich in den Großstädten, besonders in Berlin, eine viel verschmähte Subkultur, die durch die bereits dort lebenden und in den Fabriken der Großkonzerne arbeitenden - durchaus willkommen geheißenen - " Gastarbeiter " noch ergänzt wurde. So blieben die türkischen " Gastarbeiter " und die kurdischen Asylantragsteller häufig unter sich. Das Asyl - und Ausländerrecht in jenen Jahren förderte diesen Trend zudem, denn es sah eine Verbesserung des Aufenthaltsstatus nur unter Erfüllung restriktiver Bedingungen vor. Ein Ausländer konnte eine befristete Aufenthaltserlaubnis (AE ) nur dann in eine unbefristete AE umwandeln lassen, wenn er einen Arbeitsplatz, ein gesichertes Einkommen, eine angemessene Wohnung und den Nichtbezug von Sozialhilfe vorwies. Ein straffreies Leben, dass durch ein blitz - blankes, unbeschränktes, polizeiliches Führungszeugnis nachzuweisen war, wurde unisono als Antragsbedingung vorausgesetzt. Das Asyl - und Ausländerrecht verselbständigte sich alsbald.

Es verstärkte damit jenen Trend, der dem menschlichen Drang, auch oder gerade dort, wo das Fremde, das Unbekannte auf ihn wartet, Seinesgleichen zu suchen. Seien es nun Sprachprobleme, kulturelle Barrieren oder wirtschaftliche, eben monetäre Aspekte, die dazu führen, dass es zu einer Häufung von Bewohnern gleicher Ethnie kommen kann oder sei es nun die nicht unübliche, diskriminierende Politik oder aber die Intoleranz in den Schädeln vieler Mitbewohnern, die zu einer Ghettobildung, dem Entstehen ganzer Viertel, die zudem auch noch so genannt werden, wie beispielsweise das Latin - Quarter in amerikanischen Metropolen, " Chinatwon " in LA oder " Little Havanna " in Miami City führten.  Auch in anderen europäischen Großstädten gibt es solche Ballungen von Bewohnern einer bestimmten Rasse, Herkunft oder vielleicht Religion.

Die US - Amerikaner haben damit - zumindest seit der offiziellen Abschaffung der Sklaverei - erheblich weniger Probleme, als wir Europäer und besonders, wir Deutschen. Dieses mag möglicher Weise daran liegen, dass es den US - Amerikaner, nach historischer Betrachtungsweise, gar nicht gibt und dieser Kontinent von Einwanderern unterschiedlicher Nationalität quasi überrollt wurde. Dass dabei die Ureinwohner, von seinem Entdecker Columbus irrtümlich als Indianer benannt, ausgerottet werden mussten, bewerten die heutigen Yankees nur als Kollateralschaden. Auch wenn dort der Rassismus latent vorhanden ist, gibt sich der Durchschnittsamerikaner eher als fremdenfreundlich. Das mag wiederum an dem Umstand liegen, dass jenseits des eigenen, riesigen Landes, die übrige Welt als so unerreichbar gilt, wie einst der dann doch bewältigte Weg von Cape Canaveral zum Mond und der gemeine US-Amerikaner geographisches Wissen zu den Kontinenten, Staatengemeinschaften und Ländern jenseits der eigenen Grenzen, nie auf der Pfanne zu haben scheint.

Anders verhält es sich mit uns Teutonen. Als vormalige Großmacht in Europa und der Welt, war es mühsam, dem zuvor aus der Ära der Kleinstaaterei hervor gehenden, zudem noch preußisch gedrillten Deutschen, ein überregionales Denken zu vermitteln. Ob nun die bayrische Variante des " Mir san mir ", die gleich klingende Melodie des regionalen Habitus in Mecklenburg - Vorpommern mit " Bei uns heisst das nicht " Moin "; wir sind Mecklenburger. " oder auch überhebliche Gebrabbel der Württemberger " Wir könne alles, außer hochdeutsch ", als Maßstab provinzieller Lebens - und Denkweisen heran zu ziehen ist, kann getrost außer Acht gelassen werden. Das Provinzielle ist facettenreicher. Es drückt sich zudem in ebenso variantenreichen Handeln aus. Da gibt es den fettleibigen BMW - Raser, der auf der A 99 aus München kommend, dem Mazda - Fahrer mit Dresdner Kennzeichen beinahe an der Stoßstange klebt, wild gestikulierend versucht, ihn auf die Mittelspur abzudrängen, dann rechts überholt, sich von dort über die ganz linke auf die äußerst rechte Spur setzt, und dem verhassten " Ossi " zeigen möchte, wie ein bayrischer Ochse Auto fährt. Da gibt es den CDU - Provinzpolitiker aus dem Landkreis Schaumburg, der in einer Ortsvereinssitzung  Mitte des Jahres 2004 gegen Ausländer so richtig vom Leder zieht; nicht ohne zuvor die lokale Presse zu diesem beschämenden, rhetorischen Ausfällen eingeladen zu haben und sich später wundert, dass er in Leserbriefen als " Rassist " tituliert wird. Da gibt es den Richter am Arbeitsgericht Stuttgart mit seinen Kammern in Ludwigsburg, der in einer öffentlichen Sitzung behauptet, dass er mit zwei hochdeutsch sprechenden Anwälten so seine Schwierigkeiten habe.

In einer globaliserten Welt indes, ist provinzielles Denken und Handeln nur noch bedingt möglich. Wer heute Unterhosen aus China billig einkaufen möchte, zum Essen in die nahe gelegene, von einem türkischen Inhaber betriebene Döner -Bude geht und eine Urlaubsreise nach Kapstadt bucht, sollte nicht verlangen, dass sich die chinesischen Hersteller den bundesdeutschen Qualitätsstandards anzupassen haben, der kredenzte Döner von einem deutsch sprechenden Automaten serviert wird und die farbigen Südafrikaner während des eigenen Aufenthalts die Stadt nicht mehr betreten dürfen. Der alltägliche Rassismus indes wird deshalb nicht nur von den Neofaschisten verkörpert. Er äußerst sich vielfach auch bei den Normalos, den Angepassten, den Spießern, deren Horizont spätestens vor dem eigenen Gartenzaun endet. Da werden nach wie vor Vorbehalte gegen einen griechischen, nieder gelassenen Allgemeinmediziner artikuliert, nur weil er kein Deutscher ist, obwohl sich keiner der deutschen Kollegen bereit erklärt hatte, in der Provinz mit einem überalterten Patientenstamm eine Praxis zu übernehmen. Da wird gegen einen farbigen Profi-Fußballer gepöbelt und dieser in übelster Weise beleidigt, nur weil er in der gegnerischen Mannschaft spielt und Afrikaner ist. Da wird in den Büchern von Heinz Buschkowsky, seines Zeichens Bezirksbürgermeister in dem Berliner Bezirk Neukölln, SPD - Mitglied und Warner gegen eine Überfremdung sowie Thilo Sarrazin, seines Zeichens Ex - Finanzsenator von Berlin, SPD - Mitglied und Mahner gegen eine islamische Vorherrschaft innerhalb einer sich anbahnenden multikulturellen Gesellschaft, über viele, ja zu viele Seiten, in ihren veröffentlichten Büchern, mit rassistisch angehauchten Ressentiments argumentiert.

Das Machwerk von dem " Überdeutschen " Thilo Sarrazin ist bekannt. Es nennt sich " Deutschland schafft sich ab ". Das Pamphlet hat die Gesellschaft zwar nicht - wie von einigen Medien behauptet - gespalten, es hat aber dazu geführt, dass die latent vorhandenen, ausländerfeindliche Gedanken und die dazu gehörige Grundhaltung bei sehr vielen Mitbürgern und Mitbügerinnen erneut eine Bestätigung erfahren konnte. Kaum aber war Sarrazin aus dem medialen Focus entschwunden, sein hanebüchener Unsinn überwiegend widerlegt, tauchte ein zweiter Frontmann im Kampf gegen Überfremdung auf. Heinz Buschkowsky.
Auch er ist Berliner. Er kennt den Stadtteil, für den er als Verantwortlicher seit 20 Jahren politische Arbeit leistet. Zu den Hypothesen des Thilo Sarrazin äußerte sich Buschkowsky einst mit der Wertung, dass diese rassistisch seien; ergo: Sarrazin als Rassist eingestuft werden müsse.

http://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Buschkowsky

Interessant, denn das Buch, dass er nun selbst in diesem Jahr veröffentlichte trägt den Titel " Neukölln ist überall ". Aja, aber warum sollen die von ihm beschriebenen Zustände auch auf Merseburg, Plön oder Neuwied zutreffen? Wenn eine von ihm angeprangerte Überfremdung durch türkische und afrikanische Bewohner und die dadurch angeblich verursachten Probleme, wie Kriminalität, hohe Erwerbslosigkeit und fehlender Integrationswille, auch auf Hintertupfingen zutreffen könnten, dann müssten die Verantwortlichen -den Buschkowsky´schen Schilderungen mit Verallgemeinerungstendenzen zufolge -, auch den drohenden Finger erheben, womit fest stünde, dass es in anderen Städten und Gemeinden, in anderen Bundesländern insgesamt, so zugeht, wie in Neukölln. Dem ist nicht so, Herr Politiker Buschkowsky.

Wer sich den Anteil an Migranten in anderen Bundesländern genauer ansieht, wird eher zu dem Ergebnis kommen, dass solche Ballungen und zweistellige Prozentwerte von Migranten, wie sie in Neukölln anzutreffen sind, in weiteren Großstädten nur bedingt und auf dem Lande nicht einmal ansatzweise vorliegen. Was der Autor in seinem Buch darstellen möchte, sind regionale Gegebenheiten, deren Ursachen auch dort ihren Ursprung haben. Neukölln ist von der Historie aus betrachtet, soziologisch als problematisch einzustufen, denn bereits vor 100 Jahren galt Rixdorf, dass spätere Neukölln, als Hochburg eines lotterhaften Lebensstils und hoher Kriminalität.

 http://de.wikipedia.org/wiki/Bezirk_Neuk%C3%B6lln#S.C3.B6hne_und_T.C3.B6chter_Neuk.C3.B6llns

Ob nun jene negativen Vorzeichen auch viele Dekaden später dazu geführt haben, dass jene angeprangerten Zustände, nun mehr durch Ausländer verursacht, zutreffen, muss indes in Abrede gestellt werden. Längst ist für den knapp 320.000 Einwohner umfassenden Berliner Stadtteil ein Prozess der Gentrifizierung zu verzeichnen. In den einstigen Mietskasernen ziehen sukzessive gut betuchte Bewohner ein, die die einstigen Bevölkerungsgruppen verdrängen.

Was also treibt Meister Buschkowsky dazu, in seinem Buch die, wohl eher für eine Großstadt spezifischen Sozialprobleme umfassend zu schildern, diese auf das gesamte Bundesgebiet übertragen zu wollen und den Migranten die Schuld an dessen Zustandekommen zu geben? Sicherlich der Wille, seine spezifischen Erfahrungen der letzten 20 Jahren mit der für ihn gescheiterten Integrationspolitik in einen großen Suppentopf zu werfen. Diesen dann kräftig umzurühren und eine dünne Brühe hervor zu zaubern, die dem nach Argumenten gegen Migration und Integration lechzenden BRD - Blödmichel eingefüllt wird, damit er diese verzehrt, um sich in seinen dumpfen Ausländergroll noch zu bestärken.

Dass in seinem Berliner Bezirk nicht alles Friede, Freude , Eierkuchen ist, dass dort nicht eitel Sonnenschein herrscht, wenn Buschkowsky von dem deviaten Leben einer Reihe von Migraten schreibt, dass es dort einen schulischen Ausnahmezustand an der in sämtlichen Gazetten verfluchten " Rüthli " - Schule gab und dass die Kollegin und einstige Jugendrichterin Kerstin Heise, die sich vermutlich wegen ihrer Depressionen das Leben nahm, in ihrem Buch ein Ende der Toleranz gegenüber jugendlichen Straftätern, auch jenen ausländischer Herkunft forderte, dürfte unstrittig sein.
Strittig ist jedoch, was Buschkowsky hieraus ableitet.
Es gibt keine Verallgemeinerung, dass jene Auswüchse und Zustände, die auf eine mit Fehlern behaftete Integrationspolitik hinweisen, ohne Einschränkungen auf das gesamte Bundesgebiet umgemünzt werden können.

Sein Buchtitel ist ähnlich reißerisch wie der des Thilo Sarrazin. Das mag daran liegen, dass Buschkowsky mit diesem Buch provozieren will. Ob er damit bei den Damen und Herren der großen Politik in der Bundeshauptstadt selbst überhaupt Gehör finden kann, scheint jedoch sehr zweifelhaft. Hätte die derzeitige Bundesregierung überhaupt ein Interesse, die eigene, aber auch die der ihrer Vorgänger seit Kohl, Ausländerpolitik kritisch zu hinter fragen, müsste Buschkowsky mit seinem literarischen Rundumschlag eigentlich offene Türen eintreten. Auch davon ist das Machwerk weit entfernt. Stattdessen schürt es jene Vorurteile bei jenen geistigen Amöben, die seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten über ihren provinziellen Horizont nicht hin weg blicken. Diese Provinzheinis entlarven sich durch schwachsinnige Rezensionen zu diesem Sachbuch, das sie wechselweise als Generalabrechnung mit jener, angeblich in der breiten Bevölkerung und insbesondere bei den " Linken " vorherrschenden Einstellung zu einer problemfreien multikulturellen Gesellschaft hoch stilisieren.
Die Ausgeburt solcher dümmlichen Thesen, stellen denn die vielen, unkritischen und dilettantischen Buchbesprechungen bei dem Internet - Versandhaus " Amazon " dar:

http://www.amazon.de/product-reviews/3550080115/ref=dp_top_cm_cr_acr_txt/278-8911292-2132316?ie=UTF8&showViewpoints=1

Nun, auch hier gilt, dass in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft, jeder Bürger seine Meinung kundtun darf, auch wenn sie noch so abwegig ist. Das gilt für Buschkowsky, das gilt aber auch für die Hobby-Rezensenten bei " Amazon " mit ihren dümmlichen Argumenten und beschriebenen Vorurteilen gegenüber den hier lebenden ausländischen Mitbürgern.

Eine völlig andere Meinung ließ eine Universitätsmitarbeiterin mit dem Namen Naika Foroutan als Polemik jüngst im " SPIEGEL " veröffentlichen. Sie behauptet dort, das Buch des Heinz Buschkowsky sei rassistisch, auch wenn er diese gar nicht wolle. Sodann zieht die Sozialwissenschaftlerin dem " Napoleon " Buschkowsky - wenn auch mit einem Potpourri aus gesellschaftlichen Problemen, die nichts mit Migranten zu tun haben - im Schnelldurchgang den Skalp vom runden Grinseschädel. Sicherlich sind ihre Darlegungen dabei überzogen. Dieses gehört jedoch zu einem polemischen Beitrag. Dafür wird sie - ähnlich wie nach ihren TV - Auftritten in verschiedenen Sendungen anlässlich der Debatten über das Sarrazin - Buch - von den Neofaschisten und Rassisten, deren strafbewehrte Ergüsse auf einschlägigen Internetseiten nahezu täglich aufgerufen werden können, erneut mit  braunem Dreck beworfen.
Eine funktionierende Demokratie kann auch solche Verwirrte aushalten, die die Meinungsfreiheit fehl interpretieren, weil sie nur ihre Meinung gelten lassen wollen und couragierte Menschen wie Frau Foroutan deswegen bedrohen.

Die Liste der kognitiven Verrenkungen aus dem unüberschaubaren Umfeld der nationalistischen Flachdenker kann beliebig weiter geführt werden. Der Rassismus, der dumpfe Fremdenhass und das systematische Aufbauen eines Feindbildes ist indes kein bundesdeutsches Spezifikum. Es gibt solche Abarten in sämtlichen Ländern dieser Erde. Die Diskriminierung hat auch in jenen Staaten Tradition, die sie historisch betrachtet, längst überwunden haben sollten.
Wenn in Griechenland bei Protestkundgebungen die Bundeskanzlerin Merkel in einer SS - Uniform und mit Hakenkreuzbinde abgelichtet wird und der artikulierte Hass gegen Bundesdeutsche von den Latrinenblättern durch verkaufsträchtige, weil in martialisch abgefassten Aufmachern, ständig geschürt wird, ist die Konsequenz daraus, dass die Urlaubsmichel das Land nicht mehr besuchen, womit der Tourismusbranche die Einnahmen fehlen. Wenn ein einflussreicher Chefredakteur aus dem Dunstkreis des Ex - Ministerpräsidenten Berlusconi die bundesdeutsche Kanzlerin öffentlich als " Fettarsch " verunglimpft, muss sich der Medienzar aus Italien nicht darüber wundern, dass er in der hiesigen Presse als unterleibsgesteuerter Gockel mit deutlichen Anzeichen einer fortschreitenden Debilität hingestellt wird.

Die Schuld für das eigene Versagen, die eigenen Unzulänglichkeiten sofort einem Anderen zuzuordnen ist denn ein Teil der menschlichen Schwächen, der uns von der zwar nicht vorgegeben wurde, welcher aber durch das Zusammenleben in einer Zivilgesellschaft hoffähig gemacht wird. So hat Rassismus, Intoleranz oder Egoismus dort Hochkonjunktur, wo der Einzelne an seine durch die Sozialisation gesetzten Grenzen stösst. Und diese sind bei vielen Erdenbürgern zu schnell erreicht.

So träumte ich meinen schlechten Traum aus den Untiefen der 1980er weiter und sah mich als Advokat mit hunderten von Asylverfahren und Ausländerrechtangelegenheiten überfrachtet, plötzlich einem türkischstämmigen  Mercedes - Arbeiter aus einem Ort im bremischen Umland gegenüber, der nächtens in Bremen - Hemelingen mit über 90 Km/h von der Polizei geblitzt worden war und deshalb eine saftige Geldbuße sowie ein Fahrverbot als Bußgeldbescheid zugestellt erhielt. Ich konnte ihm zwar die Zahlung an Papa Staat nicht ersparen, denn der , uns durchaus wohl gesonnene Verkehrsrichter erkannte ihn ohne Umschweife auf dem Foto für das Familienalbum, jedoch durfte er seine Mercedes SE - Karosse neusten Baujahrs uneingeschränkt weiter bewegen, weil ich das Hohe Gericht davon überzeugt hatte, dass der Deliquent aus beruflichen und finanziellen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen war. Aus lauter Dankbarkeit lud er mich in sein Haus ein, dass er zusammen mit zwei Schwestern und einer treu sorgenden Mutter erworben hatte, zum Essen ein.
Nun, ich fühlte mich schon damals nicht so, als würde ich in einer Parallelwelt eintauchen. Das kredenzte Essen war zwar türkisch, schmeckte exzellent und auch die im Hintergrund säuselnde Musik stammte von einem türkischen Interpreten; die Einrichtung war jedoch typisch deutsch, die Unterhaltung fand in deutscher Sprache statt und die eigene Wertmaßstäbe hatten eindeutig teutonische Ausrichtungen.

Viele Jahre später lernte ich während eines Familienrechtsverfahrens den Iman der Türkischen Moschee in Bremen kennen. Ein kluger, deutsch sprechender Mann, der sich Sorgen um ein Mitglied seiner Gemeinde machte und mich deshalb zusammen mit anderen Gläubigen im Büro aufsuchte. Ich konnte und durfte ihnen nicht versprechen, dass die von mir vertretene Mandantin ihren Scheidungsantrag noch einmal überdenkt; wohl aber, dass der gläubige Ehemann regelmäßig seine beiden Kinder sieht, Er bedankte sich und gab zu bedenken, dass in solchen Fällen, die Macht Allahs eben begrenzt sei.

So lernte ich die unterschiedlichsten Ethnien in den vielen Jahren meiner Berufsausübung kennen, die mir eigentlich nie Angst einflössen konnten, auch wenn sie einst in der Zeit des Schah - Regimes im Iran als Kampfjetpilot in den USA ausgebildet worden waren und nun wegen der Machtübernahme des Ajatollah Chomeini das Land verlassen mussten, einen vormals in der jugoslawischen Armee zum Offizier ausgebildeten jungen Mann, dem befohlen worden war während des Balkan - Krieges nun auf die eigenen Landsleute zu schießen, was er nicht wollte und deshalb desertieren musste oder jene Mitglieder der sri - lankischen Rebellenorganisation " Tamil Tigers ", die für einen autonomen Tamilenstaat auf Sri Lanka, dem einstigen Ceylon, mit Waffen kämpften, gefangen genommen wurden, an die Wand gestellt werden sollten und fliehen konnten.
Sie lebten damals alle unter uns. Hier gab es keine Parallelgesellschaft.

Diese, jetzt von Sarrazin und Buschkowsky veröffentlichten Probleme, von dem gerügten Integrationsunwillen, der erhöhten Kriminalität und der Islamisierung sind durch eine mangelhafte Ausländerpolitik entstanden.
Eine Ghettoisierung, wie sie in anderen Größstädten ansatzweise auch zu verzeichnen ist ( Hamburg - Bilstedt / Mümmelmannsberg, Düsseldorf - Bilk, Köln - Menschenich ) muss aber nicht zwangsläufig zu den vom gemischten Duo Sarrazin / Buschkowsky angeprangerten Auswüchsen führen. Seltsamer oder besser bezeichnender Weise, haben sich die dortigen politischen Verantwortlichen nie negativ über den vorhandenen, hohen Migrantenanteil ausgelassen, so wie es die beiden Berliner in ihren Büchern versucht haben. Solche populistischen Machwerke dienen nur der Aufwertung von einfältigen Denkern aus dem nationalistischen Spektrum und helfen in der Sache selbst nicht weiter.

Da verließen wir vor 30 Jahren das " Kommunale Kino " im Bremer Ostertorviertel und diskutierten über den Film " Yol - Der Weg " in einer nahe gelegenen Szenekneipe, die von Jugendlichen, Studenten und Schülern häufig besucht wurde. Die links - und alternativ auftretenden Kommilitonen von damals waren nicht anwesend. Sie hatten offensichtlich kein Interesse an dem Film. Genauso wenig wie an den Musikveranstaltungen der Ausländervertretung an der Universität, an denen nur einige deutsche Studenten teil nahmen. Die Berührungsängste mit fremden Kulturen, deren hier lebenden Menschen und eine Auseinandersetzung wegen der bereits damals schon vorhandenen Vorurteile konnte auch dieser Film nicht abbauen.
Vielleicht hat der Regisseur einen solchen Anspruch auch nie gehabt. So, wie Buschkowsky Buch und die dort skizzierten Gegebenheiten nicht auf andere Städte übertragbar sind. Wer dieses behauptet ist nicht nur ein Narr, nein, er ist ein dreister Lügner.
Ein eben solcher ist, wer von der Einordnung oder Einfügung in die deutsche Leitkultur fabuliert. Wie soll diese denn eigentlich aussehen? Was soll sie denn sein? Oder, woher soll sie kommen? Zählen deutschsprachige Schlager von Andrea Berg, Stefanie Hertel oder Heimatlieder von Heino dazu?
Sind es Gedichte von Goethe, Schiller, Heine? Sind es Lederhose, Dirndl oder ein Maßanzug von Hugo Boss? Gehört ein PKW von VW, Opel oder Mercedes dazu?  Wer derartige Schwachsinnsforderungen aufstellt, sollte zuvor klar definieren, was er darunter versteht. Was von einem dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer erwartet werden kann, dürfte denn wohl er in die Richtung des Beherrschens der deutschen Sprache, des Lesens und Schreibens und des Bemühens, einen Schul - und Berufsabschluss zu erlangen, gehen. Und da sind die eigenen Vorgaben durch deutschstämmige Erwachsene und deren Kinder nicht gerade als leuchtendes Beispiel anzusehen.

Wie heisst es noch gleich in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes?

Ich hatte gestern Nacht einen Traum!


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