An Tagen wie diesen. Fünfter und weiterer Teil: " Wo waren Sie am 5. September 1972? "

Jubiläen müssen nicht immer erfreulich sein. Ob nun der Geburtstag, der eigentlich dem Ü 25 - Zählenden besagt, dass es langsam, aber dafür stetig wieder bergab geht, den Ü40 er, der sich sagen lassen muss, dass die Midlife Crises alsbald an die Haustür pocht und so manche Ehe dann auseinander geht oder der Ü 65erin, die immer noch auf ihre Verrentung warten muss, weil die Utopisten in Berlin der Auffassung waren, dass es ab Mitte 50 noch genügend Stellen für ältere Arbeitnehmer gibt, dieses Alles dürfte eher unerfreulich sein.
Erfreulicher hingegen sind Jubiläen, die an ein positives historisches Ereignis erinnern. Ob nun auf politischer, gesellschaftlicher, kultureller Ebene, diese Tage lassen sich dann wunderbar und mit salbungsvollen Worten in dem tagtäglichen Nachrichtenbrei darstellen.

Unangenehm sind jedoch jene Ereignisse, die aufzeigen, dass Mensch nicht gleich Mensch, Bürger nicht immer Bürger, aber Mörder dafür immer Mörder bleibt. Auch wenn viele Jahre inzwischen vergangen sind.

Wir schreiben den 26. August 1972. Die Welt, die Erde war zu diesem Zeitpunkt klar strukturiert. Es gab die Guten, den Westen, unter Führung des Landes der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten, der USA, dann gab es die Bösen, die Kommunisten, den Osten, unter diktatorischer Führung der UdSSR und dann gab es die so genannten Blockfreien, die in Wahrheit aber gar nicht frei waren, wie die Schweiz, Japan oder China. Sie alle trafen sich aber - in sehr friedlicher, wenn auch nicht Propaganda auslassender Absicht - in einem Rhythmus von 4 Jahren, um ihre bei den Olympischen Spielen in sportlicher Hinsicht ihre Kräfte zu messen. Nach dem die Xi. Olympischen Winterspiele vom 3.Februar bis 13. Februar im japanischen Sapporo statt gefunden hatten, hatte das IOC die bayrische Hauptstadt München mit der Austragung der XX. Olympischen Sommerspiele auserkoren.
Die Wettkämpfe fanden vom 26. August bis 11. September 1972 an den weiteren Austragungsstätten in Kiel, Nürnberg und Augsburg statt.


http://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Winterspiele_1972

http://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_1972

Es sollten freudige, ferundliche und friedvolle Spiele werden. Jenseits des seit Jahren tobenden Kalten Kriegs, der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen und des ständigen Rührens der Propagandatrommeln. Die Bundesrepublik Deutschland hatte 36 Jahre nach 1936, 27 Jahre nach dem Ende des II. Weltkriegs, der von den Alt - Faschisten, Reaktionären und Konservativen als Verbrechen bewerteten deutschen Teilung, und 23 Jahre nach Gründung von zwei souveränen deutschen Staaten, das Vertrauen der sportlichen Weltgemeinschaft wieder erlangt und war als IOC - Vollmitglied längst akzeptiert.

Nach der abgeschmackten " Hitler - Show " vor 36 Jahren in Berlin, zu deren - eigentlich völlig berechtigten - Boykott sich die Staaten nicht aufraffen wollten, weil der Anti -Semitismus auch in anderen Ländern längst salonfähig war, den zurück gegebenen XII. Spielen von Tokio nach Helsinki ud den ausgefallenen XIII. Spielen von London im Jahr 1944, blieb Deutschland sowie auch Japan  für die XIV. Olympiade in London bei den Wettkämpfen außen vor. 1952 in Helsinki gab es eine gemeinsame deutsche Mannschaft. Ebenso 1956 in Melbourne, 1960 in Rom und 1964 in Tokio. Zu den XIX. Sommerspielen in Mexiko Stadt traten erstmals zwei deutschen Vertretungen an.

Das durchaus politische Internationale Olympische Komitee vergab danach die nächsten Spiele in die BRD; genauer gesagt, nach München.

Als am 26. August 1972 die Eröffnungsfeier im eigens dafür neu erbauten Münchener Olympiastadion statt fand, kannte der Jubel in Westdeutschland keine Grenzen. Endlich war die BRD auch sportlich dort angelangt, wo sie von den Politikern aus Bonn auch Jahre zuvor gerne platziert worden wäre: an die Weltspitze.
Nach den Big-Bandklängen des Orchesters Kurt Edelhagen, eines Auftritts von 3.5500 Münchener Schulkindern mit selbst gebundenen Blumenbogen und Sträußen unter Begleitung des Tölzer Knabenchors und 5.000 frei gelassenen weißen Tauben, zogen die Olympiavertretungen in das mit 62.000 restlos ausverkaufte Stadion.

   http://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_1972#Er.C3.B6ffnungsfeier

                                                              (c) Richard Huber bei WIKIPEDIA

Auch die DDR-Vertretung erhielt artig den Applaus der Zuschauer. Auch wenn es Jahre zuvor bereits wegen der Loslösung aus dem gesamtdeutschen Nationalen Olympischen Komitee heftige Dissonanzen gab.

Hach, was war das schön! Friede, Freude, Eierkuchen, an jenem Samstagnachmittag ab 15.00 Uhr, als der Bayrische Rundfunk für die ARD im Fernsehen und im Radio aus dem Münchener Olympiastadion mit stolz geschwellter Brust die Eröffnungsfeier übertrug. Stadionsprecher war der Schauspieler Joachim " Blacky " Fuchsberger, der souverän die 2 1/2-stündige Veranstaltung begleitete. Die ARD und das ZDF hatten eigens ein gemeinsames Olympiastudio eingerichtet.

Was dann am 5. September 1972 geschah, ist für viele Beteiligte, Zuschauer und Sportinteressierte auch 40 Jahre danach noch kaum fassbar:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geiselnahme_von_M%C3%BCnchen

Hierüber wurde nicht nur viel berichtet, geschrieben und gesendet, es wurde auch versucht, Erklärungen für das totale Versagen der Münchener Polizei - und Sicherheitskräfte zu finden. Obwohl es bereits Tage vorher konkrete Hinweise auf ein geplantes Attentat gegen die israelische Delegation gab, schlugen die Nachrichtendienste diese Meldungen in den Wind. Für die einstigen Verantwortlichen konnte es nicht sein, dass die friedlichen Sommerspiele durch Kriminelle gestört werden. Die Inkompetenz bei den bundesdeutschen Behörden führte schließlich zum Massaker an der israelischen Mannschaft und den Tod weiterer, dann insgesamt 17 Menschen.

 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/olympia-1972-behoerden-vertuschten-ausmass-ihres-versagens-a-845721.html

" The games must go on ", verkündete IOC-Präsident Avery Brundage am 6. September 1972 bei der inszenierten Trauerfeier. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Spiel nicht fort zu setzen. Aber auch hier galt schon der Kommerz mehr als das Leben einzelner Menschen.

Ich hatte mir ab dem 28. August 1972 Urlaub genommen, genauer gesagt: Heimaturlaub vom Kriegsdienst bei der Bundeswehr. Ich wollte die Wettkämpfe allesamt live sehen. Was für mich damals so wunderbar patriotisch begann, die gewonnenen Medaillien von Heide Rosendahl im Weitsprung, die von Ulrike Meyfarth im Hochsprung oder auch die von Klaus Wolfermann im Speerwurf, das waren Highlights und ließen das patriotisch - schlagende Herz springen. Vor allem ging es aber auch noch darum, dem bösen Osten, der schlechten DDR, ja, dem Kommunismus insgesamt zu zeigen, dass der Westen das bessere System und die BRD, das bessere Deutschland ist. Deshalb schaute ich mir während meines Urlaubs als Soldat auf Zeit ( Z 2 oder im BW-Jargon " Z-Sau " ) die Übertragungen von der Olympia in München an.

Dann am 5. September  gegen 7.00 Uhr hörte ich zum ersten Mal von der Geiselnahme im Olympischen Dorf. Die Nachrichten meldeten halbstündlich von diesem Ereignis. Das Fernsehen strahlte Sondersendungen aus. Die Politiker überschlugen sich bei ihren Beschwichtigungsreden, dass alles Erdenkliche getan werde, um die Geiseln zu retten und keine Menschenleben zu gefährden. Der Tag wurde zu einem Psychokrieg zwischen den Geiselnehmern und der Polizei. Erts gegen 22.30 Uhr zeigte dann das Fernsehen, wie ein Flugzeug für die Terroristen bereit gestellt wurde. Als ich gegen Mitternacht im Radio die Meldung von der Befreiung der Geiseln hörte, glaubte ich an eine geglückte Aktion der Polizei. Tatsächlich aber gab es eine wilde Schießerei, die sich bis 1. 30 Uhr hinzog und innerhalb derer 17 Menschen starben.

Am kommenden Morgen wurde diese Nachricht dann regelmäßig im Radio gesendet. Für mich waren die Olympischen Spiele 2012 damit faktisch beerdigt. Nichts mehr mit Jubel über die Sieger und Medaillen aus der westdeutschen Mannschaft. Das Attentat vom 5. September legte sich bleiernd über die restlichen Wettkampftage. Aus den fröhlichen Spielen entwickelte sich einer der schlimmsten Polizeiaktionen der Nachkriegsgeschichte, deren Ablauf schonungslos den bayrischen Dilettantismus aufzeigte. Gerade Bayern, gerade das schwarze CSU-Bundeland mit seinen vielen politischen Hetzern und Demagogen. Gerade das Bundesland, in dem Recht und Ordnung ständig gefordert und repressive Aktionen gegen Andersdenkende und Anderslebende überhand nahmen. Gerade das FJS-Reich war an seinen eigenen Unzulänglichkeit in punkto Sicherheit kläglich gescheitert.

Nun, 40 Jahre danach fordern die Angehörigen eine lückenlose Aufklärung der Wildwest-Aktion. In einer offiziellen Trauerfeier formulierte eine Hinterbleibene eines erschossenen Israelis, dass die Behörden verpflichtet seien, die Wahrheit über die abgelaufene Aktion zu offenbaren. Das ist gar nicht mehr möglich, denn viele Unterlagen und Dokumente sind nicht mehr auffindbar. Verloren gegangen, verschollen in Zeit und Raum. Der CSU-Innenminister Merk wies jedwede Schuld der Behörden zurück. Rücktrittsforderungen schlug er in den Wind.
An Tagen, wie den 5. September 1972 will eben niemand den Kopf hin halten, die Konsequenzen aus dem Fiasko ziehen. Das ist in Bayern so und auch woanders üblich.



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