Streit über den Gartenzaun oder Rage Against The Machine.



Der Deutsche ist schon ein seltsames Wesen. Nicht nur, dass er in Europa und auch darüber hinaus als Beckmesser gilt, nein, er führt sich hier auch sehr oft arrogant und protzig auf und.... er streitet ständig.
So fand ich heute beim Googlen diese prima aufgemachte Seite:

http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/gar/kre/de8845302.htm

Tatsächlich hat der dortige Irland-Besucher exakt jene Eindrücke wieder gegeben, die auch wir von unseren Visiten auf der Grünen Insel, beim einst so potenten Keltischen Tiger, der seit 2009 als Bettvorleger gelandet ist, erhalten. Der typische Ire ist zum größten Teil seines Selbstverständnisses Kosmopolit. Wäre er Nationalist, Provinzialist oder sogar Rassist, hätte er mit Sicherheit als Auswanderer in den englischsprachigen Raum keine große Chance gehabt. Gut, die Iren waren dort nicht immer gern gesehen. Sie wurden auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten als Minderheit geknechtet und verhöhnt. Das ist allerdings schon einige Zeit lang her.
Inzwischen geht es den Iren im eigenen Land erneut wirtschaftlich nicht mehr so gut. ´Die Immobilien-Luftblase ist zerplatzt, die Verschuldung im Land stieg, mit ihr die Arbeitslosenzahl. Viele junge Iren verlassen wiederum die Insel, um ihr Glück woanders zu suchen. Sie haben längst den Blick über den Gartenzaun des eigenen Territoriums zu den Nachbarn hin, in die Tat umgesetzt. Wer so etwas wagt, der darf kein Streithansel sein, der muss sich auf die anderen Menschen in einem fremden Land einstellen; muss sich anpassen ( im positiven Sinn ) und sollte lernfähig bleiben. Ein Miteinander kann nur funktionieren, wenn die Beteiligten, die Nachbarn wechselseitig Toleranz üben. Bei unseren Miteuropäern auf der Grünen Insel scheint es dort - trotz der Finanzkrise - eben besser zu funktionieren, als bei uns. Nicht, weil es dort eher Steinmauern als Gartenzäune gibt, sondern wohl deshalb, weil der Ire per se nicht immer auf Nachbarschaftsstreitigkeiten über und um den Gartenzaun aus ist. Es dürfte somit ein Mentalitätsunterschied sein. Der Durchschnittsinsulaner dort ist trink - und sangesfreudig, hält sehr viel von Familie und liebt sein mit vielen Weiden, Parks und sonstigen Grasflächen übersätes Land. Dafür hasst er die Engländer wie die Pest, verabscheut deren Küche sowie das dortige Königshaus. Aber nicht nur das.

Wer dieses Land einmal aufsucht, wird sich wundern, warum es dort so wenig Holzzäune gibt; höchsten ab und zu einen Maschendrahtzaun und Hecken als natürliche Begrenzung des eigenen Territoriums. Kleingärten, wie sie auf dem Festland je nach Region üblich sind, kennt der Ire nicht. Denn um die teutonische Gemütlichkeit zu genießen, sucht der wetter - und wassererprobte Ire - oft samt ganzer Familie - den Pub auf. Wenn dort aus einem der unzähligen TV-Geräten ein Fußballspiel gezeigt wird, bei dem das englische Team die Hucke voll kriegt, wird für deren Gegner gejubelt, was das Zeug hält. Dann kreisen die Tabletts mit den Pints " Guiness " oder den exzellenten Whisky-Sorten. Wer den Kanal voll hat, geht - meistens leise - und begibt sich schwankend auf den Nachhauseweg. Gekotzt wird grundsätzlich nicht an einen Holzzaun, denn dieser ist ja eher rar auf der Grünen Insel, weil nämlich die verdammten Engländer vor einigen Jahrhunderten dort den gesamten Eichenwaldbestand nieder gemacht und als Beute in das Mutterland des Fußballs verbracht haben. Wenn Holzzäune eher selten, Mauern als Begrenzung des eigenen Grundstücks die Regel sind, dann kennt der gemeine Ire natürlich auch nicht das nachbarliche Gespräch über den Gartenzaun oder die Geschichten über den Selbigen.

Als vor knapp 3 Dekaden die erste Episode aus der Serie des DDR-Fernsehens mit dem Titel " Geschichten übern Gartenzaun " ausgestrahlt wurde, hockte ich in meinem Zimmer im Stundentenwohnheim an der Leobener Straße in Bremen. Ich besaß damals nicht viel. Zu den wenigen Habseligkeiten gehörte eine alter Telefunken-Farbfernseher, den ich an der Gemeinschaftsantenne des Mensa-Wohnheims angeschlossen hatte. So gelang es mir, auch die Sendungen im ersten Programm des DDR-Fernsehens regelmäßig zu sehen.
An welchen Tag die erste Folge der Serie " Geschichten übern Gartenzaun " gezeigt wurde, ist mir nach so vielen Jahren nicht in Erinnerung. Deshalb habe ich im Online-Lexikon " Wikipedia " nachgelesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichten_%C3%BCbern_Gartenzaun

Die eher banalen Alltagsgeschichten hatten vielleicht nicht den intellektuellen Tiefgang, sie konnten oder besser, sie durften auch nicht system - oder gesellschaftskritisch sein. Aber sie waren wohl so geschrieben, dass jene Bewohner aus dem zweiten deutschen Staat, der den real existierenden Sozialismus darstellte, sie verstand. Als BRDler mit dem Hang zur kritischen Distanz des dortigen Lebens und der sichtbaren Mangelwirtschaft empfand ich die " Geschichten übern Gartenzaun " eher als piefig, spießig und ein wenig öde.
Was rund um die Kleingartenanlage " Ulenhorst " sich im Verlaufe der Episoden ereignete, dass war für mich eher befremdlich. Die kleingärtnerische Denkweise erschien mir damals zumindest von meinen eigenen Werten so weit entfernt, wie der Mond von der Erde. Das eher anheimelnde, soziale Umfeld in diesem Metier empfand ich als einfältig. So auch in jener Fernsehserie.

http://www.fernsehserien.de/index.php?serie=3022&seite=12

Das die Serie zwar gern gesehen wurde, jedoch nach 14 Episoden in 2 Staffeln Mitte Oktober 1985 beendet wurde, lag wohl daran, dass die Programmoberen des staatlichen DDR-Fernsehens, jenes selbst geschaffene Refugium des sozialistischen Bürgers, jenseits des sozialistischen und grauen Alltags als subversives, als dekadentes Handeln wider der Theorien der Herren Marx und Engels sowie Lenin ( Stalin kam ja bereits ab Mitte der 50er Jahre nicht mehr in den Geschichtsbüchern vor ) bewerteten. Kleingarten, dass war nicht unbedingt sozialistisch, er wurde jedoch von der Staats - und Parteiführung geduldet, weil hier der Eigenanbau von Obst - und Gemüse präferiert wurde, denn der Beziehungslose musste sonst beim Betreten eines Geschäfts mit dem leeren Blick in ein so genanntes " Fliesengeschäft " vorliebt nehmen. Immerhin waren Kleingartenanlagen hüben wie drüben beliebt, wenn auch der Westdeutsche sich von dem Kleinod sukzessive verabschiedete, denn die industrielle Lebensmittelproduktion ermöglichte es schon bald in den 60er Jahren, dass eine 750ml Konservendose mit Erbsen, Bohnen oder Rotkraut weit unter einer DM zu erwerben war. Die deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten im Bereich des Kleingartens oder der Pachtparzelle reduzierten sich infolge dessen auf die Trinkgelage mit Schlagermusik und den Nachbarschaftsstreit. Die Zwistigkeit zwischen den Kleingärtner unter einander und/oder gegen die eigene Vereinsführung umfassten dabei sämtliche Facetten des so zelebrierten und normierten Miteinanders.

War die Nachbarhecke zu hoch, weil dieser eventuell zu bequem, um sie nach Vereinsstatuten oder ähnlichen Rechtsgedöns zu kürzen, wurde sich gefetzt. Im Westen mussten dabei die Herren Kollegen im Staatsdienst ihren Senf dazu tun. Das war manchmal langatmig und kostspielig. Egal, der Bundesdeutsche will sein Recht, notfalls vollstreckbar mittels Gerichtsvollziehers. So stritten sich Nachbarn aber nicht nur als Kleingärtner, sondern vor allem auch als Mieter, Pächter und noch exklusiver in ihrer Funktion als Eigentümer. Horden von hungrigen Anwälten produzierten Tonnen an weißen DIN A4-Schreibpapier, dass zuvor von den niedrig bezahlten Rechtsanwaltsgehilfinnen in stundenlangem Gehacke auf der Olympia oder Olivetti - Schreibmaschine in eine lesbare Form gebracht werden musste, um es den Brigaden von Zivilrichter zum Weiterlesen vorzulegen. Nachdem das ermüdende und auch oft teure Prozessieren durch entsprechende Gesetzesänderung in andere Bahnen ( Ombudsmann, Mediator ) gelenkt werden konnte, trat eine gewisse Entspannung auf dem Rechtsgebiet der Nachbarschaftsstreitigkeiten ein.
Dieses änderte sich auch nicht mehr gravierend, als die Wiedervereinigung mit der Grundlage der Wirtschafts - und Sozialunion von Kohl´s Kloppertruppen vollzogen war.

Trotzdem bleibt der Gesamtdeutsche in Bezug auf seinen Nachbar streitbar, ja, manchmal mutiert er zum Streithammel. Die Anlässe sind zwar immer noch die Gleichen: Hier ein Baum, der zu weit in das Nachbargrundstück hinein wächst, dort ein Strauch ( vielleicht der berühmte Knallerbesenstrauch ), der in dem Maschendraht - Holzzaun hinein drückt und ihn vielleicht beschädigen könnte oder ebenso eine zu nah an die Grundstücksgrenze eingepflanzte Reihe von Koniferen. Auch Zwistigkeiten im Bereich des Baurechts treten zehntausendfach in jedem Jahr auf. Streiten um des Streitens willen ist zwar als Grund eher wenig ausgeprägt, dafür steht der ausgefochtene Zwist zum Frust - und Neidabbau sehr hoch im Kurs.

So trug es sich im Jahre Zweitausendundzwölf nach Christlicher Zeitrechnung und am 5. Tage des Monats August nach dem Gregorianischen Kalender zu, dass an dem schwül - warmen Sonntag ein Treffen zwischen der in der Dresdner Innenstadt lebenden Tante mütterlicherseits und uns stattfinden sollte. Geplant war dabei - neben den kulinarischen Genüssen - eine allgemeine Aussprache wegen eines Familienereignisses. Nun, nach dem Genuss von zwei Glas Prosecco, der bei der Hitze alsbald in die Hirnwindungen einschoss, wurde es bei dem sachlichen Rededuell etwas lauter. Nur für eine Minute und auch nicht so, wie es einst der Ex-Lebensgefährte der längst außer Haus wohnenden jüngeren Tochter aus jener  Nachbarfamilie vorexerzierte, als er wie ein Ochse seinen persönlichen Frust heraus brüllte, nein, es war ein hörbares Anheben der jeweiligen Stimmlage. Dieser eher sanft geführte Disput wurde jedoch sofort und rigoros durch ein sächselndes " Leiser da drüben! " unterbrochen. Die Antwort meiner besseren Hälfte folgte auf den Fuss: " Ihr wart vorgestern und gestern auch laut!". Ruhe von drüben. Kein Mucks, kein Grummeln, keine Widerworte. Das hatte gesessen. Die erste Runde des ungleichen Duells hatten wir zu unseren Gunsten entschieden.
Das Gespräch indes wegen des Familienereignisses war längst nicht beendet. So staute sich bei dem Nachbarn, der wohl etwa 4 Meter von unserem Sitzplatz entfernt, am Sonntag relaxen wollte, weiter Frust auf. Nicht nur wegen des für ihn deutlich vernehmbaren Gesprächs zwischen den beiden Damen, sondern wohl vor allem, weil dessen eigene Familie - und nicht nur die, sondern die weitere des Bekannten zwei Häuser vor ihm auch - sich in den Sommerurlaub verabschiedet hatte. Zuhause zurück belassen, stieg nackte Wut in dem angeblich Lärmgeplagten, den Dauergestressten, hoch. Diese entlud sich nun gegen unsere Samtpfote, die er - wie von einer Tarantel gestochen - vom Grundstück jagte und ihr irgend einen Gegenstand hinterher warf. Die zierliche Katze sprang völlig verängstigt über die Mauer und verschwand im Haus.
Nun platzte mir der Kragen und ich wollte von dem freischaffenden Katzenverjager wissen, was er damit bezwecken wollte. Dieser erklärte mir nun aufgebracht hinter der Hecke stehend, dass die Katze(n) ständig auf das Grundstück kämen, um dort ihre Notdurft zu verrichten ( " Die kacken hier immer hin! " ). So gab ein Wort das Andere und zum Schluss verschwand der wesentlich jüngere, dafür missgelaunte Nachbar von dem eigenen Sitzplatz und entfleuchte in seineWohnung.

Wir hatten ein weiteren Grund, um über dieses mimosenhafte Verhalten zu diskutieren, denn tatsächlich misst der Frustrierte mit zweierlei Maß. Sein eigenes Wohnverhalten - so unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren - dürfte weder leise, noch rücksichtsvoll, schon gar nicht mit der Nachbarschaft abgestimmt zu sehen sein. Da werden Feuer gemacht, obwohl bei anderen Nachbarn Wäsche aufgehängt wurde. Da wir ein Sommerkino bis weit nach Mitternacht veranstaltet, obwohl die Lautstärke dabei eher unangemessen ist oder da wird ab 13.30 Uhr der Rasen mit einer Höllenmaschine gemäht, obwohl Mittagsruhe einzuhalten wäre. Usw., usf... Rücksicht sieht auch hier anders aus.
Sei´s drum! Die Friedenspflicht könnte demnächst abgelaufen sein; dann wird mittels Maschine, nämlich dem Rechner im Büro, gestritten. Wehe, wenn sie los gelassen oder: Rage against the machine.


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