Lieber die Schüssel auf dem Dach als ein Kabel in der Wand.

Was waren das damals für Aufbruchzeiten. In den unbewegten 80er Jahren, als der in Amt und Würden sitzende Kohl´sche Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling vollmundig die totale Verkabelung der totalitären Republik verkündete. Der Aufbruch in das neue Jahrhundert, dass in mehr als einer Dekade anstand, sollte zusammen mit der Möglichkeit eines unbeschränkten Informationzugangs einher gehen. Eine großspurige Aussage für ein Wahnsinnsprojekt. Immerhin bewirkte dieses, dass viele Mitarbeiter der Deutsche Bundespost ihre Aufgabenbereiche erweitern durften, die Industriezweige klotzig verdienen konnten und das Privatfernsehen auch ohne terrestrische Zusatzantennen empfangbar wurde.
Das ist mehr als ein Vierteljahrhundert her.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kabelfernsehen#Geschichte

Der weitere Verlauf des Kabelfernsehens ist bekannt: Die Deutsche Bundespost wurde nach der Wiedervereinigung und einem weiteren Verkabelungsschub unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten umstrukturiert. Die Kabelnetze konnten verkauft und damit das zunächst defizitäre Geschäftsfeld aus der Konzernbilanz ausgegliedert werden. In den Endachtziger und zu Beginn der Neunziger Jahre erschienen nach und nach die Satellitenempfangsanlagen auf dem Markt.
Sie bestanden aus einem Parabolspiegel, einem Haltearm für den LNB, einem LNB selbst und einer Halterung als Montagesatz sowie einem Receiver. Zunächst lagen die Verkaufspreise bei 500,-- bis 1.000,-- DM. Mit der Massenproduktion und der zunehmenden Anzahl ausländischer Anbieter sanken die Verkaufspreise um mehr las die Hälfte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Parabolantenne_(TV)

Weil der Bundesdeutsche jedoch per se eher auf die Beibehaltung der lieb gewordenen Pfründe und Geschäftsfelder orientiert ist, gab es schon sehr bald eine Unzahl von Rechtsstreitigkeiten rund um diese technischen Wunderwerke. So mancher Vermieter wollte nicht, dass in seiner Hauswand Dübellöcher und mehr gebohrt werden, um die vormals eher unansehnlichen Schüssel zu installieren. Es galt ein mietvertragliches Verbot der Spiegelanbringung, sofern der Mieter die Möglichkeit hatte, das Fernsehprogrammangebot über Kabel zu empfangen. Inzwischen wurde über ein BGH-Urteil aus dem Jahre 2004 klar gestellt, dass ein mietvertragliches Verbot in jedem Fall nichtig ist, wenn es damit die Informationsfreiehit unangemessen beschränkt.

Es kam dann. wie es kommen musste: Die Schüsseln sprossen wie Pilze nach dem Regen auf einem warmen Waldboden, aus jeder Dachpfanne, an jedem Mauerbereich und allen möglichen Balkonbereichen. Es entstanden in vielen Straßenzügen, in denen Mietblocks das Bild abgaben, wahre Parabolspiegelfelder. Die Informationsfreiheit ist ein grundgesetzlich geschütztes, ein hohes Rechtsgut und darf eben nicht ohne weiteres eingeschränkt werden.

Inzwischen sind auch diese Empfangstechniken längst überholt. Dank der Internetangebote vieler Sender, lassen sich deren Programme auch über den eigenen PC oder Laptop in angemessener Qualität empfangen. Ein Ende der TV-Empfangsmöglichkeiten ist auch hier nicht in Sicht.

Da verwundert es doch sehr, dass so mancher TV-Junkie immer noch nicht auf die Vielfalt der technischen Angebote eingestellt ist. Ein Beispiel hierfür gaben vor einigen Wochen Mieter aus einem Nachbarhaus. Am späten Freitagnachmittag im April dieses Jahres vernahm ich laute Stimmen im Freien. Ein Blick aus dem Küchenfenster verriet mir, dass sich zwei jüngere Männern auf dem Dach des Mietshauses zu schaffen machten. Zunächst sah es für mich so aus, als wollten sie Arbeiten an der Dachluke vornehmen; als dann jedoch eine Satellitenempfangsschüssel auf den metallischen Dachfensterausstieg hoch gehievt wurde, war mir sofort bewusst, dass eine weitere Antenne montiert werden sollte. Ich sah den beiden Experten noch eine Weile zu, dann erlahmte mein Interesse an den mehr als bekannten und eher unspektakulären Tätigkeiten dort.

Es vergingen einige Tage, ja Wochen, bis ich - eher zufällig - durch das inzwischen üppige Grün der Bäume in den Gärten auf jenes Hausdach sah und ich beinahe einen Lachkrampf bekam. Da hatten die Hobby-Monteure doch die Satellitenantenne nebst Haltearm und LNB auf den Dachausstieg gelegt ohne sie zu befestigen und dann wohl auch nicht anzuschließen. Sie lag sinn - und planlos mit dem LNB in den blauen Himmel zeigend auf der Seite; so wie ein auf dem Rücken liegender dicker Käfer. Daran änderte sich auch Tage, Wochen ja jetzt Monate später nichts. " Hmmmh, ", so dachte ich bei mir, " da hat sich doch einer zu viel zu gemutet und auf halben Weg frustriert aufgegeben! " Und tatsächlich, der TV - Spiegel liegt, und liegt, und liegt... und nutzt weder dem gescheiterten Monteur, noch dem Mieter oder beiden in einer Person.

Merke also: Nicht immer gilt die weise Erkenntnis, das Geiz geil und billig, dann auch billig bleibt, wenn ein Ahnungsloser meint, dass die Schüssel auf dem Dach besser sei als ein Kabel in der Wand, um TV glotzen zu können.

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