" Was haben wir gelacht! " und wenn es nur mit Herricht & Preil war.

Der gemeine Wossi, also die wieder vereinigte Kreuzung des Westdeutschen im ostdeutschen Umfeld, hat ja nun einmal den Vorteil, dass er die spezifischen Lebensgewohnheiten der Ex-DDRler auch 22 Jahre nach der Wende, um die Ohren gehauen bekommt; dann mit dem Hinweis: " Die Wessis kennen das nicht! "
Doch: Vorsichtig! Hinter jedem Wossi kann auch ein verkappter DDR-Nostalgiker versteckt sein. Mindestens dann, wenn er die einstigen Verhältnisse im real existierenden Sozialismus über den DDR-Fernsehempfang ein wenig näher gebracht bekam.

Da hatte das TV-Programm aus dem anderen deutschen Staat doch so einige Sendungen parat, deren Sinn es war, dem Werktätigen und der sich im täglichen Kampf zwischen Plattenbauproblemen und Mangelwirtschaft verschleißenden DDR-Frau zumindest stundenweise eine Abwechselung zu bieten. Diese zeigte sich indes genau so flach, wie beim Klassenfeind im kapitalistischen Westen; wenn auch nicht so bunt.
Der sozialistsiche Unterhaltungsmüll, der dem DDR-Bürger zunächst über ein Fernsehprogramm in die Wohnzimmer hinein gekübelt wurde, unterschied sich zwar inhaltlich von dem Schrott aus der BRD, denn es durfte keine Kritik an dem Personenkult der Staatsführung oder an den realen Gegebenheiten in den Bruderstaaten geübt werden. Das galt auch für jene biederen Sendungen, wie " Ein Kessel Buntes " oder " Da liegt Musike drin ".

In diesem Dunstkreis trat in schöner Regelmäßigkeit auch das Komikerduo Rolf Herricht und Hans-Joachim Preil auf. Das Blödel-Duo erlangte in der DDR einen Kultstatus.
Rolf Herricht, geboren am 05.10. 1927 in Magdeburg lernte seinen Sketchpartner 1951 kennen. Beide führten 1953 " Die Schachpartie " gemeinsam auf.
In den Folgejahren entwickelte das Duo eine unverwechselbare Art des Humors
Herricht verstarb am 23. 08. 1981 in Berlin während einer Theateraufführung an einem Herzinfarkt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Herricht

Sein Partner Hans-Joachim Preil wurde am 26. 06. 1923 in Köslin, Hinterpommern geboren. Er schrieb eine Vielzahl von Sketchen, mit denen das Duo Herricht & Preil auftraten. Am 13.05.1977 erhielten beide den Kunstpreis der DDR. Preil heiratete vier Mal. Er verstarb am 02.11.1999 in Berlin.

 http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Joachim_Preil


Als ich vor kurzem das im Eulenspiegel Verlag erschiene Buch " Was haben wir gelacht - Das Beste von Herricht & Preil ", das unter dem Namen Hans-Joachim Preil im Jahre 2008 verlegt wurde, in den Händen hielt, musste ich lange überlegen, ob mir die Beiden etwas sagten. In grauer Vorzeit hatte ich - je nach Wetterlage - oft das Vergnügen, über den 1.000 Kilowatt starken Fernsehsender auf dem Brocken das Programm von DDR I empfangen zu können. Und richtig, ganz vage erinnerte ich mich an Auftritte der beiden Künstler in der Sendung " Ein Kessel Buntes ".
Da müsste Ende der 70er Jahre gewesen sein.

So blätterte ich - durchaus interessiert - in dem Buch herum und fand dort ein Vorwort von einem Lars Dietrich, der sich selbst Bürger Lars Dietrich nennt. Dietrich, geboren 1973, muss schon ein exzellentes Langzeitgedächtnis besitzen, dass er sich an seine erste Begegnung mit den Komiker-Duo erinnern kann. Wie dem auch sei, er schreibt nur Gutes über die Beiden. Dafür wurde er ja schließlich auch bezahlt.

Die durchaus kritische Seite an dem humoristischen Werken der Beiden muss er auch nicht unbedingt erwähnen, denn das könnte ja den Spass verderben. Auch das er Herricht & Preil zu Vorbildern hoch stilisiert, sei ihm verziehen, denn er konnte sie ja - bewusst - nur wenige Jahre zusammen erleben. Als Herricht verstarb, war Dietrich gerade einmal 8 Jahre alt. Sei´s drum!
Es muss ja auch junge Nostalgiker geben, die einen Teil der DDR - Vergangenheit eben nur aus dem Sandkasten, der Kinderkrippe oder der Schulzeit kennen.

So las ich denn die Folgeseiten und kam nach dem ersten abgedruckten Sketch " Das Schachspiel ", dass von den beiden Protagonisten im Frühjahr 1953 ( also noch vor meiner Geburt, weit vor der Planung des Nachbar und noch viel weiter vor der des Rezensenten Dietrich ) erarbeitet wurde, zum dem Ergebnis, dass es wohl einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird, um sämtliche 203 Seiten durchzulesen.

Vielleicht gelingt es mir dabei ja, den bei der Übergabe der Ausleihe von dem Nachbarn verwandte Begriff " naiv " oder besser wäre gewesen " Naivität ", den ich vermeintlich bei der von ihm vermuteten Unkenntnis der Säulenheiligen des DDR-Humors der 50er bis 70er Jahre, an den Tag legen würde, wenn ich zu dem entliehenen Buch posten würde, als Anwurf fehlender Kenntnisse zur DDR-Geschichte zu entkräften.
Dabei fällt mir doch tatsächlich eine Begebenheit ein, die mir bei dem Adjektiv " naiv " wieder in Erinnerung kommt:
An irgendeinem Samstagabend saß ich zusammen mit einigen Klassenkollegen in einer zum Jugendtreff umgebauten Scheune in dem Kaff " Pohle ", dass hinter Stadthagen liegt. Während wir uns bei überlauter Musik vergnügten, saßen in dem Nebenraum zwei durchaus attraktive Mädchen und unterhielten sich über einen gemeinsamen Bekannten, von dem die eine doch tatsächlich behauptete, er würde " naiv " Autos stehlen. Häh? Meinen einstigen Begleitern sträubten sich die langen Haare und so kam unvermindert die Frage auf: " Wie kann jemand naiv Autos stehlen? "
Nun, der Begriff könnte sowohl auf das Schreiben einer Rezension zu dem oben besagten Buch, als auch das Stehlen von Autos zutreffen. Könnte! Eine derartige Formulierung hätte mein einstiger Deutschlehrer mit " A " rot angestrichen.
" A ", wie " Ausdruck ", oder exakter falsche Ausdrucksweise.

Wie die " naive " Malerei, wäre es jedoch denkbar, dass es den " naiven " Schreibstil gibt. Und während ich diesen Post nieder schreibe, kommt mir der Gedanke, dass bereits der griechische Philosoph Sokrates erkannt haben will:

 "Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (οἶδα οὐκ εἰδώς, oîda ouk eidōs).

will: Nachweislich ist dieses geflügelte Wort als eine verfälschte Verkürzung eines Zitats aus Platons Apologie diesem zugeschrieben worden. Bei Platon steht jenes Zitat für die Entwicklung der eigenen Erkenntnis von der Entlarvung des Scheinwissens über das bewusste Nichtwissen hin zur Weisheit als Wissen um das Gute. Aufbauend zur weiteren Überlieferung der ungeschriebenen Lehre Platons, lässt sich das Wesen des Guten als identisch mit dem absoluten Einen verstehen. Das sokratische Wissen um das Nichtwissen initiiert damit den dialektischen, der zum wissenden Nichtwissen der absoluten Transzendenz führt.

Damit schließt sich der Kreis wieder.  Wer " naiv " ist, könnte als - nach der aus dem dem  französischen Begriff " naif " abgeleitet - Definition, " blauäugig ", " einfältig ", " töricht " sein. Sein Handeln wäre demnach mit " arglos ", " leicht verführbar " oder sogar " unwissend " zu qualifizieren. Im Allgemeinen werden Menschen als " naiv " bezeichnet, denen die notwendige Einsicht in ihre Handlungen fehlt, und die über einen begrenzten geistigen Horizont verfügen.

Wer also " naiv " Autos klaut, wäre also beschränkt, denn er kann kein Unrechtbewusstsein dabei entwickeln. Dieses müsste dann in der Jurisprudenz zu einer Kasuistik führen. Das ist nach der h.M. jedoch nicht möglich, weil der Diebstahl eines PKW, den rechtwidrigen Entzug des Besitzes darstellt und dieses kann nur durch ein bewusstes Handeln erfolgen. Ergo: " Naiv " Autos stehlen, geht nicht!

Stellt sich dann noch die Frage, ob ein Post zu eben jenem Buch " naiv " geschrieben werden kann? Auch hierbei setzt eine " naive " Handlung voraus, dass der Handelnde - der Schreibende etc. - nicht weiß, dass er postet oder sehr wohl weiß, dass er einen Post erstellt, jedoch von dessen Inhalt keine Kenntnis erlangt bzw. sie nicht hat. Nun setzt das Schreiben zunächst gewisse kognitive Fähigkeiten voraus. Das gilt auch für das Abschreiben ( es sei denn, es handelt sich um das Guttenberg´sche " Copy & Paste " - Prinzip ). So wäre ein " naiver " Schreiberling, jemand, der nicht weiß, dass er schreibt oder nicht weiß wovon er schreibt.
Da aber das Adjektiv " naiv " in der Begriffsdefinition auf Erwachsene oftmals als ernsthafter Charakterfehler, als geistige Beschränktheit, in Gefolge einer Gemengelage von Arroganz und Narzissmus verwandt wird,  lässt sich damit konstatieren:
Wer einen "naiven" Post erwartet, erhält stattdessen eine liguistische Vorführung, die auf Entlarvung des eigenen Intellekts abzielt und damit die mangelnde Fähigkeit eigener Selbsteinschätzung offenbart.
Oder, wie es bei dem Lateiner zutreffend heisst:


Ignorantia iuris nocet
 



Kommentare

til_o. hat gesagt…
Aber die wie du richtig bemerktest, kannten die jungen Nostalgiker die DDR, was sie schon mal kompetenter macht, als jene die Herricht und Preil mit einem Blödel-Duo verwechseln. Der Ost-Humor war überwiegend sehr subtil, intelligent und fand auf einem Niveau statt, die der deutschen Sprache und ihrer Feinheiten gerecht wurde. Ein O.F. Weidling, Jochen Petersdorf, Hans Georg Stengel usw. standen, wie auch Herricht und Preil für feingewürzte Satire deren Gebrauch im Westen weitgehend unbekannt blieb. Ausnahmen bestätigen die Regel. Was der Bürger Lars als Vorwort verzapft hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich bin mir sicher, daß er seinen Plattenspieler, sein Radio und seinen Fernseher nicht mit Herrichts Tod aus dem Fenster geworfen hat.
Ost- und Westhumor haben verschiedene Wurzeln und sie gediehen unter verschiedenen Bedingungen. Herricht und Preil konnte ich mir stundenlang anhören, Otto und Hallervorden nicht. Aber mit letzteren bin ich auch nicht zur Schule gegangen. :-)

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