Kodak - Kodachcrome - alone!

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Eine Meldung aus dem zähen Brei der Wirtschaftsnachrichten, die sich von Montagmorgen bis Freitagabend über den Interessierten ergießt, ließ am letzten Septembertag des Jahres 2011 aufhorchen: Aus den USA gelangten Gerüchte über den Großen Teich, wonach die Firma Kodak in Rochester bei New York, die einst im Jahre 1891/1892 von den Amerikanern George Eastman und Henry Strong gegründet wurde, kurz vor der Insolvenz stünde. Daraufhin brach der ohnehin schon seit vielen Jahren sich auf Talfahrt befindliche Aktienkurs um beinahe 55 % ein.

Wenn Kodak tatsächlich vor der Pleite stehen würde, so wäre es sicherlich wenig sinnvoll, dass die den Konzern finanzierenden Banken, die dortige Kreditlinie auf 160.000.000 US-Dollar aufstocken. Oder sollte auch dieses nur ein großer Bluff sein?

Nachdem die Meldung über die Nachrichtenagenturen weltweit verbreitet war, versuchte der Kodak-Konzern schnellstens diese Behauptung als reine Spekulation, als Gerücht oder sogar als "Ente" abzutun.
Wer sich allerdings die wirtschaftliche Entwicklung der Kodak AG in den letzten 30 Jahren einmal genauer betrachtet, der muss doch erhebliche Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieses verbreiteten Dementis haben.

Kodak geht es schlecht. Kodak geht es deshalb schlecht, weil es der US-Wirtschaft schlecht geht. Kodak geht es aber vor allem deshalb schlecht, weil Kodak die radikalen Marktveränderungen seit den Boom-Jahren der 40er bis 80er schlichtweg verschlafen hat. Schon während der Nazi-Barbarei ab 1932 erkannte der Hersteller von Foto technischen Produkten, dass auch jenseits des Atlantiks ein expandierender Markt besteht, der nur erschlossen werden muss. Gesagt, getan!

Der als Gelber Riese in die Annalen der Wirtschaftshistorie eingehende Betrieb am Vorhof des Big Apple arrangierte sich mit den Faschisten in Deutschland. Dieses gelang deshalb, weil der Verbrecher und Hetzer Goebbels von der Aufnahmetechnik der Amerikaner begeistert war.
Nach dem Krieg, von dem Kodak mittels Kameratechnik auch Farbaufnahmen präsentieren konnte, kam zunächst die Hochzeit der Kleinbildkameras. Kodak entwickelte eine mit einer speziellen Filmkassette bestückte Kamera in Boxform.

Genau so ein technisches Wunderwerk konnte ich Ende der Schulzeit zu einem sagenhaften Preis von 69,90 Deutsche Mark als Geschenkpackung zu Weihnachten 1967 mein Eigentum nennen. In dieser Präsentpackung befand sich neben der Kodak Instamatic 104, ein 24er Farbbilderfilm und eine 3er Einheit Blitzwürfel, die eben für genau 24 Fotos ausgelegt war.
Stolz wie Oskar begann ich zu knipsen. Dass die Hälfte der Bilder später nichts wurden, tat meiner noch kindlichen Freunde über die Geschenk keinen Abbruch.



Im Frühjahr 1968 wurde dann eine Foto Arbeitsgemeinschaft, kurz: Foto AG benannt, der ich mit Begeisterung beitrat. Unser Klassenlehrer Dornieden war der Initiator dieser Arbeitsgruppe, der einst 10 oder 12 SchülerInnen zugehörten. Die ersten Fotos waren eher als misslungen zu sehen. Auf einigen Bildern fehlten die Kopfhälften der abgelichteten Personen, andere waren verwackelt, weitere unscharf und/oder unterbelichtet. Alles im Allen, war das gesamte Repertoire der fotografischen Todsünden vorhanden. Ich war dennoch stolz und war von den missratenen Bildern nicht eines weg.

Ob nun Fotografien von dem elterlichen Haus, aus Bad Eilsen oder von dem Aufenthalt im Schullandheim auf der Insel Wangerooge, jedes Bild wurde mit Fotoecken versehen in ein Album geklebt. Ein schönes Hobby, eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, ein teurer Spass aber auch!

Die Kamera mit 63,00 DM war hier nicht einmal der größte Posten. Es war das Zubehör und das Material, dass es zu kaufen galt, bevor die Bilder in ein Fotoalbum verbracht werden konnten. Ein Farbfilm kostete fast 5,00 DM, der 12er Blitzwürfelsatz ebenso, die Entwicklungskosten je Bild lagen bei 3,95 DM; für die 9x9-Aufnahmen waren 0,49 DM  für jeden Abzug zu berappen.
Hinzu kamen zwei 1,5 Volt Kleinbatterien für 1,95 DM.
Das ging im wahrsten Sinne des Wortes ins Geld.

Auch die schon bald auftauchenden erheblichen technischen Probleme beim Fotografieren ließen die Kosten für das Hobby in die Höhe schnellen. Mal verbrannte ein Flash, ohne dass dieser Licht für die Aufnahme erzeugte, mal klemmte der Filmtransport in der Kassette, mal warf der automatische Blitzwürfelauswurf eben den Block nicht ab, so dass beim Versuch, dieses manuelle zu besorgen, die Fingerkuppen heiß wurden.

Deshalb kam bereits 1 Jahr nach dem Erwerb der Kodak Instamatic 104 das Aus für diese Kamera. Das Zubehör konnte dennoch Jahre danach gekauft werden, denn der Markt zeigte sich in den 60er und 70er Jahren recht übersichtlich.
Für die besseren und teureren Kameras, eben jene Spiegelreflexkameras von Zeiss Ikon, Hasselblatt oder Leica war mein Lebensumfeld nie ausgelegt.
Folglich wandte ich mich der Musik und weil eher bezahlbar, den dortigen Tonträgern zu.

Was in den 60ern noch unerschwinglich, in den 70ern durch andere Techniken, wie Sofortbildkameras und Einwegkameras zunächst als Modernisierung dem Massenmarkt verdummend angeboten wurde, hielt sich allerdings dort nicht sehr lange. Diese Fotografietechniken waren  noch teurer als eben jene Rollbildfilm-Aufnahmen.

Die 80er Jahre brachen an und mit ihnen überschwemmte ein Tsunami an Herstellern, Typen und ausgefeilten Techniken den BRD-Markt.  Ob nun Canon,Nikon,Pentax,Olympus, ob nun Agfa,Rolleiflex oder Practica; sie alle brachen auf einen sich explosionsartig erweiternden Markt ein. Auch die DDR-Produkte, wie Contaflex,Contax,Icarex oder Contarex waren in der BRD im Fachhandel zu erwerben.
Unerreicht sind hierbei natürlich die Zeiss-Linsen gewesen.


http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:SLR_cameras?uselang=de
Es entwickelte sich ein wahrer Boom auf dem BRD-Markt, der bedingt durch eben die japanische und fernöstliche Konkurrenz angeheizt wurde. Immer neue Modelle mit noch mehr technischem Schnick-Schnack überschwemmten den Markt. Sie waren nicht nur im Fachhandel zu beglotzten sondern konnte zu etwas geringeren Verkaufspreisen in so genannten technischen Kaufhäusern erworben werden. Ab Mitte der 80er Jahre legte sich jeder Westhansel, der einen pseudo-intellektuellen Touch nach außen trug, mindestens eine Spiegelreflexkamera zu. Als Beigabe erwarben hunderttausende an plötzlichen Kreativlingen enorme Batterien an Objektiven und eine Unzahl an - meist unsinnigem - Zubehör.

Es wurde geknipst, was das Zeug hielt. Nicht nur im Urlaub, der ja eher dazu prädestiniert war, die immer gleich, öden Strand-Sand-Sonne-Fotos auf den Film zu bannen, nein,auch im piefigen Lebensumfeld zwischen Küche, Kirche und Kaufhaus wurde der Auslöser gedrückt. Zu allen nur erdenklichen Zusammenkünften blieb die Kamera griffbereit. Die BRD-Wirtschaft konnte diesen aufgeblasenen Run auf den Schnappschuss und das Foto nicht so schnell verarbeiten. Es entstanden deshalb ganze Filmentwicklungsfabriken, als Großlabore verniedlicht, in denen unterbezahlte Heerscharen von Frauen im 3 -Schicht-Betrieb bis Samstagnachmittag die unkreativen und sinnlosen Zeitdokumente auf dem Rollfilm entwickelten, das Labor dafür zu Dumpingpreisen von 2,99 DM je Film mit Entwicklung bis zu 9,99 für einen hochwertigen Rollfilm berechneten. Abzüge gab es bereits ab 0,19 DM je Stück.

Die Branche boomte. Weshalb auch ganze Fotoketten entstanden. Jeder BRDler wollte seinen Nachbarn mit dem dann doch teuren Equipment beeindrucken. Ob nun der Kamerabody von Canon für 799,-- DM, das Weitwinkelobjektiv von Nikon für 199,-- DM oder das Stativ von Harma für 129,-- DM. Geld spielte einst dafür keine Rolle. Hauptsache mitreden, mit protzen, mit knipsen.
Hinzu kamen die typisch teutonischen Glaubenskriege um die bessere Marke, den besseren Fotoapparat, Film und das Bild. Wer eine Canon besaß, der verabscheute den Hersteller Nikon und verschmähte die Pentax und umgekehrt.

Sinnlose Fotopapierverschwendung, weil sinnfreie Bilder geknipst wurden, waren die Folge dieses Booms. Jede Frau, jeder Knilch und jeder Freundeskreis, der/die etwas auf sich hielt gab in der Mitte der 80er " Fotografieren" als Hobby an.

Als ich 1983 bei Saturn Hansa in Köln meine erste und auch einzige Spiegelreflexkamera von Pentax mit 2 Objektiven erwarb, standen locker 1.300,-- Deutsche Markt auf dem Zettel, der zunächst bei einer Kasse bezahlt werden musste, dann der Warenausgabe vorzulegen war und danach mit einem Stempel versehen eingetütet wurde; Kamera und Objektive inklusive.
Die Pentax liegt, nach nicht ganz 3 Dekaden immer noch in dem blauen Transportkoffer. Inzwischen schläft sie den Schlaf der Gerechten. Sie begleitet mich auf vielen Reisen und verrichtete ihre Dienste anlässlich ungezählter Ereignisse.

Ob nun der USA-Besuch 1984, das "Dire Straits"-Konzert in Bremen 1985 oder mein Berufseinstieg 1986; die Pentax war immer dabei.

Während sich in den 80ern der Video-Rekorder, die Video-Kassette und die Video-Kamera sukzessive durchsetzte,behielt ich meine alte Tante "Pentax" und den Glauben an die ewige Jugend dieser Bildtechnik. Das war ein Irrglaube, denn mit dem Preisverfall der Aufnahmegeräte für eben jene laufenden Bilder in Kassettenform, ging auch der Fotografierboom zu Ende. Die 90er Jahre brachen an, die Videokameras waren bereits für unter 1.000,-- DM zu bekommen und der Markt kippte um. Eine solche Kamera gehörte nun zu dem Vorzeigeobjekt jedes Michels, der vorgab, von Technik etwas zu verstehen. Der Absatz explodierte, die Weihnachtsgeschenke sahen dabei alle gleich aus und die Branche stellte sich um.

Gleiches galt 10 Jahre später in der Nachmillenniumszeit, als die computerisierten Geräte auf den Markt schwemmten, als diese immer kleiner wurden und ihre Aufnahmekapazitäten dafür größer. Die Digitalkameras, zunächst extrem teuer, haben den Markt erobert. Damit war eigentlich die Ära der Rollbildfilme, der Videobänder und der Papierbilder beendet. Eigentlich?

Im Hause Kodak schien dieses wohl noch nicht richtig angekommen zu sein, denn der Konzern verharrte bis 2008/2009 auf die herkömmlichen Techniken. Spät, höchst wahrscheinlich zu spät wurden die Produktionen der Artikel zur Herstellung von Fotografien im klassischen Sinne eingestellt und die Märkte aufgegeben.
 
http://de.wikipedia.org/wiki/Kodak

Wenn Kodak tatsächlich wegen einer Insolvenz von der Bildfläche verschwindet, dann nur deshalb, weil das Festhalten an der Tradition in der heutigen Zeit keinen Profit einbringt. Schnell ist die Konkurrenz an einem einstigen Marktführer vorbei gezogen und verdrängt diesen alsbald. Was bleibt sind dann nur noch Erinnerungswerte, nostalgische Accessoires aus längst vergangenen Zeiten, als die Bilder laufen lernten, die Fotos immer schärfer, deren Anzahl immer größer und die Exklusivität ihrer Erstellung dafür immer geringer wurde.

Kodak war einst der Marktführer, jetzt ist der Konzern fast ein Relikt aus verflogenen Jahren und jener Zeit, in der Paul Simon lobhudelnd schmalzig feststellte:

When I think back
On all the crap I learned in high school
It's a wonder
I can think at all
And though my lack of education
Hasn't hurt me none
I can read the writing on the wall

Kodachrome
You give us those nice bright colors
You give us the greens of summers
Makes you think all the world's a sunny day, oh yeah!
I got a Nikon camera
I love to take a photograph
So Mama, don't take my Kodachrome away

If you took all the girls I knew
When I was single
And brought them all together for one night
I know they'd never match
My sweet imagination
And everything looks worse in black and white
[ Lyrics from: http://www.lyricsfreak.com/p/paul+simon/kodachrome_20105962.html ]
Kodachrome
You give us those nice bright colors
You give us the greens of summers
Makes you think all the world's a sunny day, oh yeah!
I got a Nikon camera
I love to take a photograph
So Mama, don't take my Kodachrome away

Mama, don't take my Kodachrome away

Mama, don't take my Kodachrome away

Mama, don't take my Kodachrome away

Mama, don't take my Kodachrome
Mama, don't take my Kodachrome
Mama, don't take my Kodachrome (away)

Mama, don't take my Kodachrome
Mama, don't take my Kodachrome
Mama, don't take my Kodachrome (away)

Mama, don't take my Kodachrome
(Leave your boy so far from home)
Mama, don't take my Kodachrome (away)


Hach, die Amerikaner können es doch immer noch am Besten, wenn es um die Verklärung der Lebensinhalte geht!

 

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Jungejunge, du tippst wieder schneller, als man lesen kann. ;o)

Da ist es heute vergleichsweise komfortabel, man bekommt auch mit der einfachsten (preiswertesten) Knipskiste brauchbare Ergebnisse hin und was nichts taugt, wird einfach gelöscht. Oder man lädt es einfach ins Netz, haha!

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