Land unter!

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Ein plattdeutsches Lied, exzellent dargeboten von dem Ex-"Rattles"-Chef Achim Reichel lässt sich so mitsingen:

Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn,
|: To my hooda! :|
De Masten so scheef as den Schipper sien Been,
To my hoo da hoo da ho!
Refrain:
|: Blow boys blow for Californio,
There is plenty of Gold
So I've been told
On the banks of Sacramento. :|
2. Dat Deck weur vun Isen,
Vull Schiet uns vull Schmeer.
Dat weer de Schietgäng
Eer schönstes Pläseer.
Refrain:
3. Dat Logis weur vull Wanzen,
De Kombüs weur vull Dreck,
De Beschüten, de leupen
Von sülben all weg.
Refrain: 4. Dat Soltfleesch weur gröön,
Un de Speck weur vull Moden.
Kööm gev dat blots an
Wiehnachtsobend.
Refrain:
5. Un wulln wi mol seiln,
Ick segg dat ja nur,
Denn lööp he dree vörut
Und veer wedder retur.
Refrain:
6. As dat Schipp, so weer
Ok de Kaptein,
De Lüd für dat Schipp weern
Ok blots schangheit.
Refrain:

Ein Jahr später folgte die LP " Klabautermann " und auch besingt Achim die Unbill der Natur, gepaart mit einem Schuss "Seemannsgarn" und dem nicht enden wollenden Märchen von der Romantik an Bord:


In der Kajüte schaukelt die Lampe
Männer sitzen um den Tisch herum
Von dem Gelächter, Singen und Fluchen
Hallen die Wände ringsum

Draußen da stürmt es, toben die Wogen
Schlagen die Segel in der Nacht
Gischt sprüht im Toben haushoher Wogen
Das die Brigg in allen Fugen kracht

Nur der feige Takler in der Kajüte
Lästert über alte Seemannsmär:
„Hohn euch, ihr Geister, euer sind wir Meister
Herrscher über Wind und Meer!“

Plötzlich ein Krachen, auf springt die Luke
Grauen lähmt alle wie ein Mann!
Triefend vor Nässe, in geisterhafter Blässe
Steht im Raum der Klabautermann!

Zeigt auf den Takler, auf gellt ein Angstschrei
Tot sinkt der Läst'rer auf die Bank

In der Kajüte schaukelt die Lampe
Draußen der Wind im Tauwerk sang
Und das blaue Licht des Mondes
Einen Schatten verschlang

Draußen da stürmt es, toben die Wogen
Schlagen die Segel in der Nacht
Gischt sprüht im Toben haushoher Wogen
Das die Brigg in allen Fugen kracht

Der gute Achim, inzwischen - so wie viele seiner Zunft - in die Jahre gekommen, mit dunkelblond getöntem Jahr und modischen Kurzhaarschnitt,  sich in den Folgealben seinem Drang nach Althergebrachten weiter freien Lauf und produzierte die LP " Regenballade ". Zutreffend zum typisch nord - ostdeutschen Sommerwetter des Jahres 2011, das viele Urlauber frustriert in einen Dauer - Glotze - Schauen verfallen ließ, sang er hier:

Ich kam von meinem Wege ab,
weil es so nebeldunstig war.
Der Wald war feuchtkalt wie ein Grab,
und Finger griffen in mein Haar.
Ein Vogel rief so hoch und hohl
Wie wenn ein Kind im Schlummer klagt –
Und ich stand still – ich wusste wohl,
was man von diesem Walde sagt!
Dann setzt ich wieder Bein vor Bein
Und komme so gemach vom Fleck,
und quutsch’ im letzten Abendschein
schwer vorwärts durch Morast und Dreck.
Es nebelte, es nieselte,
es roch nach Schlamm, verfault und nass,
es raschelte, es rieselte
und kroch und sprang im hohen Gras.
Auf einmal, eh ich’s mich versehn,
bin ich am Strom, im Wasser schier.
Am Rand bleib ich erschrocken stehn,
fast netzt die Flut die Sole mir.
Das Röhricht zieht sich bis zum Tann
Und wiegt und wogt so weit man blickt,
und flüstert böse ab und an,
wenn es im feuchten Windhauch nickt.
Da saß ein Kerl! Weiß Gott, mein Herz
Stand still als ich ihn sitzen sah!
Ich sah ihn nur von hinterwärts,
und er saß klein und ruhig da,
saß in der Nebeldämmerung,
die Angelrute ausgestreckt,
als ob ein toter Weidenstrunk
den dürren Ast gespenstig reckt.
„He, Alter!“ ruf ich, „beißt es gut?“
Und sieh, der Baumstamm dreht sich um
Und wackelt mit dem runden Hut
Und grinst mit spitzen Zähnen stumm.
Und spricht – doch nicht nach Landesart,
wie Entenschnattern, schnell und breit
kommt’s aus dem algengrünen Bart:
„Wenn’s regnet, hab’ ich gute Zeit!“
„So scheint es“, sag ich und ich schau
in seinen Bottich neben ihm.
Da wimmelt’s blank und silbergrau
Und müht sich mit zerfetzten Kiem,
Aale, die Flossen zahrt wie flaum,
glotzäugig Karpfen mittendrin –
ich traue meinen Augen kaum! –
wälzt eine Natter sich darin.
„Ein seltenes Fischlein, Alter, traun!“
Da springt er forsch behebend empor:
„Die Knorpel sind so gut zu kau’n!“
Schnattert er listig mir ins Ohr.
„Gewiss seit ihr zur Nacht mein Gast!
Wo wollt ihr heute auch noch hin?
Nur zu, den Bottich angefasst,
genug ist für uns beide drin!“
Und richtig watschelt er vorauf,
patsch, patsch, am Uferrand entlang.
Und wie im Traume heb ich auf
Und schleppe hinterdrein den Fang.
Und krieche durch den Weidenhang,
der eng den Rasenhang umschmiegt,
wo, tief verborgen selbst am Tag,
die schilfgebaute Hütte liegt.
Da drinnen ist nicht Stuhl, nicht Tisch,
der Alte sitzt am Boden platt,
es riecht nach Aas und totem Fisch –
ich wird vom bloßen Atmen satt.
Er aber greift frisch in den Topf
Und frisst die Fische kalt und roh,
packt sie am Schwanz, beißt ab den Kopf
und knirscht und schmatzt im dunkeln froh.
„Ihr esst ja nicht, das ist nicht recht!“
Die Schwimmhand klatscht mich fett aufs Knie.
„Ihr seid vom Trockenen Geschlecht,
ich weiß, die Kerle essen nie.
Ihr seid bekümmert, sprecht doch aus,
womit ich euch erfreuen kann?“
„Ja“, klappre ich: „ich will nach Haus
aus dem verfluchten Schnatermann!“*
Da hebt der Kerl ein Lachen an,
es klang nicht gut, mir wurde kalt.
„Was weißt denn Ihr vom Schnatermann?“
„Ja“, sag ich stur, „so heißt der Wald!“
„So heißt der Wald?“ nun geht es los,
er grinst mich grün und phosphorn an:
„Du dürrer Narr, was weißt du bloß
vom Schnater-Schnater-Schnatermann?!“
Und schnater-schnater, klitsch und klatsch,
der Regen peitscht mir ins Gesicht.
Quatsch durch den Sumpf, hoch spritzt der Matsch,
ein Stiefel fehlt – ich acht’ es nicht.
Und schnater-schnater um mich her,
und Enten-Unken-Froschgetön,
Möwengelächter irr und leer
Und tief ein hohles Windgestöhn . . .
Des andren Tags saß ich allein,
nicht weit vom prasselnden Kamin,
und lies mein schwer gekränkt gebein
wohlig vom heißen Grog durchziehen.
Wie golden war der Trank, wie klar!
Wie edel war sein starker Duft!
Ich blickte nach dem Wald – es war
Noch sehr viel Regen in der Luft.

Ja,ja, " Es war noch sehr viel Regen in der Luft ", das schienen sich wohl auch die mehr als 60.000 Besucher des Musikfestivals in Hasselt / Begien gesagt haben, als dort ein Unwetter über das Veranstaltungsgelände herein brach.


Dort hatte am Donnerstag hatte ein schwerer Sturm mit Hagel und Starkregen gewütet, bei dem mindestens 5 Besucher ums Leben kamen und etwa 40 Menschen verletzt wurden. Das heftige Gewitter brachte Bühnen, Zelte und Metallkonstruktionen zum Einsturz und entwurzelte mehrere Bäume. Es kam dabei zu einer Massenpanik.

Eine Besucherin des Musikfestivals berichtete in einer Online-Ausgabe einer belgischen Zeitung, dass  der Himmel schwarz wurde und wenig später Hagelkörner gefallen seien. Durch den orkanartigen Wind seien Bäume umge fallen. Es sei das Ende der Welt gewesen. Weitere Zeugen berichteten in anderen Medien von starken Windböen und Starkregen. Dabei sei alles durcheinandergewirbelt worden, Menschen seien schreiend und panisch umher gelaufen.

Als angelernter Zyniker könnte ich jetzt formulieren: " Wer sich in Gefahr begibt....". Nein, es ist traurig genug, dass durch das Unwetter Menschen zu Tode kamen oder verletzt wurden, was mich bewogen hat, hierzu einen Post einzustellen, ist das Herumgeeire der Organisatoren dieser Musikveranstaltung. Zunächst hatte es geheißen, dass das Festival abgebrochen wird, dann wiederum die Veranstaltung wird fort geführt und erst, nachdem das ganze Ausmaß dieses Unwetters sichtbar wurde, haben sich die Initiatoren - wohl auf Druck - dazu entschlossen, das Festival nicht weiter zu führen.
 Ein Schelm, der dabei Böses denkt?
Wer je selbst auf diesen Massenveranstaltungen anwesend war, der kann sich vorstellen, welches Tohuwabohu dort während des Unwetters geherrscht haben muss.

Da bleibt kein Auge trocken, wenn schwere Metallkonstruktionen wie Streichhölzer einknicken, wenn Zelte wie  Blätter im Sturm herum getrieben werden und wenn Menschen sich in Panik befinden. Bei solchen Szenarien gibt es nur eine Entscheidung: " Aus!Vorbei!Schluss!".
Statt noch sinnlose Gespräche über eine Fortsetzung der Veranstaltung zu führen, ist hier Klartext angesagt.
Leider spielt auch hier der schnöde  Mammon eine gewichtige Rolle, denn ein Abbruch ist gleich bedeutend mit Einnahmeverlusten.

Längst sind Musik-Großveranstaltungen zum Kommerzrummel verkommen. Es geht dort nicht nur um die Musik und die Interpreten selbst, sondern hier spielen große Geldsummen die tragende Rolle. Einnahmen von mehren Millionen Euro sind die Regel, Ausgaben in dieser Größenordnung werden vorausgesetzt und Gewinne in diesen Bereichen ebenfalls. Häufig werden Sicherheitsstandards eher niedrig angesetzt. Dafür protzen die Veranstalter mit Besucherzahlen. Auch die Berichterstattung in den Medien hat sich nahtlos diesem unsinnigen Trend angeschlossen.

Beim Recherchieren zu jenem Ereignis im World Wide Web ist mir dazu noch eine andere Unart der Nachrichtenindustrie aufgefallen: Die reißerische Aufmachung des Unglücks durch die Anzahl der Toten und dieses, obwohl verlässliche Fakten gar nicht vorlagen. Da ist die Rede von " Ein Toter bei.." über " Mindestens 3 Tote bei.." bis hin zu " Mehr als 3 Tote bei..". Ja, was denn nun, würde sich der Rezipient fragen. Liest er dann die identischen Textbausteine zu dem Unglück, stellt er fest, dass dort von einander abgeschrieben wurde oder die Meldungen Wort getreu übernommen werden. Der Informationsgehalt ist dabei - spätestens beim Lesen eines weiteren Artikels - nahezu Null. Aber: Hauptsache mit schreiben! Die Auswüchse der heutigen Informationsgesellschaft machen eben vor keiner Tür halt. Sinnfreies Geschwafel rund um die Uhr.

So würde es mich nicht wundern, wenn eine Hinterhof-Band zu dem Unglück von Hasselt einen Song einspielt und per Videoclip bei YouTube einstellt. Mein Vorschlag - ganz im Fahrwasser des Achim Reichel schwimmend - lautet:
Land unter!



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