Sommer 1972 oder wie alles mit "Kanbach" begann.

Ich hatte im April 1972 gerade meine Lehre - so hieß das damals noch - bei einem mittelständischen Betrieb des Groß-und Einzelhandels in Bückeburg abgeschlossen, als ich mit einem Bekannten zum Wehrdienst nach Munster/Örtze eingezogen wurde. Die Zeit war geprägt von den anstehenden politischen Reformen, den gesellschaftlichen Umbrüchen und dem Etablieren einer Subkultur, die sich jenseits der bürgerlichen Welt, ihre eigenen Werte und Inhalte suchte. Zu den Vermittlern jener subkulturellen Lebensweisen gehörten sowohl das individuelle Outfit, das von dem Tragen bestimmter Kleidung bis hin zur Haartracht geprägt war. Wer damals dazu gehören wollte, der trug eben enge Cordhosen, Jeans, Sweat-Shirts, T-Shirts und Turnschuhe. Die Haare gingen bei Weib-und Männlein häufig bis über die Schultern. Auch die Freizeitindustrie orientierte sich nach den Bedürfnissen jener, von der Hippie-Bewegung aus den USA nach Europa herüber geschwappten Subkultur. Es entstanden diverse Musik - Tempel in denen die "progressive " Pop-Musik gespielt wurde. Eine Unzahl an Veranstaltungen, innerhalb derer eine Vielzahl von Bands auftraten, die einen Musikstil interpretierten, der sich in endlosen Gitarrensoli, Schlagzeugeinlagen und elektronischen Geräten erschöpfte, deren schrille Tonabfolgen so manches Ohr zum Pfeifen brachte, die geprägt waren von Haschisch rauchenden Besuchern und einer schiedlich, friedlichen Grundeinstellung. Aus dieser Zeit rühren auch die gigantischen Pop-Festivals im Freien her, die sich in Anlehnung an Woodstock, Watkins Glen, Atlanta oder Monterey, an der Isle of Wight oder Scheeßel, über viele Jahre als feste Größe eines lokalen Musikmarktes etablierten.

Ich hatte meine ersten LPs gekauft. Es waren Alben von Yes, Steppenwolf,den Rolling Stones und Rory Gallagher, von Jethro Tull, Ten Years After, UFO. Diese Musikrichtung faszinierte mich ungemein. Ähnlich wie die progressive Popmusik entwickelte sich auch meine eigene Lebenseinstellung. Meine politischen Interessen waren zwar noch äußerst zart ausgeprägt, dennoch wusste ich sehr wohl, was ich nie wählen würde, was nie meiner Meinung nach die Interessen der einfachen Menschen vertreten könnte und welche Partei sich eher nicht reformieren lässt: die CDU sowie ihre noch reaktionärere Schwesterpartei aus Bayern, die CSU.
In diesem Halbwissen waren jene Politiker der Endsechziger und frühen 70er Jahre meine Vorbilder: Willy Brandt, Herbert Wehner und natürlich Helmut Schmidt.
Diese Troika aus der SPD stellte für mich das Sinnbild von Reformpolitik dar. Sie war der Hoffnungsträger, dass sich in dem Land überhaupt etwas bewegen kann.

Aus dieser Mixture entwickelte ich sukzessive meine eigene Lebensphilosophie. Sie bestand zum Einen darin, alle Meinungen, persönliche Einstellungen und Werte, die aus den Generationen vor mir mit herüber getragen wurden, erst einmal abzulehnen, während ich zum Anderen versuchte möglichst wenig mit den in meinem Lebensumfeld stehenden Personen, die eben diese Inhalte vertraten, anzuecken. das gelang nicht immer,denn gerade beim Barras lautete das Grundprinzip Befehl und Gehorsam. Hierbei einen Mittelweg zu finden war denn meistens nicht einfach.

So flüchtete ich mich in den 21 Monaten Kriegsdienst in eine eigens aufgebaute Abwehrmauer und in ein individuelles Refugium bestehend aus Rockmusik und einem Freundeskreis außerhalb der Kasernen. Hinzu kam meine sich langsam aufbauende Lust am Lesen. Waren es zunächst nur die in den Truppenunterkünften ausliegenden reaktionären Zeitungen, wie " Welt ", " FAZ oder die " Süddeutsche Zeitung " sowie Propaganda-Magazine a' la " Loyal " oder andere Lobhudelorgane der Bundeswehr,wurden es zum Schluss des Bunds im Dezember 1973 zunehmen Musikzeitschriften.

Es muss wohl im Juli 1972 gewesen sein, als ich mit meinem damaligen Bekannten Peter Völkening, meiner Schwester und deren Freundin Christiane Fitzke aus Heeßen zum ersten Mal in Richtung Münchehagen nach Kanbach fuhr. Peter hatte sich den VW Käfer, einer uralten, Sprit fressenden Karre mit defektem Auspuff, ausgeliehen und holte uns ab. Irgendwie fanden wir zunächst nicht den richtigen Weg dorthin und verfuhren uns mindestens zwei Mal. Den Weg von Bad Eilsen bis nach Münchehagen kann ich heute nicht mehr exakt nach vollziehen, da es jedoch das Internet gibt, habe ich mir hierüber eine Hilfestellung geholt:


Sie starten auf der Strasse mit dem Namen Feldstr. Richtung Osten.
0:00 h
0 m

Biegen Sie nach 286 m links in die Strasse mit dem Namen Bückeburger Str. (L451).
0:00 h
286 m
Biegen Sie nach 1 km halbrechts in die Kreisstraße 11.
0:01 h
1 km
Biegen Sie nach 3 km halbrechts in die Strasse mit dem Namen Eilsener Str. (K6).
0:03 h
4 km
Biegen Sie nach 545 m halblinks in die Strasse mit dem Namen Rathenaustr. (L442).
0:03 h
5 km
Folgen Sie nach 149 m der Strasse mit dem Namen Heyestr..
0:03 h
5 km
Biegen Sie nach 393 m links in den Weheweg.
0:04 h
5 km
Biegen Sie nach 85 m rechts in die Landstraße 442.
0:04 h
5 km
Biegen Sie nach 1 km rechts in die Bundesstraße 65.
0:05 h
7 km
Folgen Sie nach 4 km der Landstraße 371.
0:08 h
11 km
Biegen Sie nach 2 km links in die Landstraße 371.
0:10 h
13 km
Biegen Sie nach 1 km rechts in die Landstraße 371.
0:11 h
15 km
Biegen Sie nach 6 km halblinks in die Landstraße 371.
0:16 h
21 km
Biegen Sie nach 2 km links in die Landstraße 371.
0:18 h
24 km
Biegen Sie nach 3 km links in die Strasse mit dem Namen Loccumer Str. (B441).
0:20 h
27 km
Nach 90 m haben Sie Ihr Ziel, die Strasse mit dem Namen Loccumer Str. (B441), erreicht.
0:20 h
27 km
Gasthaus Münchehagener Hof Kanbach
Hauptstraße 7
31547 Rehburg-Loccum
05037 2229
1.Südwesten auf Hauptstraße/B441 Richtung Hauptstraße
120 m
2.Bei Lange Str./L371 links abbiegen
Weiter auf L371
3,3 km
3.Bei Am Forst Spießingshol/L371 rechts abbiegen
Weiter auf L371
8,9 km
4.Bei Nordsehler Str./L371 links abbiegen
Weiter auf L371
1,5 km
5.Bei Breslauer Str./L371 rechts abbiegen
Weiter auf L371
2,3 km
6.Geradeaus auf St. Annen/L445
Weiter auf St. Annen
700 m
7.Dem Streckenverlauf folgen bis Bückeburger Str./B65
Weiter auf B65
7,1 km
8.Bei Ahnser Str./L451 links abbiegen (Schilder nach Bad Eilsen)
Weiter auf L451
4,5 km
9.Bei Feldstraße rechts abbiegen
Das Ziel befindet sich links
180 m
Feldstraße 13
31707 Bad Eilsen


Dort angekommen, war zunächst die Parkplatzsuche ein Lotteriespiel. Selbst für damalige Verhältnisse zeigte sich der motorisierte Wahnsinn in seinen Grundzügen schon als ein Hindernis. Nachdem Peter oder mit Spitzname " Piet " den schrottigen Käfer in irgendeine Ecke des Straßenzuges " Hauptstraße " gezwängt hatte, gingen wir die restliche Strecke zum Gasthof zu Fuß zurück. Das Dorf war so dunkel, dass wir kaum den Gehsteig erkennen konnten. Der entpuppte sich zusehends als Stolperfalle. immerhin schafften wir es nach einigen Minuten die Kneipe zu erreichen.
Kaum hatten wir die schwere Eichen-Eingangstür geöffnet, schwappte ein Mief aus Bierdunst, Zigarettenqualm und Haschischwaber in die Nase. Das sollte also das berühmt berüchtigte " Kanbach " sein?

Uns zeigte sich eher eine piefig, muffige Pinte aus den 60er Jahren mit einer entsprechend spießigen Einrichtung. Was hieran so besonders sein sollte, verschloss sich uns zunächst. Einzig die dort gespielte Musik ließ uns aufhorchen. Es drangen krachende Rocktöne durch das Gedränge von Menschenleibern, die Unterhaltungen der vielen jungen Menschen und den Lärm der klirrenden Biergläser, Bierflaschen hinter der Theke sowie aus dem rechts daneben eingerichteten Raum mit Kicker und Billardtisch.

Nach wenigen Minuten entschlossen wir uns wieder zu gehen:
Zu voll, zu laut, zu stinkig. Nur weg!

So zeigte sich die erste Stippvisite bei " Kanbach " als der große Reinfall.

Es dauerte mehr als ein Jahr, ehe ich wieder nach " Kanbach " fuhr. Dieses Mal war meine damalige Freundin Monika Schwenker sowie zwei Bekannte von ihr
mit von der Partie. Es mag sein, dass es da schon etwas leerer war, dennoch fanden die drei Frauen den Laden nicht besonders prickelnd.

Ich beendete den Kriegsdienst und begann am 02.01.1974 zunächst für knapp vier Monate meinen Job in meinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb, der Hermann Altenburg KG in Bückeburg. Ab Mitte Dezember 1973 beschloss ich, bis auf weiteres einen Frisör zu meiden. Die Haare wuchsen langsam aber stetig und bald lagen sie bereits über den Ohren. Irgendwann im Januar meldete ich mich für die Berufsaufbauschule in Stadthagen an und kündigte bei Altenburg. Inzwischen war auch die Liaison mit Monika zu Ende. Ich hatte mich zwischenzeitlich bei einer vier Jahre jüngeren Auszubildenden versucht, deren geistiger Horizont jedoch über Popmusik von " The Sweet " nicht hinaus ging und die - weil sie noch zu Hause wohnte - bereits ab 21.00 Uhr zurück sein musste. Diese Liebelei brachte nichts und schon bald begehrte ich eine ältere Kollegin, die ebenfalls als befristet Arbeitende bei Altenburg war.
Ich kann mich nicht mehr an ihren gesamten Namen erinnern, nur so viel, dass sie Brigitte hieß und sich verniedlichend " Gitti " nennen lassen wollte.

Nun " Gitti " war flippiger, als das vorherige Mäuschen Helma E. aus Ahnsen. Ihre Art war eben mehr nach meinem Geschmack. So war es alsbald klar, dass wir nach " Kanbach " fahren. Es geschah dann ab Frühjahr 1974 regelmässig.

Alsbald wurde " Kanbach " für mich zur Dauereinrichtung meiner Freizeitgestaltung. Der sich verändernde Freundeskreis tat ein übriges dazu. Musik, LPs und diverse Trinkgelage bestimmten den Inhalt der Jahre von 1974 bis 1976. Bei " Kanbach " wurde zum Teil jene Musik gespielt, die ich ständig im " Beatkeller " des elterlichen Hauses selbst hören konnte. Über meine eigne Musikanlage, bestehend aus zwei Plattenspielern, einem Mischpult, einem Verstärker 2 x 50 Watt, zwei " Neckermann " Duo-Reflexboxen a'100 Watt und einer selbst installierten Lichtanlage. Hierauf war ich unendlich stolz, weil ich einige Geräte teilweise in Eigenarbeit gebaut und zudem aus eigenen Geldmitteln erworben hatte.

Da spielten dann über viele Jahre Rockstücke, wie " All in your mind " von " Stray ", " Evening over the rooftops " von der " Edgar Broughton Band ", " Alabama medley " von " The Doors ", " Los Angeles " von " Colosseum " oder " Song of marching children " von " Earth & Fire " eine gewichtige Rolle.
Viele Songs, die der Disc-Jockey bei " Kanbach " immer wieder auflegte, habe ich mir allerdings erst in den Jahren danach zugelegt:
" Just a poke " von " Sweat Smoke ", " White bird " von der Formation " Itś A Beauthiful Day ", " Borderline " mit der Gruppe " Greatest Show On Earth " waren nur einige Stücke aus jener Zeit.

Die Geschäftsidee der Familie um den Senior Wilhelm " Willi " Kanbach war einst simpel: Ein herunter gekommener Dorfgasthof wurde schnell mit jungen, kontaktfreudigen Menschen voll gepfercht, indem dort neben populärer Musik, bezahlbare Getränkepreise verlangt wurden und ansonsten - bis auf Schlägereien - fast Alles erlaubt war, was Freude bringt. " Kanbach " wäre nie Kult geworden,hätte hierbei die Gastronomenfamilie in den Bestzeiten nicht mit allen Familienangehörigen mit geholfen. Oft tagte die Meute bis in den frühen Morgen. Ich hatte eine Phase, in der ich erst ab Mitternacht dort aufkreuzte und gegen 4.30 Uhr nach Hause fuhr.

Im Sommer, in den lauen Nächten, wenn es draußen noch über 20° Grad warm war, saßen wir oft mit einer " Pulle " " Einbecker Bier " auf der Mauer vor dem Gasthof und faselten dummes Zeug. Jagten dabei unerfüllten Träumen von fremden Ländern, vom Auswandern und einem zukünftigen leichteren Leben hinterher.
Jene Traumtänzereien wurden oft verbunden mit der Suche nach einer passenden Partnerin. Gefunden habe ich eine solche damals nicht. Die Frauen vom Dorf, jene Landeier und eher einfach Gestrickte waren mir eher zuwider, als ich sie hätte " anbaggern " mögen. " Kanbach " war ebenso für sie eine Art Durchgangsstation im eigenen Leben. Ein kleiner Haltepunkt des eigenen "Milchkannen-Expresses ", der sich auf der Fahrt zu anderen Lebenszielen befand.

Ich hatte mir schon damals fest vorgenommen, aus der Einöde, der Pampa, der Wallachei abzuhauen. Ich wollte zum Studium in die Großstadt, dort, wo das Leben pulsiert, wo ich keine großen Strecken zum nächsten Kulturereignis zu fahren hatte. Dabei empfand ich eine feste Beziehung als nur hinderlich, ja sogar lästig,denn auch Familie machen wollte ich nicht. Dazu reichte mir mein eigenes familiäres Umfeld mehr als aus. In jener Zeit war Familie gründen zudem eher spießig. Ebenso eine Freundin, die Familienanschluss pflegte. Nicht mit mir!

Nun, " Kanbach " lutschte sich nach dem Beginn meines Studiums in Wilhelmshaven langsam aber sicher aus. Oft besuchte ich mit einem Studienkollegen, der in Stadthagen wohnte und Manfred " Manni " Klose hieß, auf der Rück - oder Hinfahrt vom Studienort das Lokal " Kanbach " für einige Stunden, ehe wir uns dann kurz vor Mitternacht auf die beschwerliche Fahrt machten. Schon dabei zeigte sich,dass die große Boomzeit der " Kneipe mit Musik " vorbei war. Sicherlich war nicht zu erwarten,dass an einem Sonntagabend die Provinz-Gaststätten brechend voll waren, weil der Familientag einerseits sowie der bevor stehende Montag als Arbeitstag andererseits viele Stammgäste davon abhielt, die Pinte aufzusuchen,dennoch herrschte jetzt oft gähnende Leere in den Räumen.

Auch der Samstag, an dem ich mich bei Familienheimfahrten von Wilhelmshaven aus, dann noch bei " Kanbach " mit einigen wenigen Bekannten traf,zeigte mir eben jene Entwicklung,die eindeutig dahin gehend zu deuten war, das die Zeit von " Kanbach " endlich sein wird.

Als ich Ende des Jahres 1976 in Wilhelmshaven dann meine erste feste Freundin kennen lernte, erlosch das Interesse an " Kanbach " ohnehin. Ich konzentrierte meine Freizeitaktivitäten auf den Besuch von Einrichtungen in Wilhelmshaven. Ich wurde zum regelmäßigen Besucher des " Qoud Libet ", des Kommunikations- - und Freizeitzentrums " Pumpwerk und der Diskothek am " Zeteler Urwald ".
Hier wurde bessere Musik gespielt, die Einrichtungen waren freundlicher und gemütlicher und es liefen dort auch bessere Frauen herum.

Mein Freundeskreis veränderte sich schon bald und auch deshalb fand Freizeit in Wilhelmshaven statt. Da ich zudem auch mit meinem R 4 eben motorisiert war, stellten Fahrten nach Oldenburg oder Bremen kein großes Problem dar.

" Kanbach ", " Die Kneipe mit Musik " existierte für mich nur noch am Rande. Dieses verstärkte sich dann noch, als ich im Herbst 1978 mein BWL-Studium in Bremen fort setzte. Jetzt war ich in einer wirklichen Metropole. Hier pulsierte das wahre Leben. Hier gab es viele junge Leute, die ich als Meinesgleichen identifizieren konnte. Zudem war ein riesiges Freizeitangebot vorhanden. Ob nun das " Maschinenhaus ", das " Why Not " oder " Die Lila Eule " im Viertel, " Der Schuster " oder andere typische Studentenkneipen sowie später das " Aladin " in Bremen-Hemelingen, sie alle waren jetzt auf meinen Besuchsplänen. Warum also noch " Kanbach "?

Zum Ende der 70er Jahre schwappte dann die Punk -, Disko - und Neue Deutsche Welle über die BRD. Es entstanden Treffs, Szene-Kneipen und Musiktempel in denen sich das jeweils dazu zugehörige Volk tummeln konnte. Spät-Hippies, Gammler und Langhaarige zogen den Rückzug an. Ihre Zeit schien vorbei zu sein. Statt ihrer zeigten sich nun andere Gruppen in der Öffentlichkeit. Neben den Punks, deren gefärbte Hahnenkämme schon Kilometer weit zu sehen waren, deren Nieten beschlagen Kleidung nicht nur zerrissen war und deren Gesicht mit Sicherheitsnadeln verunstaltet wurde,gab es die Diskogänger-Fraktion, die sich durch gegeltes Pomadehaar, affektiertes Auftreten und Getanze zu wummernden Elektrorhythmen in durch gestylten Blechschuppen oder Fabrik ähnlichen Großräumen bei unerträglicher Lautstärke hervor taten. Eine besondere Spezies nannte sich " Popper ". Ein Haufen von schnieken, gestriegelten und aal-glatten Vollpfosten, die - zumal häufig aus gutem und/ oder reichem Hause - der übrigen Bevölkerung zu zeigen versuchte,was diese in ihren Augen wert waren, nämlich nichts. " Popper " waren einst an ihren rechtsseitig bis in das rechte Auge hinein gekämmte Glatthaarfrisur zu erkennen, fuhren VW-Golf oder die teure Karre des Vaters und tranken Mix-Gesöff aus diversen Fruchtsäften von Granini. Arschlöcher im Quadrat eben!

Der typische " Popper " war a-politisch, weil die meist aus der Mittel- bis Oberschicht stammenden Anhänger (Jahrgänge 1962 bis 1966) sich bewusst konformistisch und unpolitisch gaben . Sie zelebrierten demonstrativ den Konsum, aus Überdruss an und aus Protest gegen die vorangegangenen und vorhandenen konsumkritischen Jugendkulturen („Rebellion gegen die Rebellion”). Sie ist in der Art als Subkultur vergleichbar mit den Teddy Boys in den 1960ern.

Arschkrampen eben!

Später entwickelte sich mit den so genannten " Skinheads " eine weitere Protestbewegung, deren Anhänger den Intelligenzquotienten einer Amöbe hatte. Meistens standen die " Glatzköpfe " einer rechtsradikalen, anti-ausländer orientierten und sich militant gebärdenden Lebenseinstellung nahe.

Gleichzeitig entwickelte sich ab den frühen 80er Jahre eine Musikkultur, die mit deutschen Texten und simplen Rhythmen als " NDW " in die Annalen eingegangen ist.
" Nena ", " Trio ", " Ideal " & Konsorten mischten die Hitparaden und die Musikszene auf.

Ich bin mir nicht sicher, ob bei " Kanbach " dieses Gedudele je auf den Plattentellern lag. Fakt ist jedenfalls: Es war nicht meine Musik, es waren nicht meine Kulturgruppen, ich war inzwischen älter geworden und hatte völlig andere Interessen.

Nachdem die Reminiszenzen aus den frühen wilden Jahren abgearbeitet sind, stellte sich für mich die Frage,ob es die selbst ernannte " Kneipe mit Musik "
überhaupt noch gibt. Auf die so spannende Frage gab das Internet mir eine Antwort, die lautet:  Ja!

MÜNCHEHAGENER HOF KANBACH

D-31547 REHBURG-LOCCUM, HAUPTSTR. 7
Kanbach Münchehagen, Kneipe mit Musik, Für Leute mit guter Laune, die gute Musik mögen
Restaurant, DISCO, Steinhuder Meer, Gaststätte, Gaststätten, PARTY, EVENTS, Kneipe, Restaurants, Rehburg Loccum, DJS, LIVEMUSIK, Musikkneipe, MÜ...

Na,denn, vielleicht auf ein Wiedersehen der Eisgrauen?

Kommentare

novellen hat gesagt…
Moin Moin Lobster,

bei der Recherche mit dem Ziel, mehr über Wilhelmshaven aus dem Jahr 1972 zu erfahren, fand ich deinen Blogeintrag. Kannst du dich noch an das Blue Note, das Quodlibet und an andere "freundliche" Orte erinnern?

Der Zyklus, an dem ich aktuell schreibe, heißt ANDROS MAULWURF und verbindet eines Liebesgeschichte und Musik der Woodstockgeneration mit einem Blick auf eine gesellschaftliche Wirklichkeit, die nicht auf das Wohlwollen der Menschen gerichtet ist. Im Mittelpunkt steht das Leben von 1971 und 1972 in Jever, Wilhelmshaven und Wittmund.

Wenn du Lust hast, schau doch mal auf androsmaulwurf.wordpress.com vorbei. Ich würde mich auf ein paar Hinweise über deinen Alltag in Wilhelmshaven freuen.

Liebe Grüße
Burcado

PS
Von 1977 bis 1998 habe ich in Bremen gelebt - und war gerne in der EULE, beispielsweise.
Swerd-News hat gesagt…
Abgehoben und an der Realität vorbei, wenn so wie Sie, die Zeit der 70er Jahre und der Zeit des Suchtmitteleinstiegs, bei Ihnen einen romantischen Anstrich bekommt. Das ist traurig aber nicht cool. Zumal sehr viele Menschen aus dem Quodlibet der 70er Jahre schon lange verstorben sind.

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