Brandenburg-Krauses Kur, das Dübener-Ei und die Ostsee.



Auch 21 Jahre nach der Wende und 20 Jahre nach der bundesdeutschen Wiedervereinigung gibt es für den gemeinen Wossi immer noch einige Dinge,deren Existenz ihm bislang im Verborgenen geblieben sind.
Um jene gesamtdeutschen Bildungslücken zu schließen, kann sich der Interessent durchaus des Mediums Fernsehen bedienen.
Eine wahre Fundgrube für das Sammeln von unbekannten Begriffen bietet dem Betrachter das III.Programm des RBB. Nicht nur dass - wie es auch der MDR vor exerziert - eine riesige Menge an "ollen  " DDR-DFF-Kamellen gesendet werden, aus denen so allerlei Seltsames, Kurioses und Eigentümliches hervor geht, nein, auch die Akteure sind schon manchmal recht schrullig.

Zu den Protagonisten aus der Verzahnung von DDR-Nostalgie und Jetztzeit gehört ohne Zweifel Horst Krause. Der sich in den Jahren nach 1990 als Polizeihauptmeister Krause in dem brandenburger Ermittlerteam der ARD-Serie " Polizeiruf 110 " einen Namen gemacht hat. Aber der 1941 in Westpreußen geboren Horst Krause ist nicht nur der PHM Horst Krause aus Brandenburg. Er ist vor allem auch eine exzellenter Charakterdarsteller. Kein spektakulärer Schauspieler,der mit Glanz und Gloria in den Rollen zu sehen ist. Er ist eher dem Genre " mit leisen Tönen " oder sogar mit " deutlichen Untertönen " zuzuordnen.
Wenn ein einstiger DDR-Schauspieler die Provinz spielen soll, wie sie sich in den Neuen Bundesländern zwischen Rostock, Greifswald und Schwerin,zwischen Prenzlau,Frankfurt/Oder und Cottbus, zwischen Görlitz,Plauen und Zwickau,zwischen Gera, Eisenach und Nordhausen,zwischen Halberstadt,Stendal und Wittenberg abspielt,dann kommt ein Regisseur kaum an Horst Krause vorbei. 

"Hotti", wie er liebevoll benannt wird, ist ein Unikum. Er ist der Geist der untergegangenen DDR, ohne ihn jedoch in seinen Rollen wieder aus der verkorkten Nostalgie-Flasche heraus zu lassen.Horst Krause spielt nicht nur "Hotti" Krause in der DDR,; er spielt den Krause in den Neuen  Bundesländern,er stellt "Hotti" als den Ur-Brandenburger dar.

So auch in dem Fernsehfilm "Krauses Kur " aus dem Jahr 2009. Dieser Film wurde aber nicht nur in Brandenburg abgedreht, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern. Für den Gesamtdeutschen eben keine so genannte " Erste Adressen ".  Die Drehorte waren:
Ahlbeck, Usedom, Mecklenburg-Western Pomerania, Deutschland
Bansin, Usedom, Mecklenburg-Western Pomerania, Deutschland
Darß, Mecklenburg-Western Pomerania, Deutschland
Gröben, Ludwigsfelde, Brandenburg, Deutschland
Schönhorst, Brandenburg, Deutschland
Usedom, Mecklenburg-Western Pomerania, Deutschland
Ückeritz, Usedom, Mecklenburg-Western Pomerania, Deutschland

Tja, und da hat der Westdeutsche bereits nicht unerhebliche Probleme diese Orte überhaupt einzuordnen. Bei der Insel Usedom mag es gerade noch so schleichen, weil so mancher Bazi, so mancher Hesse oder Westfale die Insel schon während eines Inlandsurlaubs kennen gelernt haben könnte. Bei der weiteren Insel Darß an der Ostsee wird es bereits kriminell. Fragende und ungläubige Gesichter gibt es aber mit Sicherheit bei den Orten Schönhorst,Gröben und Ludwigsfelde in Brandenburg. "Nie gehört! ", wird die Standardantwort dann lauten.

Nun, der Mensch ist eine lernfähige Einheit. Auch der BRDler und der Bazi vielleicht auch.
Es wäre doch gelacht,wenn auf der Deutschlandkarte diese Drehorte nicht zu finden sind. Mit dem Finger auf der Landkarte, so heißt ein Kalauer aus den Gründungsjahren der BRD,der dann gestartet wurde, wenn sich ein Aufschneider besonders dicke tun wollte und angab, er sei bereits im Land X,in der Stadt Y oder auf der Insel Z gewesen.
Inzwischen gibt es die entlegensten Ort auf dieser Welt per Mausklick anzusehen. Die Medien produzieren in ihren Berichten unzählige Eindrücke aus vielen Ländern dieser Erde. Die Feuilletons der Print-Medien sind voll gestopft mit Bildern über Dörfer, Klein - und Großstädte rund um den Globus.
Da erscheint es völlig unerheblich,ob nun ein Film über die Pampa der Ost - Bundesländer ausgestrahlt wird oder nicht.

Und dennoch gibt der Fernsehfilm " Krauses Kur " viele neue Aspekte in dem routinemäßigen Alltagsverlauf nach der deutsch-deutschen Zwangsehe wieder,die einem "Wossi" nicht geläufig sind.
Die Storie,das Drehbuch und die Handlungsstränge sind eher simpel. Sie werden nicht durch sinnlose Überlagerungen von Abläufen verkompliziert. Deshalb kann sich der Rezipient auf das Wesentliche konzentrieren,das da heißt: Mensch bleiben!
In der veröffentlichten Inhaltsangabe zu diesem Film steht zu lesen:

" Nach einem Schwächeanfall muss der brandenburgische Polizeihauptmeister Krause zur Kur an die Ostsee. Seine Schwestern begleiten ihn. Gemeinsam machen sie sich mit dem guten alten Campinganhänger Marke "Dübener Ei" auf die Reise.

Schönhorst in Brandenburg: An einem Sommerabend spielt der Kreislauf des braven Dorfpolizisten Krause plötzlich verrückt. Seine Hausärztin verordnet ihm umgehend eine Kur an der Ostsee. Weil aber ohne seine Schwestern Elsa und Meta nichts geht und ein Ostsee-Quartier für drei Wochen in der Hauptsaison schlichtweg zu teuer ist, machen sie sich gemeinsam mit dem guten, alten Campinganhänger Marke "Dübener Ei" auf die Reise - Krause fährt in die Klinik, seine Schwestern übernachten auf dem Zeltplatz. Um den Gasthof von Krause und seine Schwestern kümmert sich derweil Nachbar Gänse-Schlunzke. Schnell muss Krause feststellen, dass eine Kur durchaus ihre Tücken haben kann. Weder der magere Speiseplan noch das ausgiebige, tägliche Bewegungsprogramm sagen ihm zu. Mit seinem Zimmernachbarn Rudi kommt er aus. Aber der kleine Mitpatient Jonas Schimmelpfennig, der ständig mit seinem Vater prahlt, nervt ihn. Als er Krause erzählt, dass sein Vater das Nachbargrundstück samt Zeltplatz, auf dem Krause mit seinen Schwestern immer die Ferien verbracht hat, kaufen und gewinnträchtig vermarkten will, ist er fassungslos. Er hat genug von der Kur und verlässt die Klinik. Zufällig trifft er auf Schimmelpfennig. Schnell durchschaut Krause, dass der nur den großen Immobilienhai vorgibt, um seinem Sohn zu imponieren. Krause redet ihm mächtig ins Gewissen. Als Schimmelpfennig seinem Sohn wenig später die Wahrheit sagt, stürzt für den Jungen eine Welt ein. Er wird von einem dramatischen Asthmaanfall geschüttelt. Angesichts dieser Turbulenzen erscheinen Krause die eigenen Probleme mit der Kur und dem Personal mehr als absurd. Dann verschwindet auch noch seine Schwester Meta für eine ganze Nacht. Das gab es noch nie. Krauses Kurerfolg ist ernsthaft in Gefahr.

Nach dem ebenfalls von Bernd Böhlich 2007 gedrehten Erfolg "Krauses Fest" folgt nun "Krauses Kur": eine weitere Geschichte mit dem aus dem rbb-"Polizeiruf 110" bekannten Polizeihauptmeister Krause und seinen Schwestern Elsa und Meta, die im idyllischen Schönhorst in Brandenburg den Gasthof ihrer Eltern weiterführen. Hierin spielen:

Polizeihauptmeister Horst Krause: Horst Krause
Elsa Krause: Carmen-Maja Antoni
Meta Krause: Angelika Böttiger
Rudi Weisglut: Tilo Prückner
Schwester Ilse: Irm Herrmann
Michael Schimmelpfennig: Alexander Beyer
Dr. Jessen: Fritzi Haberlandt
Gänse-Schlunzke: Andreas Schmidt

Musik: Tamás Kahane
Kamera: Thomas Plenert
Drehbuch: Bernd Böhlich
Regie: Bernd Böhlich. "

Die wunderbaren Einstellungen in dem Fernsehfilm bringen dem TV-Seher die Natur der Ostsee,besser noch: des östlichen Teils der bundesdeutschen Ostsee direkt in das Fernsehzimmer. Neben den typischen Sommersonnenuntergängen, den Strandszenen und dem eigenen Flair der auslaufenden Hochsaison,kommen eben auch die regionalen Gegebenheiten nicht zu kurz. In Form der eingesprenkelten Impressionen jenes Ostseeabschnitts, das zu Vorwendezeiten, also während der Existenz des anderen deutschen Staates,für viele Urlauber -mangels Alternativen-ein Muß war. Während dem "Wessi" dieser absolut sehenswerte Ausschnitt Deutschlands bis vor November 1989 meist vorenthalten wurde,drängten sich zuvor ungezählte Menschenmassen während der Zeiten der Großen Ferien dicht an dicht auf den vorgeschriebenen Zeltplätzen.
Ob nun in eben jenen standardisierten beweglichen Unterkünften, in Hotels oder in Wohnwagen. Hier steppte für einige Wochen der Bär.

Tja, und dank der Eingesperrten in dem zweiten Käfig der Marke Deutschland wurde viel improvisiert,wenn es um den Erhalt winziger individueller Freiheiten ging. Der Urlaub gehörte dazu. Die Werktätigen in dem damaligen Arbeiter - und Bauernstaat hatten sich in wohl verdient. Auch wenn er nicht mit jenen Luxus des Westens zu vergleichen war, so bedeutete der temporäre Abschied aus dem tristen Grau des DDR-Alltags für jeden Bürger schon etwas Besonderes. Wenn die Karawanen auf den holprigen Straßen in Richtung Ostsee zogen,dann konnten die Erholungssuchenden ein Gefährt sehen,das die Form eines geteilten Eies zeigte. Ergo hieß dieser Wohnwagen dann auch "  Dübener-Ei ". Nun,dem nachfragenden "Wossi" kann hierzu gesagt werden:

" Die Geschichte des Volks-Ei´s begann 1936 in Bad Düben (Sachsen) und ging mit der letzten Auslieferung 1990 zu Ende. Der Konstrukteur Max Würdig schuf mit dieser aerodynamischen Form eine bleibende Silhouette für die nächsten fünfzig Jahre. Als Würdig mit seiner Freundin wegen des fehlenden Trauscheins kein Nachtquartier in einem Gasthof erhielt, kam ihm die Idee für ein unabhängiges Reisezuhause, um künftig nicht mehr auf die
unsichere Gastfreundschaft Dritter angewiesen zu sein.
Die Beliebtheit des kleinen und leichten Wohnwagens stieg schnell an und so kam es in den Dreißiger-Jahren bald zu einer geringfügigen Serienproduktion die zum zweiten Weltkrieg vollständig zum erliegen kam. Ende der 50er-Jahre übernahm Max Würdigs Sohn, Karl-Bernhard Würdig, den Betrieb. "


-  Zitatende - aus: WIKIPEDIA " Dübener Ei "

Später, nämlich nach der Gründung der DDR wurde "das Dübener-Ei" durch den VEB Campingwohnwagen, Bad Düben weiter geführt.
Die produzierte Stückzahl pro Jahr blieb überschaubar,denn es handelte sich sowohl um ein Luxusprodukt, als auch um ein - aus ideologischen Motiven heraus -staatlicherseits nicht gefördertes Transportmittel.
Aus diesem Restbestand wurde eben ein solches Gefährt mittels des von PHW Krause bekannten Motorrads in Richtung Ostsee gezogen. Ein Schmunzelstück,zumal diese Art von Fortbewegung wohl kaum der StVO entspricht. Ein staunender, ja fassungsloser Kollege im Dienst drückt dennoch beide Augen zu und lässt Krause weiter zuckeln. Im Film ist eben so einiges an Absonderlichkeiten erlaubt. Krause gelangt zusammen mit seinen beiden Schwestern, deren Herkunft sich bereits an der Kleidung ausmachen lässt, auf den Darß. Ein drei-wöchiger Aufenthalt beginnt und endet mit der banalen Erkenntnis,dass Geld eben nicht Alles im Leben sein muss. Zwischendurch müht sich Krause um seine angeschlagene Gesundheit, die beiden Schwestern blühen trotz ihrer mehr als nur einfachen Herkunft richtig auf, es werden Freundschaften geschlossen und die zwischenmenschlichen Bereiche können auf bedient werden.

Zum Schluss gibt es eben jenes sattsam bekannte Friede - Freude - Eierkuchengemisch, was sich keineswegs negativ auf die Qualität der Handlung auswirkt,denn dank ihrer leisen Zwischentöne kommt der TV-Zuschauer ohne weitere Umschweife zu der erhellenden Erkenntnis, dass - zumindest im cineastischen Umfeld - doch so Manches zusammen gewachsen ist,was zusammen gehört.





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