Toni, was machst Du denn hier?


Nun rollt seit Freitagabend der Fußball mit allen Vereinen aus den drei Profiligen und den sich qualifizierten so genannten Amateurclubs aus diversen Landesspielklassen. Es gab auch schon im angelaufenen DFB-Pokal die ersten Überraschungen.
Auch wenn so mancher Fußballfan die Zeit nach der WM als überaus erholsam empfand: die nächste Spielzeit kommt bestimmt,das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche.

Jetzt rollt der Ball in Form der vermarktungsträchtigen WM-Kugel wieder nach Plan.Zuvor aber wurde - wie üblich medial ausgeweidet - der Transfermarkt beschäftigt. Was da nicht so Alles an Namen durch die Nachrichten geprügelt wurde! Neben - als üblicher Weise spektakulär titulierten - Einkäufen,gab es auch eben solche Abgänge. Zuletzt sorgte mein Leib - und Magen -Klub, der SV Werder Bremen für Schlagzeilen. Der Abgang des Nationalspielers und Ex-SVW-Mittelfeldakteurs Mesut Özil zu dem " Überverein " Real Madrid. Was die Bremer Spatzen schon längst von den Dächern pfiffen, wurde am Abend vor dem erfolgreich ablaufenden CL-Qualifikationsspiel gegen die italienische Mannschaft von Samptoria Genua amtlich besiegelt: Mesut geht für angeblich 17 Millionen zu den " Königlichen " in die Spanische Landeshauptstadt.

Während der Medienzirkus noch Tage danach über die steile Karriere des einst von Schalke 04 an die Weser gekommenen und als " Stinkstiefel " geführten Spielers sinnieren,geht bei dem letzten Brötchengeber des " Supertalents " das Alltagsgeschäft weiter. Warum sollte es auch anders sein? Seit dem ich glühender Anhänger des SV Werder Bremen bin und das sind mittlerweile 32 Jahre, habe ich viele gute, sehr gute und einzig artige Akteure dort kommen und gehen gesehen. Diese Ex-Werderaner spielen schon längst keinen aktiven Fußball mehr. Sie haben sich eine Existenz nach ihrer fußballerischen Laufbahn aufgebaut. Einige sind Trainer geworden( Norbert Meier, Benno Möhlmann, Mario Basler zum Beispiel )oder zeigen sich direkt oder indirekt mit dem beruflichen Leben dem Fußball weiterhin verbunden. Andere wiederum haben sich dem Fußball völlig abgewandt und gehen einem Beruf nach, der damit rein gar nichts zu tun hat.

Dann gibt es noch eine dritte Kategorie von Ex-Profis. Es sind jene, die letztendlich nach dem Beruf als Professional, der glänzenden Einkünften aus jenem Job und der temporären sowie permanenten Beleuchtung ihrer Person durch die Medien und Öffentlichkeit de facto gescheitert sind. Erwin Kostedde, einst Profi,wenn auch schon leicht gealtert,beim SVW, der unter " König Otto I zu Bremen " zu der Mannschaft gehörte,die den sofortigen Wiederaufstieg schaffte,gehört hierzu. Er kam mit der Justiz in Konflikt und verschwand sang - und klanglos in der Versenkung. Uli Borowka, damals mit Otto Rehhagel zum BL-Meister avanciert,dann für einige Zeit als Nationalspieler bei Berti Vogts im Kader,eckte privat an, hatte in diesem Zusammenhang mit der Volksdroge Alkohol zu kämpfen,verschwand aus dem Werder-Kader und spielte in den Endneunzigern in einem polnischen Provinzverein für ein Trinkgeld.
Auch er verschwand nahezu nahtlos von der Bildfläche des Fußball-Zirkus.
Ein dritter Aktiver,den ich über Jahre bei den Grün-Weißen habe spielen sehen,ist Uwe Reinders. Damals die "Rakete " auf Rechtsaußen beim SVW. Wenn er bei einem Konter los zog, bleib dem Gegenspieler nur noch die Ansicht seiner hacke. es folgte eine messerscharfe Flanke in den Strafraum und meistens der Treffer für die bereits aufgesprungenen Zuschauer. Reinders war ebenfalls Nationalspieler,verdiente - für die damaligen Verhältnisse - glänzend, rauchte, soff und spielte. Der Ruin stand ihm alsbald in sein immer schelmisch blickendes Gesicht.
Uwe Reinders musste seine Spielschulden bezahlen. Wurde kurz nach dem seine prekäre Privatsituation in die Öffentlichkeit gelangte vom SVW verkauft und spielte einige Zeit in der französichen Liga bei Girondins Bordeaux als Profi. Mit Erfolg sogar.Uwe absolvierte die DFB-Trainerschule und hatte ab den 90er Jahren Anstellungen bei verschiedenen Vereinen, so u.a. auch bei Hansa Rostock. Jahre später war auch er aus dem Focus der Medien entschwunden.

Obwohl es nur einige, wenige Beispiele dafür sind,wie rasant der Aufstieg, aber auch der Fall in dem Zirkus Profi-Fußball sein kann,scheint der Abschreckungseffekt nicht unbedingt groß zu sein. Es gibt genügend Nachwuchsspieler,die von einer steilen Karriere träumen und sich deshalb tagtäglich dafür knechten lassen. Den Sprung nach ganz oben schaffen indes wenige unter ihnen. Die Konkurrenz ist enorm. Der Verdrängungsdruck innerhalb des Kaders ist hoch. Der Umgang miteinander oft gnadenlos.

Seit vielen Jahren drängen sich viele - oft sehr talentierte - Spieler aus dem Ausland auf den BL-Markt. Eine große Gruppe unter diesen Aspiranten stellen die Brasilianer dar. Sie sind häufig nicht zu teuer,weil deren einheimische Vereine nicht über jene Finanzmittel verfügen,wie jene in Europa. Als quasi Rohdiamant eingekauft,werden jene Spieler dann geformt und zudem als Persönlichkeiten entwickelt. es haben in den letzten Jahrzehnten Weltklassespieler in der Bundesliga ihre Visitenkarte hinter lassen. Viele Namen, viel Spektakuläres,viel Erfolg für die Vereine, bei denen sie unter Vertrag standen,waren die Folgen aus deren Verpflichtungen.

Zu jenen Spielern gehört " Toni " Ailton.

Einst unter Trainer Felix Magath für ein Schnäppchen von 2,75 Millionen Deutschmark von UANL Tigres kommend an die Weser verpflichtet, schien er lange zum Fehleinkauf zu avancieren. Nachdem Thomas Schaaf das Trainerzepter übernahm,gelang es Goncalves da Silva,sich zum Stammspieler zu mausern,zum besten Konterspieler der Bundesliga heran zu reifen und mit dem SVW die Meisterschaft 2004 zu erlangen. " Toni " war einst Kult in Bremen. Die Fans liebten ihn und skandierten: " Aaaaaaiiiiiiltooooon,ooooohoooooo! ".
Dann kam Assauer aus Schalke, der selbstdarstellende Manager, hans Dampf in allen Gelsenkirchener Gassen, Bierwerber und kaufte den " Toni " aus dem Meisterkader zusammen mit Mladen Kristaic heraus. Schalke löhnte viel Geld, blätterte jede Menge Euronen auf den Tisch, verschuldete sich dabei bis zur Oberkante Unterlippe. "Toni " spielte dort erfolglos.
Nach nur einem jahr verschwand er in Richtung Türkei und versuchte sich bei dem Traditionsverein Besiktas Istanbul. Wieder ohne Erfolg!

Seien weiteren Stationen lesen sich wie eine unaufhaltsamer Abstieg in das fußballerische Nichts:


1993–1994
1994–1995
1995
1995
1996
1996–1997
1997–1998
1998–2004
2004–2005
2005–2006
2006
2006–2007
2007
2007–2008
2008
2008–2009
2009
2009
2010
2010–

Ypiranga FC (RS)
Mogi Mirim EC
Ypiranga FC (RS)
SC Internacional
Santa Cruz FC
Guarani FC
UANL Tigres
Werder Bremen
FC Schalke 04
Beşiktaş Istanbul
→ Hamburger SV (Leihe)
Roter Stern Belgrad
→ Grasshopper-Club Zürich (Leihe)
MSV Duisburg
Metalurh Donezk
→ SCR Altach (Leihe)
Campinense Clube
Chongqing Lifan
KFC Uerdingen 05
FC Oberneuland

Nun ist er - inzwischen 37jährig - in Bremen wieder angekommen,dort,wo er einst erfolgreich Fußball spielen durfte,weil sie ihn hier, beim SVW, so genommen haben, wie er nun einmal ist: Ein Fußballspieler mit einst glänzender Technik, einer enormen Schnelligkeit, aber keinen Anlagen zum Zweikampf. damals reichten diese Grundlagen,um sich nach vorne zu spielen. Heute nicht mehr,denn der Fußball hat sich, wie die Welt um ihn herum auch, radikal gewandelt.
" Toni ",selbst wenn er 15 Jahre jünger wäre, würde heute kaum eine Chance erhalten, in der BL spielen zu könen, geschweige denn dort zu bestehen.

Nun ist er wieder hier. Was macht er hier eigentlich? Nun, er versucht das weiter zu führen, wofür er einst gekauft wurde: Fußball zu spielen. Jedoch nicht in der BL, im DFB-Pokal oder sogar der CL,nein, in der Landesliga, der bremischen Landesliga,beim FC Oberneuland. Vor 50 bis 250 Zuschauern pro Heimspiel. Für ein Taschengeld von einst, keinen Ruhm und kaum Anerkennung.
"Mensch Toni,was machst Du denn schon hier? ", frozzelte einst ein Mitspieler der Meistermannschaft von 2004, als Ailton - entgegen der sonst üblichen Verhaltensweise,mindestens zwei bis drei Tage zu spät zum Trainingsauftakt zu erscheinen - 2004 bereits mit allen anderen Akteuren den Trainingsbeginn nach der Winterpause aufzunehmen.
" Toni " antwortete in seinem schlechten,aber mitleidig belächelten Deutsch:
" Deutsche Meista werde! "
Alles tobte und bog sich vor Lachen.

Nun, die Geschichte um unseren " Toni " nahm ein erfolgreiches Happy End.
Er schoss damals gegen unseren Erzrivalen, den allseits best gehassten FC Bayern München das 3:0 in der Höhle des Löwen und wurde 2 deutsche Meista "!
Das ist lange her. Heute, im Jahr 2010, als mehr als 6 Jahre danach, ist Ailton nur ein Schatten seiner selbst.
Deshalb muss die Frage gestattet sein:
" Toni, was machst Du denn hier ? "

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
der war doch öfter wegen "unbenehmens" in den schlagzeilen, als wegen seiner glanztaten...
ansonsten... gegen hoffenheim könnte was werden, viel glück. ;o)
Lobster53 hat gesagt…
Tja, leider hat es gestern bei den Hopp´schen Legionären nix zu Ernten gegeben. Dat war ne deftige Watschn. Hoffnung auf Besserung ist in Sicht: Gegen italienischen Vereine lief es international immer gut!
Octapolis hat gesagt…
Oh backe! Nach einem Tor noch vier kassieren ist schon derb. Auch noch wenn deine "speziellen" Freunde mal wieder in letzter Minute einen in drei Punkte verwandeln. Absteigen wird der SVW sicher nicht, dafür sind schließlich noch Truppen wie Köln, Freiburg oder Gladbach am Start.
Und die ruhmreiche SGD gewinnt 3:0, was sagt man dazu...

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