O,oh,oho, 0rosz! Wenn Realsatire,Kunstfreiheit und Provinzialismus aufeinander treffen.


Die sächsische Landeshauptstadt Dresden hat seit der Wende schon so vieles an Kuriositaeten erlebt. Ebenso viele Schildbürgerstreiche wie einmalige Ereignisse lassen sich nach dem Untergang des anderen deutschen Staates hier registrieren. Mit den Oberbürgermeistern allerdings hat Elbflorenz bislang kein Glück gehabt.
Der Nachwende OB Herbert Wagner war bis 2001 eher eine mausgraue Eminenz, der unter der Knute des Westimports und CDU Grande Kurt Biedenkopf litt, ehe der Letztere aufgrund der IKEA Verstrickung seinen Hut nehmen musste. Wagner wurde von dem noch konturloseren Ingolf Rossberg abgelöst. Rossberg, ein FDP Nachtschattengewächs brachte es immerhin auf 7 lange Amtsjahre, ehe er nach einem unendlichen Strafprozess vom Landgericht Dresden wegen Untreue pp. zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten auf Bewahrung verurteilt wurde. Allein die negativen Schlagzeilen des Rossberg Verfahrens haben dem Image der Stadt erheblichen Schaden zugefügt.

Als Landeshauptstadt verkam Dresden aber nicht nur durch und mit Rossberg zu einer reinen Lachnummer. Auch der Verkauf der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft an eine Heuschrecke für etwas mehr als 1 Milliarde Euro hat hohe Wellen geschlagen. Wenige Monate darauf entwickelte sich der Bau der so genannten Waldschloesschenbruecke zu einem kommunalpolitischen Super GAU. Die immer noch andauernden Querelen um dieses Projekt werfen ständige Schatten auf die Elbmetropole.

Als wenn dieses nicht genug wäre, setzte die aktuelle OBin Helma Orosz noch ein Sahnehäubchen auf den schwarzen Sachsen Kaffee auf.
Die Provinz - Schmonzette liest sich so.

" Jetzt hört der Spaß auf. Über das Gemälde „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“ von Erika Lust kann Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) keineswegs lachen. Darauf ist die CDU-Politikerin bis auf Strapse splitternackt vor der fertigen Waldschlösschenbrücke zu sehen. Die Oberbürgermeisterin der sich sonst so gerne als Kunststadt selbst stilisierenden Landeshauptstadt Dresden geht gegen die Darstellung juristisch vor.Sie verklagte die Dresdner Malerin beim Landgericht.
Es dürfte wohl in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland um den seltenen Versuch eines Stadtoberhauptes handeln, ein Werk der Bildenden Kunst mit Zensur zu bannen. Mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren will Helma Orosz die weitere Verbreitung des Kunstwerkes verbieten lassen. Sie beruft sich dabei auf die Verletzung ihrer Intimsphäre, da die Künstlerin sie praktisch nackt dargestellt hat, wenngleich auch unrealistisch. Außerdem fühle sie sich in ihrer Rolle als Frau und in ihrem Amt beschädigt. "

Zitatende

Nun durfte die gute Helma, sehr gut beraten von dem Medienanwalt Butz Peters, der vor ihr schon so manche Reiche, Schöne und Nackte gegen die Unbill der scharfen Waffe des Artikel 5 GG bewahren konnte, nicht unbedingt mit einem verbalen Rundumschlag der Zivilkammer des Landgerichts Dresden rechnen,wenn es darum ging, die tangierten Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen  Dass sie dennoch mit einem ersten Punktsieg den Sitzungssaal verlassen durfte, war allerdings eher dem Umstand geschuldet, dass die Damen und Herren Kollegen wohl aus Gründen der Prozessökonomie  sich für Helma entschieden hatten. Denn, wegen der Grundsätzlichkeit des Verfahrens, würde sowohl die Klägerin Orosz als auch die Malerin in die Berufung gehen..

Während sich die mit drei Berufsrichtern besetzte Zivilkammer des Landgerichts Dresden - wenn auch nur halbherzig - bemühten, das grelle Licht aus den Untiefen des Oroszśchen Falls von der Frau Oberbürgermeisterin zu nehmen, indem die Kammer die Kunst - und Meinungsfreiheit, wie sie in Art. 5 GG postuliert ist, als dem Persönlichkeitsrecht der sich in aller Öffentlichkeit - im wahrsten Sinne des Wortes - bloß gestellt fühlenden Helma Orosz unter geordnet zu qualifizieren versuchte, bellte die Medienmeute indes laut los. Was zuvor keinen müden Kater vor dem warmen Ofen im kalten November 2009 hervor zu locken schien, nämlich die entkleidete Helma, interessierte fortan jeden Hinz und Kunz.

Da froh lockte die "BLÖD"-Zeitung mit dem voyeuristischen Zusatz, dass wohl demnächst auch andere Politiker nackt gemalt werden könnten. Da schmunzelte die SZ, dass die unbekannte Dresdner OBin jetzt einen Popularitätsschub erhält, was wiederum mehr Touristen in die Landeshauptstadt brächte. Da lästerten die DNN, dass die alerin Lustig es jetzt mit dem Ernst des Lebens zu tun bekäme,weil Orosz sich persönlich angegriffen, verächtlich gemacht und in ihren intimsten Rechten verletzt worden sei.


Die Provinzposse nahm ihren unsäglich geraden Lauf und landete vor zwei Spruchkörpern, die die mit der juristischen Muttermilch eingesogene Rechtsgüterabwägung en detail betrieben und schließlich zu dem durchaus erhellenden Ergebnis kamen, dass Orosz' Privatsphäre nur in einem begrenzten Maße tangiert sei. Als so genannte absolute Person der Zeitgeschichte muss sie sich anderen rechtlichen Bewertungskriterien unterwerfen, als Lieschen Müller in der " Platte " im 6. Stock. Damit tritt auch das Persönlichkeitsrecht, ihre Privatsphäre in den Hintergrund, wenn sie sich in der öffentlichen Kritik befindet. Orosz ist seit knapp zwei Jahren in Amt und Würden. Da wird sie sicherlich bemerkt haben, dass das von ihr gut dotierte und geführte Amt nicht nur angenehme Seiten besitzt. Neben der sachlichen Kritik, ob nun berechtigt oder unberechtigt, muss sie sich auch mit öffentlichen Meinungen, Äußerungen und Behauptungen auseinandersetzen, die das Gebot der Sachlichkeit verlassen haben.


Wenn die Künstlerin Lustig sie nun nackt vor dem Aufbau der zukünftigen " Waldschlösschenbrücke " malt und dieses Werk in der Öffentlichkeit ausstellt, hat das Bild nicht nur einen realen Zeitbezug, sondern darüber hinaus einen kritischen Anspruch. Orosz ist in der Diskussion um jene Elbquerung auf die Seite der Befürworter gegangen. Sie hat damit durchaus eine eigene Meinung zu diesem Streitthema gezeigt. Damit muss sie sich eben auch mit entsprechender öffentlicher Kritik befassen.

Ob diese in der gezeigten Form dem von ihr vertretenen moralischen Ansprüchen genügt oder diesen eben - wie hier behauptet - zuwider läuft, bleib unerheblich. In dem Bereich des verfassungsmäßig geschützten Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I und 2 I GG spielt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel eine gewichtige Rolle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat hierzu eine Vielzahl von Leitlinien entwickelt, an denen sich das Spannungsverhältnis zwischen dem Bürger, der Person, dem Individuum und dem anderen Mitmenschen zu orientieren hat. Die Malerin Lustig hat jene Leitfäden beachtet, auch wenn es so manchem Außenstehenden ob der Frivolität des Gezeigten nicht immer passt.

Vor mehr als 4 Jahrzehnten musste sich das niederländische Staatsoberhaupt, die Königin Beatrix, damals noch Prinzessin der Niederlande, einer massiven öffentlichen Kritik, ob ihres staatlich alimentierten, opulenten Lebensstils gefallen lassen. Auf einem Plakat wurde auch sie nackt mit einer goldenen Krone in der rechten Hand als Bild bei einer Demonstration gezeigt. Beatrix hat sich souveräner aus der Bredouille lanciert, als Helma Orosz: Sie bekannte sich öffentlich dazu, dass der Maler tatsächlich der Realität sehr nahe gekommen war. Weder die niederländische Königin ist je eine Grazie gewesen, noch dürfte dieses auf die Dresdner OBin Orosz zutreffen. Gleichwohl hat Beatrix mehr Leichtigkeit des Seins gezeigt, die üppigeren Proportionen zu bieten und einen exponiertere Stellung als Helma Orosz.

So fragt sich denn der Otto Normalverbraucher was wohl gewesen wäre, wenn Orosz die juristisch kostspielige Suppe in Form der Prozesskosten von annähernd 10.000,-- € selbst auslöffeln müsste. Sprich: Die beiden Rechtsanwälte und die Gerichtskosten aus eigener Tasche hätte begleichen müssen. So lässt sich auch verbohrter Provinzialismus salonfähig machen, nämlich auf Kosten des Staates.

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