" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

Das eigene Leben spielt einem doch sehr oft einen Streich. Als ich vor einiger Zeit einen Eintrag über meine Erlebnisse im Jahr 1963 während des sechswöchigen Aufenthalts im einstigen AOK-Kindererholungsheim auf der ostfriesischen Insel Norderney in das World Wide Web stellte, war meine Intention eigentlich, mir den damaligen Schrecken aus der Erinnerung zu schreiben. Ein weiterer Grund lag darin, dass ich das Buch des " SPIEGEL " - Redakteurs Peter Wensierski gelesen hatte, der ja bekanntlich über die jetzt peu'a peu'zu Tage kommenden Missstände in den vielen Einrichtungen der Kirchen schreibt. Einen dritten Anlass sah ich darin, dass es den politisch Verantwortlichen immer noch nicht gelungen ist, die Zöglinge von einst für das erlittene Unrecht zu entschädigen. Ein Blogeintrag hat ja im Vergleich zu einem geschriebenen Buch, einen veröffentlichten Artikel oder einem Wortbeitrag in einer Radio - und Fernsehsendung den großen Vorteil, dass dieser für wohl ewige Zeiten für jeden Nutzer des Internet aufrufbar ist, sofern der Blogger seine Zeilen nicht selbst löscht. Unter Zuhilfenahme einer Suchmaschine und durch Eingabe bestimmter Begriffe, lässt sich das dann eingestellte Gedankengut relativ einfach finden. So hat es mich zwar zunächst ein wenig erstaunt, dass ich einige Monate nach Veröffentlichung jenes Artikels eine E-Mail erhielt, die mich an meinen - eigentlich schon fast vergessenen - Eintrag zu jedem Thema erinnerte. Andererseits ist dieses Thema aktueller denn je. Seit geraumer Zeit werden nämlich in den Medien die den beiden großen Konfessionen zuzuordnenden Einrichtungen, wie Kirchen und Schulen genauer unter die Lupe genommen. Es geht dabei um die Zeiträume, in denen die Abarten der Steinzeitpädagogik und der perfiden Doppelmoral der einstigen BRD-Gesellschaft zu Tage traten und die sich in Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch sowie Sadismus betrieben an Kinder oder Schutzbefohlenen wider spiegeln. In diese Ära des Miefs und Muffs, der von den Kirchen mit getragen und über die Adenauerśche pseudo-christliche Politik in sämtliche Nischen der Nachkriegsgesellschaft hinein gedrängt wurde, haben sich auch meine eigenen Erlebnisse während des Aufenthalts in dem so genannten " Kinder-Erholungsheim " der Allgemeinen Ortskrankenkasse Niedersachsen auf der ostfriesischen Inseln Norderney abgespielt. Ich war gerade 10 Jahre alt geworden und besuchte die 3. Klasse der Volksschule in Heeßen, als ich über den Hausarzt und die AOK Bückeburg / Stadthagen eine Kur verordnet bekam. Den Grund hierfür kann ich heute nur noch vage benennen. Ich war von Statur eher groß gewachsen, jedoch sehr dünn, hatte - wie andere Kinder aber auch - häufiger mit Erkältungskrankheiten zu kämpfen und musste einige Aufbaupräparate einnehmen. Diese sahen damals eher nach aus der Natur gewonnenen Mitteln aus, weil die Medizin und die Chemie noch in den Aufbauphasen steckten. Lebertran, Sanostol, ein angebliches Multivitamin-Konzentrat oder Eisen - und Calciumtabletten standen des Öfteren auf der Liste dieser Allheilmittel. Das gesamte Gedöns an künstlichen Stoffen hätte sich der Hausarzt schenken können, wenn er schlicht und ergreifend sowie wahrheitsgemäß die Ursache für das vermeintliche Untergewicht meinen Eltern mitgeteilt hätte: zu viel Bewegung bei nur mäßiger Nahrungsaufnahme. Mein ständiges Ausspucken wegen eines überdurchschnittlichen Speichelflusses war denn auch eher psychisch bedingt. Ich habe um Aufmerksamkeit gebettelt, da die Erwachsenenwelt eben kinderfeindlich eingestellt war. Am 2. Juli 1963 fuhr ich mit dem Eilser Minchen und meinen Großeltern als Begleitung zum Bahnhof nach Bückeburg, wo eine Betreuerin mich zusammen mit einigen anderen Aspiranten in Empfang nahm. Von dort aus ging es per Zug über Minden, Osnabrück nach Norden und Norddeich in Ostfriesland. Hier setzte uns eine Fähre nach Norderney über. Ich war bis dato nie Schiff gefahren, womit es auf der Hand lag, dass ich durch die Schaukelei der Nußschale bei eher leichtem Seegang seekrank wurde. Kreidebleich und ohne nennenswerten Mageninhalt gelangte ich dann mit einer Vielzahl von erholungsverordneten Mädchen und Jungen in das AOK - Kinderheim. Der eher moderne Backsteinbau machte von außen keinen so schlechten Eindruck. Ein großzügig angelegter Haupteingang mit den damals üblichen Flügeltüren aus Metall und Glas zeigte zunächst die freundliche Seite dieser Einrichtung. Auch die Insel selbst ähnelte eher einem verschlafenen Flecken Erde aus Dünen, Strand sowie Meer. Was sich hinter der Fassade verbarg, stellte sich alsbald als " Kinderhölle auf Erden " dar. Nachdem der eigene Koffer in einem großen Gemeinschaftsschlafsaal für Jungen unter dem Doppelbett verstaut war, hieß es: " Antreten zum Abendessen! " Zuvor mussten wir uns die Hände in einem Gemeinschaftswaschraum reinigen. Im Speisesaal angekommen, erhielt ich einen Platz in der Nähe des Eingangs zugewiesen. Das Essen,was uns vorgesetzt wurde, war denn eher bescheiden. Ich versuchte denn die Daumen dicken Schwarzbrotscheiben langsam herunter zu würgen, was mir wegen des flauen Gefühls im Magen kaum gelang. Ein Geistesblitz half mir aus der Bredouille: Ich tat so, als würde ich von dem Brot abbeißen, spuckte das Stück jedoch gleichzeitig in die halb offene Hand und führte diese in Richtung meiner Hosentasche, wo es dann verschwand. Da die Lederhose allerdings nur sehr schmale und kleine Taschen besaß, konnte ich nicht beide Scheiben dort verschwinden lassen. Einen kleinen Teil des Brots konnte ich deshalb nur mit sehr großer Mühe aufessen. Diese Methode funktionierte jedoch nicht immer, denn das Brot in der Tasche musste irgendwie, irgendwann und irgendwo entsorgt werden. Ein angesetzter Strandspaziergang war da die richtige Lösung. Ich warf die Brotreste nach und nach in die Dünen. Bei der kredenzten Haferschleimsuppe wurde es allerdings schwierig, Eine Entsorgung über die Hosentasche funktionierte nämlich nicht. So quälte ich mich ab, um den Fraß herunter zu drücken. Es dauerte jedoch lange, so dass die Aufsicht im Speisesaal schon sichtlich nervös wurde und mich einige Male harsch anging, damit ich schneller aufessen sollte. Der verabreichte Hagebutten - und Pfefferminztee war noch widerlicher, als das Brot und der Haferbrei. Ein ekliger Geruch erging sich mir schon früh am Morgen nach dem Aufstehen und dem kontrollierten Waschen. Die Brühe stand in großen Kübeln aus Zinn oder Aluminium auf jedem der langen Tische. Ich versuchte möglichst wenig von dem Gesöffs zu trinken, was eben nicht immer gelang. Manchmal stand eine Aufsicht hinter mir und beobachtete das Essverhalten. So musste ich zwangsläufig die Jauche herunter schlucken. Das gesamte Essen war eigentlich eine Zumutung und bestand aus billigen Tees,Trinkkonzentraten oder Kakao und Milch, Milchsuppen, Sago-Suppen oder Haferschleim. Der Brotaufstrich war ebenfalls eintönig. neben zwei Sorten Marmelade, gab es Sirup oder Honig. Das dick geschnittene Schwarzbrot war oft knochentrocken und schmeckte ekelig. Der gesamte Speiseplan war eben auf Masse und auf billige Zubereitung abgestellt. Was einerseits der Fraß war, blieb andererseits der faschistoide Umgangston und das Verhalten der Erzieherinnen gegenüber der Kinder. Diese verknöcherten alten Jungfern und oft dauer - frustrierten Fräuleins ließen keine Gelegenheit aus, ihre Macht gegenüber den ihnen zugewiesenen Kinder zu zeigen. Es hagelte Ohrfeigen, setzte Schläge mittels Handtüchern, Ledergurten oder Waschlappen und zur Krönung gab es auch schon mal einen Tritt in den Allerwertesten. Erziehung in der Adenauer-Ära hatte eben einen post-faschistischen Grundanstrich. Was die Betreuerinnen einst vor einigen Jahren zuvor während der Zeit des Tausendjährigen Reiches mit erlebt hatten, gaben sie nun wieder an uns zurück. Drill, Zwang,Gehorsam, Schläge, Tritte und Drohungen über sechs lange Wochen auf Norderney. Das " Kindererholungsheim " der AOK entpuppte sich als Vorstufe zur Hölle. Nachts tuschelten einige Kinder noch unter einander. Plötzlich ging das Licht an und die personifizierte Hexe in Gestalt der Nachtwache stand in der Tür und brüllte los. Es solle endlich Ruhe sein, sonst gebe es etwas mit dem Besen. Eine weitere perfide Art der Einschüchterung war die Lügengeschichte von Fledermäusen, die sich in den Haaren fest krallen würden, wenn nachts das Licht angemacht würde. Da pinkelte lieber so manches Kind in den Schlafanzug, versteckte diesen anschließend in seinen Koffer und wartete, bis dieser trocken war, statt aufzustehen, um auf die Toilette zu gehen. Obwohl ich mich bemühte, möglichst unauffällig zu bleiben, hatte ich damit nicht immer Erfolg. Beim Essen stopfte mir eine der Aufsicht führenden Betreuerinnen einige Male die zuvor unter den Tisch fallen gelassenen oder in das Fach unter dem Tisch hinein gelegten Schwarzbrotreste in den Mund, den sie zuvor mittels eines Klammergriffs an meinem Unterkiefer gewaltsam geöffnet hatte, Der erniedrigende, demütigende Ablauf erfuhr seinen erwünschten Höhepunkt dadurch, dass ich so lange an dem Tisch sitzen bleiben musste, bis ich den voll gestopften Mund geleert und das für mich ungenießbare Schwarzbrot herunter geschluckt hatte. Es war nicht einmal der Fraß, der dort aufgetischt wurde, der den Aufenthalt in dem so genannten Erholungsheim zu einem Horror-Trip werden ließ,sondern es waren die körperlichen Züchtigungen, die offenen Demütigungen und die täglich neu auftretende Angst davor, die bei jedem Kind schon kurz nach dem Wecken eine krampfartiges Gefühl im Magen hervor riefen.Der kleinste Fehler, die kleinste Unachtsamkeit und der geringste Ansatz von Aufmüpfigkeit, Widerrede und des Nichtfunktionierens konnte dazu führen, dass es Sanktionen hagelte. Ein Mal je Woche war ein Besuch des so berühmten Wellenbades auf Norderney angesetzt. Eigentlich wäre dieses Ereignis für einen Jungen aus der Provinz eine große Sache gewesen. Ich fürchtete mich jedoch vor diesen Tag. Nicht, weil ich damals noch nicht richtig schwimmen konnte, auch nicht deshalb, weil ich etwa vor den künstlich erzeugten Wellen zu großen Respekt gehabt hätte, auch nicht, weil ich vielleicht wasserscheu gewesen wäre. Ich hatte panische Angst davor, dass ich wieder ein Badeutensil vergessen würde. Wäre es nun die Badehose, die Seife oder das zugewiesene Handtuch gewesen. Letzteres vergaß ich nach dem ersten Besuch des Wellenbades. Mein Beutel mit den Badesachen lag in meinem Koffer, das Badehandtuch jedoch zum Trocknen auf der Fensterbank neben meinem Bett. Nachdem die knappe Stunde der vorgesehen Badezeit beendet war, musste meine Gruppe zum Abduschen in den Duschraum, danach wurde sich abgetrocknet und wieder angezogen. Dabei bemerkte ich, dass das vom Heim gestellte Handtuch fehlte. Ich hatte kaum meine Badehose ausgezogen und der beaufsichtigenden Erzieherin erklärt,dass ich das Handtuch vergessen hätte,da sprang diese, wie von einer Tarantel gestochen, auf mich zu, holte mit der rechten Hand aus und schlug mir diese mit einer solchen Wucht in das Gesicht, dass ich seitwärts auf die Holzpritsche fiel und meine Nase wie gewollt zu bluten begann. Die brutale Schnepfe warf mir dabei ein Handtuch, dass sie irgendwo von dem Boden aufnahm zu, riss meinen Kopf hoch und drückte mich auf die Pritsche, wo ich einige Minuten liegen bleiben musste.Nach einigen Minuten kam eine weitere Erzieherin hinzu und fragte mich, ob es wieder ginge.Die Nase blutete zwar nicht mehr, aber vor lauter Angst vergaß ich dafür meinen Badebeutel, den die etwas freundlichere Gruppenaufsicht mir dann hinterher trug. Der gesamte Tagesablauf, die gesamte Zeit über herrschte ein rüder Umgangston der Betreuerinnen und der Heimleitung gegenüber den Kindern. Das gesamte Verhalten war militärisch auf Befehl und Gehorsam abgestellt. Ein eigener Wille zählte nicht. Altersgemäße Kreativität wurde bereits im Keim erstickt.Fragen und eigene Gedanken nicht geduldet. Das Kindererholungsheim war eher ein Knast, ein Lager, ein Ort des Schreckens. Diese Erfahrungen müssen bereits viele Gruppen und Kinder vor mir gemacht haben. Leider wagte es kein Kind, dass diesen Terror in dem Erholungsheim mit erlebt hatte, die faschistoiden Umgangsformen der Erzieherinnen mit den ihnen anvertrauten Kindern, anhand von erlebten Beispielen den Eltern, den Großeltern oder der für die Verschickung zuständigen Institution weiter zu geben. Die einstigen Steinzeit-Erziehungsmethoden wurde ja in dem gesamten Gebiet der BRD in sämtlichen Schulen, Heimen oder kirchlichen Einrichtungen praktiziert. Ein Kind hatte keine Rechte! Ein Kind hatte zu hören, zu befolgen, was Erwachsene ihm sagten, keine Widerworte zu geben. Ab einem bestimmten Alter hatte das Kind zudem noch mitzuarbeiten, zu helfen, zu funktionieren. Der pseudo - christliche, bleiernde Mantel, der nach 1945 auf den Besatzungsgebieten der späteren BRD lag, führte zu einem gesellschaftlichen Klima der Denunziation, der Angst, irgendwie aufzufallen und des Duckmäusertums. In einer derartigen Gemengelage hatten Kinder keine Chance sich zu entwickeln, Individualität war nicht gefragt. Das Sichunterordnen in die Gruppe, die Gemeinschaft, den Staat wurde mit allen Mittel in das Erziehungsraster eingefügt. Sanktionen in allen Formen waren gefragt. Wer nicht, wie gewünscht funktionierte, wurde abgeschoben, ausgegrenzt, gemieden. Als ich vor einigen Tagen das Netz mittels der Eingabe " AOK, Kindererholungsheim, Norderney " befragte, erhielt ich u.a. einen Beitrag, der das Unwesen von einst so verniedlichte: " Ehemaligentreffen im Kinderkurheim Norderney Frühstück auf der Veranda Mit einer besonderen Aktion lädt der Märkische Kreis alle ehemaligen Kinderkurkinder in das heutige Schullandheim auf die Nordseeinsel Norderney ein. Viele tausend Jungen und Mädchen aus dem Einzugsgebiet des heutigen Märkischen Kreises, des Hochsauerlandkreises und des Kreises Soest sind bis Anfang der 80er-Jahre zu Kinderkuren auf die Insel „verschickt" worden. Gute Luft und reichhaltiges Essen sollten die Jungen und Mädchen, hinter denen vor allem in den 50er Jahren die entbehrungsreiche Kriegszeit lag, wieder aufpäppeln. Die guten Auswirkungen einer Kinderkur auf die angeschlagene Gesundheit waren und sind bis heute nachweisbar. Versteckter sind die Folgen, die eine sechswöchige Kur vor allem auf die kleinen Kinder hatte. Für viele Kinder war die Trennung von der Familie unüberschaubar lang und sie litten unter entsetzlichem Heimweh. Telefonischer Kontakt zu den Eltern war in den frühen Jahren unmöglich, der Kontakt beschränkte sich auf die wöchentliche Grußkarte. Auch die gute „Milchsuppe" und der Kochfisch waren nicht für alle Kinder Quell reinsten Vergnügens, mussten aber zwingend aufgegessen werden. Viele Erwachsene erinnern sich deshalb bis heute nur sehr ungern an ihre Zeit der „Verschickung" zurück. Das ehemalige Kinderkurheim Iserlohn hat eine lange Tradition: 1913 als Hotel erbaut, wurde es 1921 vom damaligen Kreis Iserlohn für 110.000 Papiermark übernommen und fortan als Kinderkurheim genutzt. Die ersten kleinen Gäste kamen überwiegend aus kriegsgeschädigten Familien. Im zweiten Weltkrieg musste das Haus dem Sudetendeutschen Flüchtlingswerk und der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden, ging aber anschließend wieder in den Besitz des Kreises Iserlohn über. Nach umfangreicher Modernisierung ist das heutige Schullandheim des Märkischen Kreises inzwischen vielen Schülern, aber auch Familien und Senioren als immer wiederkehrender Ort kleiner Fluchten aus dem Alltag bestens bekannt. Angesichts der Vielzahl von Gästen, die jährlich das Haus besuchen, um sich noch einmal ein Bild vom Ort ihrer „Verschickung" zu machen, sind jetzt alle ehemaligen „Kurkinder" zu einer Woche des Erinnerns und Neuentdeckens eingeladen. " - Zitatende - Dann kommt der Artikel auf den eigentlichen Grund seiner Veröffentlichung: " Vom 12. bis 17. Februar 2007 wird bei Tee und Kluntje reichlich Gelegenheit zum Erinnerungsaustausch geboten. Aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden mit einem vielfältigen Programm auch die Wandlung der Insel zum modernen Kurbad erleben. Im Pauschalpreis von 185,- € ist die Unterbringung nach Wunsch im Einzel- oder Doppelzimmer mit Dusche/WC sowie die Vollverpflegung enthalten. " - Zitatende - Ja, ja, " Milchsuppe " und " Kochfisch " waren wirklich nicht die Quell des kulinarischen Vergnügens; wohl aber das kleinste, der breiten Palette an sonstigen Übeln, die auf die verschickten Heimkinder wartete.

Kommentare

hades-hussar hat gesagt…
Ich war 1977 in dem kinderkurheim auf Norderney. Die Post wurde geöffnet, gelesen und öfters kam es vor das das Geld von den Eltern entwedet wurde. Wenn man abends im Bett noch am quasseln war wurde man von der Nachtwache aus dem Bett geholt und musste dann Stunden auf dem Gang stehen. Nachts noch mal auf die Toilette war nicht drin, das durfte man nicht. Also hat man ins Bett gemacht. Eine Erzieherin war ganz nett, die hat uns aber nur an wenigen Tagen betreut die welche wir eigentlich zur Betreuung hatte war der Drache vom Dienst.
Lobster53 hat gesagt…
Liebe/r Blog - Leser/in,
danke für Deinen Kommentar. Mehr als 10 Jahre nach meinem Aufenthalt hatte sich der Gesamtzustand in dem / den " Kinder - Kurheim/en " wohl nicht verändert. Vor einigen Jahren erhielt ich Post von einer Frau, die inzwischen einen angesehenen Beruf irgendwo in NRW ausübt. Sie berichtete mir von ähnlichen Vorfällen während ihres Aufenthalts. Das war nur einige Jahre nach meiner " Kur " auf Norderney. Sie aht die traumatischen Erlebnisse dort bis dato nie verwunden. Auch wenn ich als ausgebildeter Strafrechtler jene Bewertung nicht vornehmen darf, aber: Die Geschehnisse in jenen mehr als 2 Dekaden sind für mich sadistische Quälereien an wehrlose, hilflose Schutzbefohlene = ein Verbrechen. Wenn Du möchtest, schreibe mir doch weiter unter meiner Mail - Adresse jaaa.wieloch@freenet.de.
Michael P. hat gesagt…
Hallo zusammen,
ich Danke Dir für Deinen Blog. Ich war damals, ebenfalls als kränkliches Kind, mit 6 Jahren (1969/1970?) in das "Vestische Kinderkurheim Norderney" zur Erholung "verschickt" worden. Meine Eltern wohnten in Recklinghausen (daher "Vestisches" = Recklinghausen). Nach einer mehrstündigen Zugfahrt und wie Du schon beschrieben hast, die Fahrt mit der Fähre kamen wir in Norderney an. Nach Ankunft begann der blanke Horror. Am ersten Abend gab es Vollkornbrot mit Leberwurst und Hagebutten oder Pferrerminztee. Ich musste während des Essens brechen. Ich verkotzte den Teller und den Tisch. Es gab daraufhin massiven Druck. Wärend des Aufenthaltes wurde ich krank, habe ich mehrfach nachts gebrochen. Auf das Erbrochene wurde Sägemehl gestreut und das wars. Am nächsten Morgen durfte ich diesen Brei, der mittlerweile abgetrocknet war wegputzen. Du kannst Dir sicherlich den Gestank im Zimmer, neben dem Kopf vorstellen! Am Nachmittag war Bettruhe angesagt, aus einer Mischung aus Angst, extremen Heimweh (war noch wie weg von zuhause!) habe ich in die Schlafanzughose meist gepinkelt, oft aber auch "gekackt". Hir war wieder Selbstreinigung angesagt. Immerhin nachdem die grobe Verschmutzung verggewaschen war, wurde der Schlafanzug gewaschen.

Meine Eltern zeigten mir später einige Briefe, die sie aufgehoben hatten. Dort wurde ich in den höchsten Tönen gelobt, wie gut es mir geht wie viel Freude ich hätte. Die Wahrheit sah anders aus: Heimweh ohne Ende, eigentlich kann man sagen "traumatisiert". Nach der Erholung stotterte ich so stark, dass ich mich kaum artikulieren konnte.

Wie Du selbst beschrieben hast, herschte ein militärischer Befehlston. An direkte Schläge kann ich mich nicht erinnern, aber an Ohr-, Backpfeifen, Ohren ziehen und Bestrafung der Gruppe, wenn man sich nicht so fügte wie erwartet.

Ich war in dieser Zeit einmal so sehr erkrankt, dass ich Fieber hatte. Alle anderen Kinder durften an den Strand und ich musste ganz alleine im Zimmer bleiben .. :-(

Ganz besonders in Erinnerung habe ich noch die "Gemeinschaftsduschen" im Keller, mit den großen Absperrventilen, weiße Kacheln, Rohre an der Decke mit den Duschköpfen ... Brrr. Ekelhafte Gedanken kommen hoch ...
Lobster53 hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Unknown hat gesagt…
Hallo Jürgen, ich sortiere grad Altes und finde eine Postkarte aus 1970 vom Kinderkurheim AWO Haus Heckenrose,Mühlenstr.22, bin an den Laptop und suche bei google earth nach dem Haus und Kommentare dazu und zum Thema :) und fand das hier . Das Haus existiert wohl nicht mehr. Ich war 2 mal dort, 1966 und 1970 mit meinem jüngeren Bruder. Hier in Ahlen lief alles über die Arbeiterwohlfahrt, weil mein Vater bei der Zeche arbeitete. Ich(Wir) wurden alle 2 Jahre für 6 Wochen verschickt, damit die Eltern mal Ruhe hatten ...Ich kann mich aber zu der Zeit nur an eine kräftige Frau (Tante Anneliese) erinnern, die zwar streng war, aber freundlich. Wir waren viel am Strand, Wellenbad, und viel an der " frischen Luft" die wir nötig hatten weil wir Keuchhusten hatten in den 60er Jahren.... Also, ich kann da nichts negatives sagen.

Liebe Grüsse Horst---tolle Beiträge--Schöne Weihnachten allen ...15.12.2016
Lobster53 hat gesagt…
Hallo Michael,

vielen Dank für Deinen Kommentar zu dem " Norderney " - Post. Tja, die Erlebnisse sind wohl nahezu deckungsgleich und scheinen nach so vielen, vielen Jahren in den Köpfen der so genannten Heim - und Kurkinder von einst deshalb noch herum zu spuken. Ehrlich gesagt, mir hat das Schreiben hierüber zumindest geholfen, irgendwie einen Schlussstrich unter dieses dunkle Kapitel meiner Kindheit zu ziehen. Vor einigen Wochen erhielt ich zu diesem Thema eine Mail von einem Berliner, dessen Vater diese Art traumatischer Erlebnisse bis heute nicht verwunden hat. Der Sohn bat mich, ihm vielleicht einen Rat oder eine Hilfestellung zu geben. Außer professionellem Beistand in Erwägung zu ziehen, konnte ich ihm natürlich keinen Empfehlung aussprechen. Ich bin überzeugt, dass es in unserer Generation und auch danach viele Tausend Betroffene gibt, die jene Erniedrigungen nie vergessen werden und bis in den Tod mit sich herum schleppen.
Ich kann Dir zu diesem Thema wärmstens das Buch des " SPIEGEL " - Mitarbeiters Peter Wensierski empfehlen. Starker Tobak!

Schöne Grüße nach Recklinghausen, das ich natürlich kenne.
Lobster53 hat gesagt…
Hallo Horst,

so genau kann ich mich nicht an den Namen der Unterkunft erinnern, in der ich 6 Wochen lang, jene beschriebenen Demütigungen erleben musste. Die Kur wurde damals von der AOK in Bückeburg & Stadthagen % Schaumburg - Lippe, verordnet. Das Gebäude wird wohl tatsächlich nicht mehr existieren, denn seit 1960 ff. sind ja mehr als 50 Jahre vergangen und die Strukturen der Insel, die als größte Ostfriesische Insel, ansonsten sehr interessant ist, hat sich zunehmend verändert, Es gibt allerdings weiterhin ähnliche Einrichtungen auf Norderney, die zum Beispiel auch Mutter - Kind - Kuren betreuen. Zu der damaligen Zeit liefen Kinder jedoch nebenher. Sie hatten zu funktionieren und zu gehorchen. Und just diese Steinzeit - Erziehungsmethoden habe ich während des Aufenthalts miterlebt. Es wird aber wohl so gewesen sein, dass es Unterschiede bei den Einrichtungen gab. Prügelndes und sadistisches Personal ist jedoch wohl nicht die große Ausnahme gewesen.
Die Inseln, wie die Nord - und Ostsee insgesamt waren mit ihren späteren Luftkurbädern natürlich die Anlaufpunkte bei Lungenerkrankungen, die es - wie Du es richtig beschreibst - gehäuft im " Pütt " ga, dort wo die Schlote der Kokereien qualmen, die Fördertürme nei still standen und Kohle verarbeitet wurde.

Deshalb auch hier: Vielen Dank für Deinen Beitrag und ebenso schöne Weihnachten.

Jürgen
Unknown hat gesagt…
Ich war auch im Haus Heckenrose, soweit ich mich erinnere im Herbst 1966. Ich fand es grässlich. Alles wurde uns weggenommen, jedes Bonbon von Zuhause, alles. Der Tonfall war militärisch. Ich erinnere mich besonders an "Tante" Elsbeth, die uns anfuhr, wenn wir im Bett das Gesicht nicht zur Wand drehten. Die Briefe, die wir nach Hause schrieben, wurden kontrolliert und mussten neu geschrieben werden, wenn wir es wagten uns zu beklagen.

Manchmal mussten wir zu dem Hotel oder Krankenhaus marschieren, in dem Tante Elsbeths Mann arbeitete. Wir mussten dann - in ordentlicher Zweierreihe! - draußen warten, während sie drinnen mit ihrem Mann irgend welchen Privatkram besprach.

Kleidung bekamen wir zweimal die Woche zugeteilt. Auch die Unterwäsche durften wir nicht häufiger wechseln, egal wie viel mir mitgebracht hatten. Das Essen war sehr eintönig. Wer nicht aufaß, wurde bestraft. Schließlich sollten wir ja dicker werden. Es fehlt einfach an Wärme und Herzlichkeit. Ich hatte ständig Angst, den "Tanten" unangenehm aufzufallen. Das Heimweh war groß, und viele Kinder nässten wieder ein.

Einmal waren wir im Wellenbad. Tante E. befahl uns, uns im ganz flachen Wasser auf den Boden zu setzen. Als die Wellen einsetzten, wurde ich ins tiefere Wasser hinaus gezogen. Es war mir nicht möglich, auf dem glitschigen Boden sitzen zu bleiben. (Irgendwie logisch. Hätten wir gestanden, wäre gar nichts passiert.) Um mich über Wasser zu halten, begann ich instinktiv zu schwimmen (ich hatte schon den Freischwimmer), was uns aber streng verboten war. Da kam Tante E. schreiend durch das - immer noch relativ flache - Wasser gestapft. Ob ich wolle, dass sie absäuft? Sie könne schließlich nicht schwimmen. - Unglaublich, aber wahr: Eine Betreuerin, die nicht schwimmen kann, geht mit einer ganzen Gruppe von Kindern ins Schwimmbad! Ich wurde noch irgendwie bestraft, weiß aber nicht mehr wie.

Ursula
Lobster53 hat gesagt…

Moin Petula,

zunächst, ein herzliches Dankeschön für Deinen Beitrag zu dem " Norderney " - Post. An das Wellenbad und seine Tücken für Nichtschwimmer, konnte ich mich beim Lesen Deines Kommentars wieder erinnern. Es war damals wohl auch ein Neubau, auf den die Insulaner mächtig stolz waren, denn die Technik, mit der künstlich Wellen erzeugt werden konnten, muss relativ neu gewesen sein. Für uns Kinder, zumal solche, wie ich, die nicht Schwimmen konnten, bedeutete der Besuch in dieser Anlage - wie Du es schön beschrieben hast - mit Angst in das Wasser zu gehen, weil wir Fliegengewichte tatsächlich durch den Sog in die Mitte geschwemmt wurden. An die Betreuerin " Tante Elsbeth " kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Wohl aber daran, dass es dort - wie schon beschrieben - militärisch zuging. Für mich waren diese so genannten Betreuerinnen verkappte BDM - Nazis, die ihre menschenverachtenden Erziehungsmethoden und den persönlichen Lebensfrust ungezügelt und ohne selbst überwacht zu werden, an den Kindern als Schutzbefohlene ausließen. Deshalb bedeuteten diese 6 Wochen im " Kindererholungsheim " auf Norderney, sechs Wochen Fahrt durch die Steinzeit mitsamt jenen Erlebnissen, die auch andere hier schon beschrieben haben.
Deine persönlichen Erinnerungen kann ich in sämtlichen Punkten nachvollziehen, denn es ging mir genauso. Heimweh, Angst vor Bestrafungen und ein Schweine - Fraß, der an sich schon jeweils eine Körperverletzungshandlung erfüllte.
Interessant bleibt dennoch, dass es eben keine Einzelfälle waren, die Misshandlungen der Kinder durch die faschistoid gefärbten Betreuerinnen erfuhren und die diese mehr als 5 Dekaden später immer noch - wohl in frischer - Erinnerung haben.

Ich hoffe, Du hast diese Zeit ebenfalls verarbeiten können.

Gruß aus Dresden

Jürgen
Unknown hat gesagt…
Hallo Jürgen,

ehrlich gesagt, hatte ich diesen Kuraufenthalt gar nicht mehr so im Gedächtnis, bis ich vor wenigen Tagen einen Artikel in der ZEIT las. Und da kochte es mir alles wieder hoch.

Ja, sicher hatten manche der Betreuerinnen ihr "Handwerk" noch während der Nazi-Zeit gelernt. Und wenn auch nicht: Die öffentlich propagierten Erziehungsmethoden waren ja zumindest bis Ende der 60er Jahre die selben.

"Tante Anneliese", die Horst erwähnt, ist mir übrigens auch noch ein Begriff. Vielleicht war sie wirklich ein bisschen netter als die anderen. Aber am System hat das nichts geändert.

Ich war übrigens vorher schon mal für drei Wochen mit der AWO in den Ferien gewesen. Das war etwas ganz anderes, nicht zuletzt, weil ein paar Mütter mit von der Partie waren, und die waren sehr herzlich und freundlich! Aber während der Kur fühlte ich mich richtig wie ein Heimkind.
Lobster53 hat gesagt…

Hallo Petula,

da ich zu diesem Thema immer Material suche, wäre es prima, wenn Du - sofern Dir die Quelle noch geläufig ist - mir den " Zeit " - Artikel oder einen Link geben könntest. Ich recherchiere natürlich auch zu diesem Themenkomplex, der da Heimkinder - Erziehung in den 1950er bis 1970er Jahre , heißt.
Ich empfand und empfinde diese Zeit als schrecklich. Sowohl die elterliche Erziehung, als auch die Schule und das sonstige soziale Umfeld habe ich als autoritär und vorsintflutlich in Erinnerung. Es hagelte Schläge, Sanktionen und Erniedrigungen für die Kinder durch Erwachsene, die oft sich selbst und ihr eigenes Leben nicht auf die Kette bekamen oder ihren Frust dann bei Schwächeren ausließen.

Wie Du schon richtig ausführst: Auch wenn einzelne Erwachsene die Ausnahme darstellten, so war das Erziehungskonzept, das durch die westdeutsche Politik getragen wurde, menschenverachtend.

Schönes WE

Jürgen
Unknown hat gesagt…
Hallo Jürgen,

hier ist der Link zu dem ZEIT-Artikel:
http://www.zeit.de/2017/27/kinderkuren-missbrauch-kloster-aufarbeitung

Ja, die Kindererziehung in den 60er Jahren war in vielen Familien so schrecklich, dass viele jüngere Menschen es wahrscheinlich gar nicht glauben würden. Meine Freundin musste oft abends, nach dem Abendessen, selbst den Rohrstock holen, damit ihr Vater sie verprügeln konnte. Der Hausmeister an unserer Schule packte raufende Jungs bei den Haaren und stieß ihre Köpfe gegen einander. Auch im Unterricht wurden zumindest Jungen gelegentlich ins Gesicht geschlagen ("Komm her, und nimm die Brille ab!!!"), Mädchen kriegten vor allem von älteren Lehrerinnen manchmal im Affekt eine Ohrfeige. Das alles war ganz normal, und es ist gerade mal 50 Jahre her.

Der Film "Das weiße Band" von Michael Haneke zeigt da sehr eindrückliche Szenen. Der Film spielt zwar in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, aber bis in die 60er Jahre hatte sich da nicht viel geändert.

Schönes Wochenende

Ursula
Lobster53 hat gesagt…

Hi Ursula.

ich danke Dir herzlichst für Deine Beiträge und die Hinweise auf weitere Veröffentlichungen zu dem Themenkomplex " Kinderkurheime ". Ich plane, demnächst einen weiteren Post hier einzustellen, der sich mit jener Zeit befasst, die Du so treffend beschrieben hast. Die preußisch - militärischen und nationalsozialistischen Erziehungsmethoden durfte ich während meiner Schulzeit auch genießen. Wie schon gesagt: Kinder und Jugendliche hatten keine Rechte, nur Pflichten und wurden zudem als Arbeitssklaven in der Familie, der Schule und später im Beruf missbraucht. Da ich diese Zeit der Rechtslosigkeit noch gut in Erinnerung habe, aber auch meine eigne Rebellion dagegen und den selbst auferlegten Schwur, es bei meinen Kindern und Enkelkindern nicht so zu handhaben, wehre ich mich auch gegen jedwede politischen Tendenzen, so etwas noch einmal von staatlicher Seite zuzulassen.

PS.: Den Film " das weiße Band " kenne ich nicht. Das sollte sich aber ändern.

Schöne Grüße aus DD

Jürgen
Unknown hat gesagt…
@Schnicks Hotti:
Da haben wir beide wohl recht viel Glück gehabt, in der Heckenrose (AWO) gewesen zu sein.

Im Gegensatz zu Euch war ich zwischen meinem 6. bis 14. Lebensjahr jedes Jahr dort, teils sogar 2 mal, da die Heimleiterin eine Nenn-Tante von mir war und es über dieses Vitamin B meinen Eltern überhaupt nur möglich war, mir und meiner älteren Schwester Ferien ausserhalb von Hamburg zu bieten.

Privilegien hatte ich wegen meiner Tante keine und erinnere meine Aufenthalte ebenso wie Du. Wir wurden streng, aber freundlich betreut und, insofern es das Wetter erlaubte, waren wir an der frischen Luft, am Strand und häufig auch im Wellenbad.

Wir konnten so zeimlich machen (spielen) was wir wollten und wenn wir halt mal kindertypisch unsere bzw. die Grenzen der Betreuerinnen ausgetestet hatten, dann haben sie uns halt mit einer gewissen (in meinen Augen angemessenen) Autorität wieder eingefangen.
Tante Anneliese habe ich noch in guter, eigentlich sehr guter Erinnerung.

Ich muss jedoch einräumen, dass ich von der anti-autoritären Erziehung der 68er überhaupt nichts halte und auch die heutige eher kritisch betrachte.

Das Essen war natürlich kein kulinarischer Hochgenuss, nicht zu vergleichen mit zuhause, aber man konnte es essen und man wurde satt und verdurstet sind wir auch nicht, wobei es außer Frage steht, dass Hagebutten- bzw. Pfefferminz-Tee kaum unsere Favoriten waren.

Wir berichten hier jedoch von sozialen non-profit Einrichtungen und nicht von Touristen-Anlagen.

Wobei zu bemerken ist, dass meine Mutter zuhause mindestens einmal im Monat Buchweizengrütze oder Graupensuppe zum Mittagstisch präsentierte, wodurch wir immer eine Vorstellung davon hatten, was in ihrer Kriegsjugend die Standardmahlzeiten war.

Wenn man Google so glauben darf, dann gab es zu dieser Zeit auf Norderney wohl einige Kindererholungsheime (wohl auch mehr als eines der AOK) und wie bei allem im Leben, gute, mittelmäßige und schlechte.

Ich dankbar und halte es für sehr wichtig, dass Opfer von grausigen Zuständen in Kindereinrichtungen über die verschiedenen medialen Kanäle von ihrem erfahrenen Leid berichten.

Dieses erlebte Unrecht berechtigt die Opfer jedoch nicht alle diese Einrichtungen in Sippenhaft zu nehmen.

Sätze wie:
Die einstigen Steinzeit-Erziehungsmethoden wurde ja in dem gesamten Gebiet der BRD in sämtlichen Schulen, Heimen oder kirchlichen Einrichtungen praktiziert.
sind nicht akzeptabel.

Bitte überarbeitet Eure Beiträge entsprechend !
Lobster53 hat gesagt…
Lieber Bastian Blanc,

grundsätzlich habe ich hier festzustellen, dass nicht jede braunen Erziehungsmethoden von vor 50, 60 oder 70 Jahren, auf jedes Kind traumatisierende Auswirkungen gehabt haben. Ich generalisiere auch nicht, was die sehr differenziert geschilderten Erlebnisse in den sehr unterschiedlichen Heimen betrifft, um damit meine eigenen Erlebnisse und dass sich daraus geformte, kritische Gesellschaftsbild zu den Zuständen im Nachkriegsdeutschland zu belegen. Fakt ist doch, dass es unsere Eltern als Kriegsgeneration und Nachkriegsdeutsche waren, die jene Nazi - Pädagogik und die brutalen Erziehungsmethoden zu verantworten hatten.
Die Historie zeigt doch eindeutig, dass jene menschenverachtende Erziehung nicht überall stattfand, dieses stelle ich hier auch nicht in Abrede. Jedoch war es die Mehrzahl der Eltern / Erziehungsberechtigten in den Familien, in den staatlichen oder institutionellen Einrichtungen, die mit Prügel, martialischer Bestrafung und Machtausübung auf den Schwächeren ( in jeden Fall waren es Kinder ), die damit ihre eigene Lebensfrustration abbauen wollte.
Es sind hierzu nicht nur jede Menge Filme, Bücher und Artikel veröffentlicht worden, die dieses zu jener Zeit nach ´45 belegen, sondern es gibt auch noch sehr viele Augenzeugen, die das perfide System in der BRD und - noch wesentlich perverser organisiert - in der DDR, angeklagt haben.
Eine Ausnahme, wie Du sie hier schilderst, von der Regel der Brutalo - also Steinzeitpädagogik, bedeutet noch lange nicht, dass es nicht so, wie die Majorität es überall in den Foren schildert, gewesen sein muss.

Ich nehme auch nicht sämtliche Einrichtungen in Sippenhaft. Ich verurteile nur jene Menschen, die sich als Rädchen in diesem System, als Einrichtung ( wie das AOK - Kurheim, in dem ich mein Martyrium für 6 Wochen erleben musste ) und als Verantwortliche dabei mitgelaufen sind.
Die faschistoiden Erzieher, Pädagogen und Geistliche / Kirchenmitarbeiter/innen haben alle Male eine Schuld auf sich geladen. Sie haben viele zarte Kinderseelen zerstört und sind damit nichts anderes, als Sadisten.

Das verlogene Adenauer - Regime mit seiner verlogenen, weil nie durchgeführten Entnazifizierung, hat dazu die politischen Rahmenbedingungen geschaffen. In der DDR war es Ulbricht´s Verbrecher - Bande , die Kinderheime oder anders: Jugendwerkhöfe erbauen ließ, um nicht gesellschaftskonforme Kinder zu kasernieren, dort zu foltern und deren Willen zu brechen.
Auch bei uns, in der angeblich besseren BRD, in dem Goldenen Westen, gab es die Haftanstalten.
Erst Mitte der 1970er Jahre wurden sie abgeschafft, nachdem eine Frau mit dem Namen Ulrike Meinhof als Journalistin ( nicht als Mörderin und Terroristin ) darüber berichtete.

Deine Affinität zu der anti - autoritären Erziehung, die allerdings nur ein Papiertiger einiger, weniger Bürgersöhne und Töchter aus besseren, weil gut betuchten Hause, war, nehme ich zur Kenntnis, aber es hat diese so nie gegeben. Das sind alle Male Lügenmärchen und die Hirngespinste der konservativen Ewiggestrigen aus der Zeit nach der Groko Kiesinger / Brandt. Erst mit der Reformpolitik des SPD - Kanzlers Willy Brandt, kam Bewegung in die verkrusteten - wie oben ausgeführt, funktionierenden - familiären Strukturen und die Schulen, Universitäten und in die Gesellschaft allgemein.

Lobster53 hat gesagt…

Teil II der Antwort an Bastian Blanc:



Halten wir also fest: Der Zeitgeist war damals ein anderer. In den Familien, den Schulen, den Heimen, den sozialen Einrichtungen ( dabei waren es nicht alle ), den Kirchen ( diesen Heuchlern ) und im täglichen Leben, durften Kinder " verdroschen " werden, wenn es den schlecht gelaunten Erwachsenen und Ex - Nazis passte.
Und just diesen Zustand haben hier und auch anderswo viele Betroffene sehr gut nachvollziehbar geschildert. Ich kann dieses nur voll umfänglich bestätigen und werde deshalb keine einzige, der hierzu eingestellten Formulierungen " überarbeiten " oder herausnehmen.
Noch gilt auch hier die Meinungsfreiheit, die ich als ein hohes Rechtsgut selbst, auch in meinem eigenen Leben, ansiedele.
Deshalb habe ich auch Deinen Beitrag hier auf meinem Blog veröffentlicht.

Schöne Grüße aus Dresden

Jürgen
Anonym hat gesagt…
Ach je.. da kommen verschüttete Erinnerungen hoch. Erholungsheim auf Norderny..das Meer vor Augen und das Verbot den Strand zu betreten. Ich erinnere mich schwach, das nur große Kinder dorthin durften. Ich war seinerzeit 9 Jahre alt und zu klein. Meine große Schwester war gemeinsam mit mir auf Norderney, weil ich sowieso schon unter erbärmlichem Heimweh gelitten habe.
Ich kann mich an einen Kasernenton erinnern, an Härte und Strenge. Ein riesiger Speisesaal voller schweigender Kinder. Abendliche Spieleinheiten die viel zu kurz waren und an tägliches Wiegen. Zu dünn, zu dünn waren wir wohl alle damals. Ungeliebte Sagogrütze hat uns nicht dicker gemacht. Es gab zu wenig Beschäftigung und Langeweile für ein Draussenkind wie mich. Schwimmen war prima- im Wellenbad- ach ja ich vergaß die vielen Einschränkungen...
Das Paradelaufen, der Gehorsam.Auf der Treppe wird gegangen und nicht gelaufen...
nicht schwätzen im Bett. Das wurde bestraft. Stillstehen auf dem Flur. Eine Mittagspause lang, abends unendlich lange.

Meine Erinnerungen sind das wehmütige Gefühl auf das Meer zu schauen..durch die Fensterscheiben eines schönen weißen Gebäudes. Das macht mich noch heute traurig.
Lobster53 hat gesagt…
Liebe Margret, danke für Deinen Kommentar. Auch wenn die Erinnerungen an den Aufenthalt in dem Kindererholungsheim auf Norderney nicht dazu geeignet sind, diese im Nachgang anders beschreiben zu können, als ich es hier getan habe, muss ich Dir beipflichten, das die Insel, die Nordsee und die vielen Dünen, der weiße Strand den Besucher wehmütig werden lassen,
Schöne Grüße aus Zingst.

Jürgen


Unknown hat gesagt…
Hallo zusammen,

auch ich war im „Kinderkurheim“ Upstalsboom. Ich werde meiner Mutter bis heute nicht verzeihen, daß sie mich 6 Wochen dorthin geschickt hat.

Ich habe vieles vergessen, war damals (1977) neun Jahre alt. Ich weiß aber auch noch einiges, weil es einfach schrecklich für ein Kind war. Ich war dünn, groß, und sollte mit Gewalt zunehmen.

Ich meine mich zu erinnern, daß der Speisesaal mit seinen großen Fenstern vergittert war. Einmal gab es Kartoffelsalat mit Würstchen. Ich war irgendwie schon immer ein Schelm, und so habe nach dem Aufessen nach mehr Kartoffelsalat gerufen. Als dann der Wagen mit dem großen Topf kam, sagte ich spontan ab, ich wäre doch satt, und freute mich über meinen gelungenen Streich. Das machte ich nur einmal, denn als ich es nochmal probierte, bekam ich eine riesengroße Kelle Kartoffelsalat auf den Teller geknallt und durfte erst aufstehen, als ich diesen Berg verputzt hatte. Ich war dann natürlich der Letzte in dem Speisesaal. Mir war richtig richtig schlecht.

Nicht ganz so lustig war die Mittagspause, 1,5 Stunden lang. Im 4-Bettzimmer das Gesicht zur Wand drehen, auf keinen Fall mit den anderen sprechen und auf Befehl schlafen oder so etwas. Auf dem langen Eckflur patroullierte eine „Schwester“. Immer hin und her, an allen Zimmern vorbei, deren Türen offen blieben. Einmal mußte ich dringend aufs Klo, und zwar das große Geschäft. Aber komm mal an diesem Wachhund vorbei! Die Toilette war weiter von unserer Zimmertür über den langen Flur weg. Ich mußte sehr dringend, mußte aber warten, bis der Wachhund mal um die Ecke ging, aus dem Sichtbereich. Dann rannte ich los und erreichte die Toilette mit der Hand voll, die ich mir hinten vorgehalten hatte. Ich hatte es also nicht ganz geschafft. Als ich mein Gschäft beendet hatte und zum Zimmer zurückkam, hat mich die Patrouille natürlich aufgegriffen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich dafür bestraft worden bin, nachdem ich gestand, daß ich dringend auf die Toilette mußte.

Ich hatte in diesen 6 Wochen übrigens meinen zehnten Geburtstag. So etwas trostloses hatte ich noch nie erlebt. Es kam von meiner Mutter ein Paket mit Kleinigkeiten und Zeugs, das wars. Keine Gratulationen, keine kleine Feier, keine Kerzen. Danke, Mama.

Meine Briefe wurden kontrolliert, sowohl die ausgehenden als auch die eingehenden. Wir durften sie nicht zukleben, das haben dann unsere Aufseherinnen für uns gemacht. Nun gut, bei mir stand nichts „Besorgniserregendes“ drinnen, weil ich die Gefängniszeit irgendwie relativ locker weggesteckt, vielleicht auch verdrängt habe. Als Kind hinterfragt man nicht so viel, man schluckt einfach.

Ich kann mich auch noch erinnern, daß ich mehrere Male nachts auf dem Flur, dem sogenannten Patrouillengang, zur Strafe stehen mußte, mit dem Gesicht zur Ecke und auch barfuß. Ich werde wohl irgendwelche Späße gemacht haben, die bei dem faschistoiden Personal nicht gut ankam. Es waren nie gemeine Späße, sondern immer die eines damals noch ständig lachenden Kindes. Einmal mußte ich sogar nachts im Waschraum Strafe stehen, selbstverständlich im Dunkeln. Wenn ich heute darüber nachdenke, bin ich einerseits schockiert, wie manch kranke Frauen so sadistisch sein können, andererseits aber auch, was ich so alles einfach hingenommen habe und mir hab antun lassen.

Ein Zimmergenosse (Mario) hat gleich am ersten Abend geschrien wie am Spieß. Er hatte Heimweh, und den hat man auch am nächsten Tag nach Hause geschickt. Mir war bei seinen Schreien ganz mulmig. Ich (Depp) habe einfach alles mitgemacht und meiner Familie noch nette Briefe am laufenden Band geschrieben. Heute frage ich mich, wie naiv ich eigentlich war, das zu tun. Naja.

Ich wünsche jedenfalls allen Menschen, die in Upstalsboom ähnlich schlimmes erlebt haben, daß Ihr Eure Erlebnisse aufarbeiten konntet. Ich war zumindest ganz erstaunt über diese Internetseite und die Berichte, die ich erst heute gefunden habe. Bisher trug ich die Last der Vergangenheit immer mit mir allein herum. Nun weiß ich, daß dieses Kindergefängnis lange existiert hat.



Lobster53 hat gesagt…

Lieber Günther,
vorab, vielen dank für Deinen Eintrag zu dem Post. Das Erholungsheim " Upstalsboom " sagt mir ad hoc nichts. Soweit ich recherchieren konnte, waren einst auf der Insel, nach Bundesländern aufgeteilt, unterschiedliche Einrichtungen, deren Träger wohl die Allgemeinen Ortskrankassen ( AOK ) waren. Aus den übrigen Kommentaren ergibt sich dennoch das Gesamtbild, dass es in den " Heimen " ähnliche Umsetzungen der grassierenden Steinzeitpädagogik gab.
Was allerdings die Vielzahl der Betroffenen angeht, so wird es unter diesen eine große Anzahl von anonym bleibenden, ehemaligen Verschickten geben, die mit ihren Erlebnissen bis heute nicht klar kommen. Deshalb habe ich in meinem Block diesen Artikel eingestellt.
Mit Sicherheit wird es noch den einen oder andren Kommentar hierzu geben. Das ist gut so, denn oft ist es besser, seine Traumata aus jener Zeit, die wohl bis zum Ende der 1970er Jahre einzuordnen ist, durch Kommunikation aufzuarbeiten und damit einen Beitrag zu leisten, dass solche Menschen verachtenden und die Kinderseelen zerstörenden Praktiken nie wieder geduldet werden.

Ich versuche deshalb, solche Missstände zu benennen und auch mit jenen Zeiten zu vergleichen, in denen meine Kindheit und Jugend ablief.

Schöne Grüße aus Dresden

Jürgen
Unknown hat gesagt…
Hallo Lobster53,

bei dem "Kinderkurheim" Upstalsboom handelt es sich um offenbar das Kurheim auf Norderney, von dem andere hier berichten. Ich hatte das vorher nicht erwähnt, weil es für mich klar war. Es sitzt nun die Oldenburgische Landesbank drinnen.

http://www.norderney-chronik.de/themen/insel-stadt/betriebe/olb/geschichte.html
Unknown hat gesagt…
Hallo Jürgen,
grade habe ich deinen Bericht gefunden und bin erschüttert, wievielen anderen Kindern es genauso ergangen ist wie mir ...ich konnte stellenweise vor lauter Tränen nicht weiterlesen. Ich war im Dezember 1968 im Alter von 10 Jahren dort und kann alles Beschriebene nur bestätigen, dieser "Kur"aufenthalt hängt mir bis heute nach! Ich kann mich noch an eine Frau Schwarz erinnern, die mir in einigen Albträumen erschienen ist. Ich musste auch bis in die Nacht vor meiner Milchsuppe sitzen bleiben bis ich sie aufgegessen hatte...danach hab ich sie dann ausgekotzt, aber ich musste sie beim nächsten mal wieder essen!! Ich kann mich auch noch an den Raum erinnern, in den wir uns um eine riesen Höhensonne im Kreis setzen mussten, damit wir "Farbe" bekamen...ich will nicht alles nochmal schreiben, Kontrolle, Strafe, keine frische Wäsche anziehen dürfen, obwohl genug im Koffer war, nicht reden, Kopf zur Wand, nicht pinkeln,Demütigungen, schon gar nicht zu Hause um Hilfe bitten usw.Danke und liebe Grüße Barbara
Lobster53 hat gesagt…

Liebe Barbara,

wenn ein Artikel, das geschriebene Wort also, einen Menschen / einen Leser berührt, dann entspricht er entweder der Wahrheit oder es handelt sich um einen guten Autor. Letzteres beanspruche ich nicht. Ich bin ja von meiner Ausbildung her Rechtskundiger. Beides hat aber mit dem realen Leben viel gemein. Ich versuche in meinem Blog ein wenig von jenen Erlebnissen wieder zu geben, die mir noch in meiner Erinnerung sind. Und dazu zählt mit Sicherheit das so genannte Erholungsheim auf Norderney. Eigentlich war es - ich formuliere es so drastisch - ein Knast oder sogar noch mehr. Und - dieses hat mich doch ein wenig überrascht - es gibt viele einstige Insassen dieses Kinder - Knastes, die sich trauten, ihre Erlebnisse zu beschreiben. So, wie es jene Kinder und Jugendliche auch gemacht haben, die ab den 1950er Jahren in den Erziehungsanstalten ( in der DDR nannten die Machthaber sie " Jugendwerkhof " ) landeten und hier als gebrochene Erwachsene mit 21 Jahren entlassen wurden. Ausgebeutet, in ihrer Seele tödlich verletzt und eigentlich fpr das Leben danach völlig unvorbereitet, scheiterten auch sie dort kläglich. Wie schon gesagt, ich habe einst als Aufhänger für meine Artikel das Buch des " SPIEGEL " - Mitarbeiter Peter Wensierski genommen, der ja die Zustände in den Heimen der BRD angeprangert hat.
Genauso, wenn auch zeitlich begrenzt, erging es uns und vielen Zehntausend weiteren Kindern, als sie in den angeblichen " Erholungsheimen " die Hölle auf Erden erlebten.

Ich danke Dir herzlich für Deine offenen Worte hier und hoffe, dass Du jene demütigenden Erlebnisse, jene menschlichen Abgründe, die Erwachsene gegenüber Kindern und Schutzbefohlenen gezeigt haben, zum Anlass genommen hast, dass dieses widerwärtige Verhalten nicht fortgesetzt werden kann. Ich bin inzwischen selbst Vater einer längst erwachsenen Mutter und dreifacher Großvater und habe mir bei der Geburt meiner Tochter und der Enkelkinder geschworen, dass ich niemals jene Gewaltexzesse zulassen werde, geschweige denn praktizieren, die mir einst selbst widerfahren sind.

Was wir einst erleben mussten, war nur die Fortsetzung eines Menschen verachtenden Systems, einer perversen Ideologie, die im Endeffekt das Vernichten von Leben beinhaltete. Unsere Eltern wurden davon indoktriniert und haben es - direkt oder indirekt - an ihre Kinder weiter gegeben. Die Saat der Faschisten ging auch bis zu 30 Jahre danach noch auf. Das darf nie wieder geschehen. Wir schreiben das Jahr 2018. Vor 50 Jahren rebellierten die ´68er. Im Nachgang muss ich jenen " Aufmüpfigen " danken, die für das Ende der Kinderheime und ein Umdenken in der Gesellschaft verantwortlich zeichnen.

Schöne Grüße aus Dresden

Jürgen


Pie hat gesagt…
Ich war im Oktober 1969 als Zwölfjährige in einem Kindererholungsheim auf der Viktoriastraße am Weststrand. Den militärischen Drill habe ich noch genau vor meinen Augen, auch die Moralreden vor den Mahlzeiten und die immerwährende Mahnung vor der blauen Blume. Ich kann mich an ein Kind erinnern was trotz einer Fisch-Eiweissallergie den selben essen musste. Wenige Minuten danach schwollen seine Augen und dann das gesamte Gesicht bedrohlich an, so dass sofort ein Arzt angerufen wurde. Vielleicht hätte ich Glück in dieser Zeit, das es nicht mehr Vorfälle gab. Trotzdem habe ich diese Zeit gehasst bis zum heutigen Tag.
Unknown hat gesagt…
1970 im Mai war ich auch in Norderney zur Kur. Leider weiß ich nicht mehr in welchem Heim ich war. Ich war erst sechs Jahre alt und wurde in dieser Kur 7 Jahre. Ich kann alle diese Erfahrungen nur bestätigen. Zuhause habe ich erzählt das wir auch mit dem Kleiderbügel geschlagen wurden aber es hat mir niemand geglaubt. Viele Stunden musste ich in der Ecke stehen, ohne zu wissen warum, auch Nachts. Die Briefe nach Hause sollte ich diktieren weil ich noch nicht schreiben konnte aber wie es uns wircklich geht würde nicht geschrieben. Ich wollte dann nichts mehr diktieren und musste wieder in der Ecke stehen. Es wurde dann einfach ein Text geschrieben. In unserem Schlafraum war ein kleines Mädchen von vier Jahren. Sie wurde vor lauter Heimweh krank und durfte ihren Bruder nicht sehen. Sie weinte sich jeden Abend in den Schlaf.Zum Essen würde man gezwungen obwohl ich abnehmen sollte.Es war einfach ein Albtraum.
schocan hat gesagt…
Hallo zusammen,
im Alter von 5 Jahren (1970) wurde ich für 4-6 Wochen (ich denke 6, meine Mutter denkt 4) zur Kur nach Norderney geschickt. Ich war sehr schmächtig, mein Vater war 1 Jahr vorher gestorben, meine Mutter war sicher auch nicht ganz auf dem Damm nach dem Verlust. Jedenfalls meinte der Kinderarzt, in der Kur würde ich für die Schule ausreichend aufgepäppelt werden.
Für mich ist diese Zeit nach wie vor "die schlimmste meines Lebens" gewesen. Zwar erinnere ich nicht viel Konkretes wie andere Betroffene hier. Zumindest keine direkten körperlichen Angriffe. Aber ich hatte die ganze Zeit nur Heimweh und kann mich an keine einzige herzliche, warmherzige Person dort erinnern. Lediglich die Erzieherinnen, die dam Wochenende Dienst hatten, waren nett zu uns. Die waren glaub ich auch jünger.
Als ich einmal ein Paket von meiner Tante bekam, öffneten es die Erzieher abends im Schlafraum und nahmen mir "scherzhaft" die Gummibärchen ab, gaben sie mir dann aber wieder und machten mich wegen meiner Tränen lächerlich.
Ins Wellenbad ging es jede Woche, ich durfte aber nie mit. Es hieß immmer: "da musst du abends 2-3 Brote mehr essen, sonst kannst du dich doch gar nicht halten". Ich konnte damals schon schwimmen, aber das interessierte niemanden.
Während also alle Kinder meiner Gruppe im Wellenbad Spaß hatten (so dachte ich zumindest), hing ich dort im Heim herum.
Als ich nach diesem Alptraum in den heimischen Bahnhof einfuhr, rannte ich auf meine Mutter zu, sie sagte, ich hätte ausgesehen, als ob ich um mein Leben rannte. Ich weinte vor Erleichterung und mir kommen jetzt noch die Tränen, wenn ich daran denke.
Anschließend wurde ich erst einmal krank, ich hatte mir den Scharlach als Souvernir mitgebracht...
Es erleichtert mich sehr hier zu lesen, dass ich mich nicht falsch oder übertrieben erinnere. Die Erfahrung hat mein Leben sicher nicht so maßgeblich beeinflusst, dass ich nicht meinen Weg gemacht hätte. Aber die Erinnerung an die wenigen Wochen meines nun schon 53 Jahre langen Lebens machen mich noch immer wütend und fassungslos...
Prof.Dr.Harmsen hat gesagt…
Guten Tag zusammen,

als ehemaliges Verschickungskind (1968) und Wissenschaftler möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass das Trauma der Verschickungskinder (u.a. Norderney) jetzt in eienr bundesweiten Initiative aufgearbeitet wird. Auf Verschickungsheime.de finden Sie weitere Informationen, Report Mainz wird am 3.12.2019 darüber berichten, ebenso der NDR in der nächsten Woche

Prof. Dr. Thomas Harmsen
Lobster53 hat gesagt…

Hallo Thomas,

vielen Dank für die Hinweise. Ja, es gibt eine Initiative, die u.a. oder vor allem von Anja Röhl getragen wird. Sie hat sich hierzu vielfach in den Medien geäußert. Ein wichtiges und gutes Angebot, um alle jenen Betroffenen Hilfe an zu bieten, die sich noch nicht aus der Anonymität heraus trauen oder - so wie wir - die damaligen Erlebnisse offensiv und in schriftlicher Form abarbeiten können. Die jetzigen Aktivitäten können als späte Genugtuung für jene Malträtierten von einst angesehen werden. Leider dürfte - auch rechtlich betrachtet - nicht vielmehr zu erreichen sein.

Schöne Grüße aus Eching / Bayern

Jürgen
Prof.Dr.Harmsen hat gesagt…
Genau da bin ich aktiv.. Wir erforschen jetzt die ganzen ungeheuren Schicksale
Lobster53 hat gesagt…

Hallo Peter, hallo schocan, hallo an die unbekannte Kommentatorin,

vorab erst einmal vielen Dank für die Rückmeldungen. Leider komme ich erst jetzt dazu eine Antwort zu schreiben, weil ich mittlerweile von Dresden nach Eching / Bayern umgezogen bin.
Die jeweiligen Schilderungen zu euren Heimaufenthalten habe das bestätigt, was auch andere und ich selbst in den " Verschickungsheimen " ( ich nenne sie mal so ) an Erniedrigungen, seelischen an Qualen und vor allem auch körperlicher Gewalt erragen mussten.
Wie sich bereits aus Thoamas Harmsen´s Hinweise ergibt, haben sich einige Medien dieses Themas angenommen. " Report Mainz " berichtete erneut hierüber. Die erste Sendung ist noch in der ARD - Mediathek vorhanden. Besonders schockierend sind hier aber die massenhaften Kommentare von einstigen " Verschickungskindern ", die - so wie wir - das in den " Lagern " von damals Erlebte unverblümt in eigenen Worten wiedergeben.
Zudem kann ich die Netzseiten zu der Initiative von Anja Röhl empfehlen. Ich habe sie u.a. in meinem Posting zu dem Thema " Verschickungskindern " verlinkt.

Eine schönen ersten Advent wünscht aus Eching


Jürgen
F. Monster hat gesagt…
Hallo,

Ich war mitte der 80er Jahre mit etwa 6/7 Jahren dort, für etwa 6 bis 8 Wochen.
Nach einem schwerem Trauma, bzw. damit sich niemand mehr damit beschäftigen muss, hat man mich dorthin geschickt.
Leider kann ich mich auch nicht mehr an viel erinnern.
Nur: Dass es auch für mich auch einfach furchtbar war.
Am deutlichsten hab ich noch den Verschickeprozess in Erinnerung.
Mit völlig Fremden, ganz alleine quer durch D.
Es war in der damaligen Situation auch nur eine weitere zusätzliche Bestrafung, ohne jede profesionelle Betreuung so weit weg geschickt zu werden.
Das hat für mich erheblich mehr verfestigt als irgendwas geheilt.
Das Essen hab ich noch genauso in Erinnerung und auch das Gebäude.
Ebenso gab es oft unter uns Kindern Prügeleien und viel Mobbing.
An die Erzieher kann ich mich kaum noch erinnern, obwohl ich einige Strafen bekam.
War dann meist Isolation und irgendwo stehen müssen, wie oben beschrieben. Die Strafen hab ich allerdings auch fast vollständig verdrängt und vergessen.
Die Kontaktsperre gab es auch noch genauso, wie oben beschrieben.
Alle Kinder hatten furchtbares Heimweh und waren den ganzen Tag unbeschäftigt in den Spielräumen.
Unter all den kranken, gestressten, traumatisierten und unterbeschäftigten Kindern, kam es natürlich laufend zu irgendwelchen Prügeleien und Streiterein.
In dem Bad war ich nie. Ab und zu gab es Inhalationen und ein paar wenige Spaziergänge. Das war es dann auch schon im Großen und Ganzen, an Betreuung und Beschäftigung.
Hauptsächlich kann ich mich nur an die extreme kalte,strenge,fremde, einsame Kinderheim-Atmosphäre und das Gefühl des Ausgestossen worden seins, erinnern.
In den Urlaub, fahre ich deswegen bis heute nicht besonders gerne u.v.m.
Dennoch hatte ich ja fast noch Glück, wenn ich das alles so lese.
Aber alles andere trifft auch meine Erfahrungen sehr genau.
Es tut gut, dass das Thema endlich Beachtung findet.
Auch wenn ich das meiste Vergessen habe, hab ich nie vergessen wie furchtbar ich mich dort gefühlt habe.

Unknown hat gesagt…
Hallo,
sehe diesen Blog zum ersten Mal. Ich war 1970 im Alter von 7 Jahren im sogenannten Kinderkurheim Upstalsboom. Gleich am ersten Tag erlebte ich die Grausamkeiten im Speisesaal. Ich war nicht schnell genug fertig mit dem Essen, weil ich den Rohkostsalat nicht mochte und stehen ließ. Das war aber nicht erlaubt und so saß ich schließlich ganz allein in dem großen Saal vor diesem widerlichen Salat, den ich aufessen musste, um aus diesem Saal zu kommen. Ich würgte ihn herunter und musste mich anschließend gleich übergeben. Es dauerte etwa 30 Jahre bis ich mich wieder traute Möhren-Apfel-Rohkostsalat zu essen. An den anderen Tagen war ich schlauer und wusste, dass man schnell heimlich sein Essen an Kinder geben konnte, die es mochten und so wurde viel hin und her getauscht. Ich hatte lange Haare und die strenge Ober-Erzieherin hatte keine große Lust sie mir täglich zu kämmen und ging sehr brutal vor. Ich weinte bei jedem morgendlichen Kämmen und verlor viele Haare dabei. Ich erinnere auch, dass ich 6 Wochen dort war, meine Mutter redet von 3. Aber ich bin sicher, es waren 6 lange Wochen, die längsten in meinem Leben. Ich musste den Inhalt der Karten, die nach Hause geschickt wurden von einer Tafel abschreiben und da standen nur Lügen: Es gefällt mir hier gut. Das Essen schmeckt sehr gut. Usw. Ich erinnere mich auch an eine nette Erzieherin, mit der wir zum Strand gingen und von der auch so etwas wie Herzlichkeit ausging. Die andere dagegen, die u.a. meine Haare kämmte, war der reinste Besen. Und die Zeit war durch sie und ihre Handlungen wirklich die Hölle. Mittags konnte ich nie schlafen und lag endlos lang in meinem Bett. Nur einmal konnte ich mittags schlafen und als ich erwachte, standen meine Eltern vor meinem Bett. Mein Urgroßvater war verstorben und meine Eltern hatten durchgesetzt mich zu besuchen, was eigentlich nicht üblich oder gar nicht erlaubt war. Ich konnte nur weinen, als ich meine Eltern sah, kaum reden. Als meine Eltern mit mir allein spazieren gingen, war ich nicht in der Lage ihnen zu erzählen, was alles in diesem Heim vor sich ging, aber ich wollte, dass sie mich mit nach Hause nehmen. Doch das taten sie nicht. Danach fühlte ich mich erst recht verloren. Es war der größte Vertrauensbruch, der nicht mehr zu kitten war. Meine Mutter erzählte später, dass ich nach dieser "Kur" sehr lange nicht mehr gelacht hatte, obwohl ich zuvor ein fröhliches Kind war. Im Heim habe ich mir nach dem täglichen Haare bürsten selbst Haare vom Kopf gezogen, so dass ich später eine kahle Stelle auf dem Kopf hatte. Ich wollte wohl damit irgendwie eindringlich darauf aufmerksam machen, dass die eine Erzieherin wirklich eine Hexe war, indem ich mich selbst noch mehr beschädigte, als sie es ohnehin schon getan hatte. Ich hatte Asthma und mein Kinderarzt wollte mich nach Norderney wieder zur Kur schicken, diesmal nach Bad Rothenfelde. Ich habe so vehement darauf bestanden, dass ich dort nur mit meiner älteren Schwester hingehe, dass sie mit musste. Diese 2. Kur war besser, aber meine Schwester wollte trotzdem nicht mehr "verschickt" werden, nur um ihre kleine Schwester zu begleiten und so kamen wir beide um weitere "Kuren" herum. Upstalsboom hat auch schon für ein lebenslanges Trauma gesorgt. Wie müssen sich nur die Kinder gefühlt haben, die dauerhaft in solchen Heimen untergebracht waren und nicht nach 6 Wochen wieder nach Hause konnten. Unvorstellbares Leid!
Unknown hat gesagt…
Ich war im Sommer 1978 für sechs Wochen im Kinderkurheim des märkischen Kreises auf Norderney. An unsere Betreuerin Frau Grunding hab ich nur gute Erinnerungen. Sie unternahm viel mit uns und hat sich sehr um uns bemüht. Meine einzige schlechte Erinnerung hab ich an ein Mädchen, die sehr forsch und laut war und mich permanent mobbte.
Posten und Päckchen bekamen wir ausgehändigt,ich habe alles bekommen, was mir von meiner Familie geschickt wurde.
Auf Norderney hab ich das Meer lieben gelernt,so ,dass ich inzwischen selbst seit vielen Jahren auf einer der Nachbarinseln wohne und nun selbst mit Kurkindern arbeite.
Ich frage mich immer wieder,wie es wohl meiner,unserer Erzieherin Frau Grunding gehen mag,sie muss damals Ende zwanzig, Anfang dreist gewesen sein... Vielleicht läuft man sich ja doch mal über den Weg....
Unknown hat gesagt…
Hallo,

Zufällig bin ich heute auf diese Seite geraten.

Ich war 1968 /69 auf Spiekerrog für 6 Wochen.
6 Jahre war ich in dieser Zeit.


Stundenlange Zugfahrt, Fähre hnd anschliesend noch mit der Pferdekutsche hing es weit raus.
Das Haus lag lag sehr abgelegen.

Ein Esel schrie jeden Tag.

Hinter den Dünen war das Meer.

Es war eine schlechte Zeit in meiner Erinnerung.

Wir Kinder wurden gezwungen zum Essen usw.

Ganzèn Zustände ähneln den Schilderungen was ich bisher gelesen habe.

Ich wurdd 1 x zur Bestrafung samt dem Kinderbett im Dunkeln auf dem Hof gestellt.
Riesige Angst hatte ich da im Dunkeln.

1 x die Woche ging es über drn Hof rüber zu den anderen Gebäude.
Zum duschen in einem großen Gemeinschaftsraum und Untersuchungen .

Ich eiss nicht genau wie das Haus geheißen hat.

Ein Photo besitze ich.


Liebe Grüsse aus Frankfurt B. Slowik
Lisemaus hat gesagt…
Hallo, ich bin vom 4. Lebenjahr an alle 2 Jahre jeweils für 6 Wochen verschickt worden. 2 x ins Sauerland, 1x Norderney und einmal Sylt. Wo das 5. Mal war, habe ich vergessen. Ich wurde also insgesamt 5 x verschickt. Bei meinen ersten 3 Aufenthalten kann ich alles so schreckliche bestätigen, was ich hier gelesen habe. Ich kann mich an Ecke Stehen, Essen runterwürgen, Essen heimlich tauschen und endlos langes erzwungenes Mittagsschafen erinnern. Auch hier: Augen weg vom Nachbarn, Reden als Totsünde, schon IM Schlaf umdrehen würde als Renitenz unterbunden. Zum Glück war ich keine Bettnässerin. Wem dieses Missgeschick passierte, musste in einem dieser Heime- ich weiß nicht mehr in welchem- sein bepinkeltes Bettlaken gut sichtbar über ein Geländer hängen und sich daneben an den Pranger stellen. Alle Kinder gingen dann daran vorbei und sahen den "Schuldigen". Die meisten von uns hatten aber nur Mitleid mit dem Kind, durften es aber nicht zeigen. So gingen wir alle bedrückt und traurig an dem Bettpinkler vorbei. Ich kann mich an keine Situation erinnern, in dem ein anderes Kind Schadenfreude gezeigt hätte. Wir waren nur erleichtert, dass es uns nicht getroffen hatte.
In einem der Häuser im Sauerland machte ich beim Spielen im Wald in die Hose. Ich muss wohl Durchfall gehabt haben, denn ich erinnere mich daran, dass ich meine Unterhose einfach nicht schnell genug runterziehen konnte. Die beschissene Unterhose habe ich aus Angst vor Strafe im Wald vergraben und bin dann bis zum samstäglichen Duschtag ohne Unterhose rumgelaufen. Nach der Dusche gab es dann im Tausch gegen die schmutzige saubere Wäsche. Die hatte ich nicht und so gab es ein schreckliches Theater. Da war ich 8 Jahre alt und habe es auch nach nunmehr 60 weiteren Jahren nicht vergessen.
Wir hatten zu Hause mit 5 Geschwistern nur sehr wenig Geld. Einmal bekam ich zu Ostern ein Paket mit Süßigkeiten. Es wurde mir nicht ausgehändigt, sondern in einen großen Topf geworfen und an alle Kinder verteilt. Ich habe sehr geweint, weil ich gewusst habe, dass dieses Paket für meine Eltern ein großes finanzielles Opfer bedeutet hat und es mein allererstes Paket an mich ganz alleine war.

Als ich in Norderney war, leider weiß ich den Namen des Heimes nicht mehr, meine aber, dass ich von der AWO verschickt wurde, war ich schon 12 Jahre. Ich kannte die Gepflogenheiten ja schon und habe nichts Besonderes erwartet. Aber dort hat es mir gut gefallen. Das Essen war erträglich, wir haben jeden Tag lange Wanderungen am Strand gemacht und haben nachmittags bei gutem Wetter draußen gespielt. Viel Völkerball und andere Gruppenspiele. Bei schlechtem Wetter hatten wir jede Menge Gesellschaftsspiele zur Verfügung. Die Betreuer waren jung und im Wesentlichen freundlich. Namen kenne ich leider nicht mehr. Ich war jetzt gerade auf Norderney. Ich meine, in der heutigen Jugenherberge am Dünensender gewesen zu sein. Weiß jemand, ob das ehemals ein Kinderverschickungsheim war und wie es hieß? Ich kann mich an den Namen nicht mehr erinnern. 2 Jahre später, das war dann schon 1965 hat es mir auf Sylt ebensogut gefallen.
Unknown hat gesagt…
Hallo Ehemalige Norderney Verschickungskinder
Ich musste im Jahr 1974 auch 6 Wochen in dieser Einrichtung verbringen.
Das Wellenbad ist mir da auch gut in Erinnerung und das ebenfalls nicht positiv.
Die Frauen die als Aufseherinen dort arbeiteten auch ,das Klima der Angst,die Bestrafungen usw.
Ein Vorfall war ist mir nach 46 Jahren noch gut in Erinnerung .
Bei einem Jungen wurden Läuse gefunden.
Das fanden die Aufseherinen gar nicht lustig,der Junge bekam eine gelbe Paste auf den Kopf und würde dann mit Stoff
umwickelt.
Er bekam alle Sachen abgenommen und würde behandelt wie der letzte Dreck .Er musste im Großen Saal schlafen und verbrachte seine Zeit am Tag auch dort. Die Aufseherinen trangsalierten ihn ohne Unterlass .....
Seit dem habe ich panische Angst Läuse zu bekommen und das kann ja jeden treffen ..
Unknown hat gesagt…
Ich hätte all da Üble verdrängt, doch jetzt ist alles wieder da. War im Sommer 1964 für 6 Wochen im Wilhelm-Augusta-Heim auf Norderney. Es war sehr bedrückend. Habe keine guten Erinnerungen. Angeblich war ich zu dünn, Schilddrüsenüberfunktion! Es war die Hölle!
Mi Po hat gesagt…
Hallo zusammen,

ich hatte vor einigen Jahren schon einmal hier weiter oeben gepostet.

Ich war auch ~1969 im Sommer im "Vestischen Kinderkurheim" der Stadt Recklinghausen. Traumatische Erinnerungen gehen mir bis heute in stillen Stunden durch den Kopf.

Heute bei Google gesucht müsste es nach der Erinnerung das "Haus am Weststrand in der Viktoriastraße" gewesen sein. Kann das jemand bestätigen?

Existieren eigentlich Fotos von der Einrichtung, insbesondere der Kellerräume /Waschbeckenreihen und Duschen? Ich kann mich noch sehr gut erinnern an einen kalten, großen, weißen Kellerraum mit dicken Rohren und Brausen an der Decke. Und große, schwere Ventile an der Wand, mit der das Wasser an und abgestellt werden konnte.

Gibt es vielleicht Personen, die in dieser Zeit (auch) dort waren?

Viele Grüße
Michael
Unknown hat gesagt…
Hallo Zusammen,
Auch ich war 1961 als knapp 4Jährige auf Norderney. Von Mai bis November dauerte meine Kur. Eure Berichte haben bei mir einige unangenehme Erinnerungen hervorgerufen. Es gibt noch ein paar Fotos und einen Brief.
Ich denke oft darüber nach, in welchem Masse die damaligen Erlebnisse mein restliches Leben beeinflusst haben.
Ich würde mich über Kontakte freuen aus der damaligen Zeit. Meine Mail Adresse ist : elkepannen@gmail.com.
Lg Elke
Schwabenfrau hat gesagt…
Hallo,
ich habe im Spiegel es gelesen und war erschüttert. Es war ja auch mit der Kinderlandverschickung so, bis in die 1980er Jahre
Hier sollte man wirklich mal sich zusammentun und auch klagen.

Es ist furchtbar, was Kindern hier angetan wurde und dabei haben die Heime noch jede Menge Geld verdient. Dass die Eltern hier nicht dagegen vorgegangen sind, das nimmt mich Wunder.
Es kann aber auch sein, dass die Kinder auch nicht darüber gesprochen haben. Mein Güte, bin ich froh, dass ich das nicht mitmachen mußte.
Mit lieben Grüßen Eva
Stefan hat gesagt…
Moin,

1988 war ich als 13 jähriger "Insasse" der Kinderkurklinik Upstalsboom, Strandstrasse 4 auf Norderney (heute eine Bank). Träger des Kurheims war die LVA (stand auf den Löffeln), Da ich damals schon mehrfach auf Norderney im Urlaub war, hatte ich mir auch diesen "Urlaub" sehr frei vorgestellt. Leider sah die Wirklichkeit dann etwas anders aus...

Kurz nach der Ankunft wurden wir in Gruppen eingeteilt: Ich gehörte mit 13J. zu den "Großen Jungs" von insgesamt 106 Kinder im Alter zwischen 6 bis 13 Jahren. Wir wurden der 21 jährigen Erzieherin Mechtild Schindler zugeteilt.


Alle persönlichen Dinge, wie Geld etc., mussten abgegeben werden - laut meines Handtuchstickers war ich Nummer 36.

Das Geld wurde uns in kleinen Portionen bei Ausflügen zugeteilt. Alle ausgehende Briefe wurden zensiert!!! Allerdings konnte man natürlich bei einem Ausflug Briefe rausschmuggeln - habe ich jedenfalls so gemacht (Die Wahrheit in dem Brief hat aber niemanden interessiert).

Als Jungen in dem Alter fanden wir es nicht schön in den "Gesellschaftsduschen" nackt vor der 21 Jährigen Erzieherin zu duschen.

Wenn man beim Mittagsschlaf (Mittagsschlaf mit 13j) zu laut war, durfte man die restlichen Stunden auf dem Flur verbringen - eingeklemmt zwischen zwei Schränken. Aber man konnte dabei heimlich mit dem Nippel des Uhrenarmbandes tröstende Worte für den Nachfolger in die Wand ritzen.

Einmal hatte jemand beim Frühstück seine Milch nicht ausgetrunken. Da gab ein Tribunal ohne den Schuldigen zu finden. Die 4 Verdächtigen mussten 1-2 Tage die Tasse anstarren. Plötzlich "Gulp" einer hat tatsächlich die saure Milch runtergekippt. Das war viel schlimmer - wer hat die nun getrunken :-)

Wer beim Essen gelacht hat musste vor die Tür - war uns egal.
Anrufe von Eltern wurden abgewimmelt.

Bei einem kleinen angezettelten Hungerstreik von 106 Kindern, weil wir beim Essen zu laut waren, hat uns Schwester Stephana (Die Krankenschwester - eine der Guten) mit Traubenzucker unterstützt.

Vor ein paar Jahren hatte ich Kontakt zu Ehemaligen. Ein Mädchen (Georgina) damals 12J und Dirk S. damals 13j, dem ich seiner Mutter bestätigen konnte, dass es wirklich so schrecklich war, wie er ihr berichtet hat.

Meine Schwester, die zur gleiche Zeit dort war, hat versucht Unterlagen aus der Zeit von der LVA zu bekommen - aber die sind alle verschwunden.

Nach meinen Erinnerungen kann ich mich an nur seltene Besuche an den Strand oder zum Baden erinnern. Was an der ganzen Aktion eine Kindererholungskur sein sollte, ist mir schleierhaft. Die Bundeswehr ein paar Jahre später war im Gegensatz dazu ein Spaß.

Es wäre schön, wenn sich auch ehemalige Betreuer in diesem Blog aus ihrer Sicht dazu äußern würden.

Viel Grüße
Stefan
Lena hat gesagt…
Sehr geehrte Betroffene, ich habe den ZEIT ARTIKEL damals geschrieben, der in den Kommentaren erwähnt wurde und auch aktuell weiterhin über Missstände in Kidnererholung- oder kurheimen berichtet und suche weitere Betroffene für Folgeberichterstattungen. Ich würde mich freuen, wenn Sie über meinen torial account Kontakt zu mir aufnehmen. https://www.torial.com/lena.gilhaus (dort finden Sie auch meine Kinderkur-Berichte).

Ich suche konkret Betroffene, die im Iserlohner Kinderkurheim auf Norderney waren, woraum es in dem Anfangspost ja auch ging. Aber auch Berichte aus anderen Heimen interessieren mich.
Unknown hat gesagt…
Hallo, auch ich war in den 70iger Jahren in Norderney wg meinem Asthma. Die Kinder sind wg jeder Kleinigkeit geschlagen und angeschrien worden. Mein Vater ist nach meiner Heimkehr mit mir zum BKA Düsseldorf gegangen und darauf gab es Untersuchungen. Ärzte haben dabei zugegeben das sie keine Traute hatten bei den so heiligen Schwestern was zu sagen. Viele der Kinder hatten grün und blauäugig geschlagene Körperteile. War ich danach gesund? Nein das Gegenteil. Psychisch ging es nicht gut danach aber bloss nicht auffallensonst kommt das Kind ja in die Klapse. Die Zeit hat geprägt. Goodwill.speck@outlook.de
Anonym hat gesagt…
Wahnsinn, ich stosse erst jetzt auf dieses Thema...
Ich war als 8-jährige (1974) im Kinderkurheim der Stadt Bielefeld, Feldhausenstr.2, 2982 Norderney. Strenges Regiment ich glaube Frau Schwarz sagt mir etwas... Vor allem Dosenravioli als Ekelspeise ist mir in Erinnerung. Auch der Gang ins Wellenbad und an den Strand. In der Mittagsruhezeit "Gesicht zur Wand" ist mir auch geläufig. Alles in allem habe ich die Zeit gut verkraftet. Eines allerdings ist mir erst Jahrzehnte später klar geworden: Die ärztliche Untersuchung mit Gewichtsdokumentation... Durchgeführt von einem (in meiner Erinnerung) alten, glatzköpfigen Arzt mit dunkler Hornbrille, unterstützt von einer älteren Schwester in Tracht.
Wir Kinder mussten uns in Reihe aufstellen, nur mit Unterhose bekleidet. Der Arzt kniff mit 2 Fingern in die Kinderbrust und kommentierte für die Akten eines jeden Kindes: "Fettpolster ausreichend". Ein Mädchen (Sieglinde, schon älter als ich, mit deutlichem Busen) wurde durch die Schwester "gerettet": Diese betonte mehrmals, dass Sieglinde ihren schönen, lila BH anbehalten dürfte... ich bin heute 57 - aber diese Untersuchung spukt immer noch in meinem Kopf herum. Wie verächtlich und bloss gestellt man dieser Willkür ausgesetzt war.....
An das Kinderkurheim Wilhelm-Augusta-Heim im Sommer 1956 in das ich als neunjährige Herforderin verschickt wurde wegen "Keuchhusten" habe ich keine frohen Erinnerungen .... Zwang, Zwang, Zwang ... ständige Bevormundung ... Zeittakt für den Toilettengang mit der ganzen Mädchengrupee .... Badeverbot .... Spaziergänge Händchen-in-Händchen mit mir fremden Kindern .... Briefzensur .... keine Möglickeit, selbstständig die Kleider zu wechseln .... Zwang unter Aufsicht einer Betreuerin mit einem fremden Jungen spielend Freundschaft zu schließen, der mir immer ein Bein stellte, wenn ich an seinem Tisch im Speisesaal vorbei mußte ..... Mit nachdenklichen Grüßen Bärbel Strenger (*1947)

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