" Hier kommt die Maus ", Maschendrahtzaun " oder " Wadde hadde dudde da?" - Wenn ein Altmeister des Blödelns in die Pflicht genommen wird.




Das Privatfernsehen war noch immer nicht aus seinen Kinderschuhen heraus gekommen, da gab ein Moderator namens Stefan
Konrad Raab seine ersten Duftmarken ab. Er produzierte bereits 1990 eine Werbejingle und stieg im Jahre 1994 bei dem Kölner Musiksender VIVA ein.
Der gute Stefan gab sich hier als Lebensberater der pubertierenden Generation 12 Plus und hatte in seinen Sendungen so allerhand Flachsinniges im Petto, dass er der darbenden, pickligen und menstruierenden, weiblichen Glotzermeute einstreute. Ob nun ein Hinweis auf " Clerasil ", " OB Tampons " und " Billy " Kondome, kein Kalauer war ihm schlecht genug, um die lechzenden Voyeuristen am Kinder/Jugendzimmer-Viertgerät davon zu überzeugen, dass das Leben im jetzigen Alter so ungerade verläuft, wie die krumme Banane oder die all morgendliche Wasserlatte nach durch träumter Nacht.

Raab wäre nicht zu Raab geworden, wenn er nicht damals die Zeichen der Zeit erkannt hätte und sich zur multi-funktionalen Einheitswaffe gegen das TV-Establishement von ARD und ZDF aufschwang. Seine Sangeskünste blieben zwar eher bescheiden, dennoch hat er auch auf diesem Feld beachtliche Erfolge erzielen können. Der Gassenhauer " Bööörti, Böörti Vogts " war noch der allgemeinen Fußballhysterie geschuldet und zeigte eher begrenzte Auswirkungen auf die Nonsensgarde, innerhalb der längst eingeläuteten Spaßgesellschaftsdauerdiskussion.

Mit dem Chart - Titel " Hier kommt die Maus " traf er sogar einen fernsehpädagogischen Dauerbrenner ins Herz und produzierte einen " BRAVO - Hit " Langbrenner,der eher als Hommage an eine TV-Institution aus Köln, nämlich die Sendung mit der Maus, die ja vom WDR ins Leben gerufen wurde,gedacht war. Der Titel fand sich doch tatsächlich im Jahre 1996 auf einer der sündhaft teureren Doppel-CDs, mit der die " BRAVO " den abtrünnigen Kids gleich über 32,-- DM aus der Tasche leiern konnte.

Neben Veralberungsstücken, nämlich den von Raab adaptierten Schlagern " Ein Bett im Kornfeld " sowie " Es war Sommer ( und bei uns Winter ), mit denen er den Schmalzbubi Jürgen Drews und den einstigen Jüngling Peter Maffay veralberte, konnte er das " Dschungelbuch " - Lied " Probierś mal mit Gemütlichkeit " verkaufsträchtig unter die Leute bringen. Die schlimmen 90er gingen aber damit für Raab noch nicht zu Ende.

1999 produzierte das Bunt-Blöd-Fernsehen ein neues Format: Das Gerichtsfernsehen. Ab 1999 begann die " echte " Juristin Barbara Ludovika Salesch bei SAT1 mit der aus Amerika übernommen deutschen Ausgabe von Judge Judy. Sie befasste sich zunächst mit realen Zivilstreitigkeiten. In einer ihrer Sendungen trat im September 1999 eine Regina Zindler gegen ihren Nachbar Gerd Trommer aus Auersbach in Sachsen auf und verlangte in der Gerichtsshow, dass ein von Trommer gepflanzter Knallerbsenstrauch von ihrem Maschen-Draht-Zaun entfernt werden müsse, da dieser das Drahtgeflecht beschädige. Raab nahm diesen unsinnigen, aber kuriosen Nachbarschaftsstreit in seiner Sendung " TV Total " sofort auf die Schippe und produzierte später einen " Country " - Song zu jenem Konflikt. Dadurch erlangte die Gemeinde überregionale Aufmerksamkeit. Es kam zu Massenbesuchen vor den Häusern der Ex-Parteien. Die fiktive Klägerin " Regina Zindler " hielt den öffentlichen Druck nicht mehr stand und begab sich deswegen in die Psychiatrie. Sie lebt heute in Berlin.

Raab landete mit dem Lied einen " Nummer Eins Hit " und erklärte sich später bereit, die in dem Stück sprechende Regina Zindler an dem Verkaufserlösen prozentual zu beteiligen.

Ein Jahr zuvor hatte Raab einen Ex-Sozialarbeiter namens Guildo Horn durch exzellente Vermarktungsstrategien am ESC für Deutschland auftreten zu lassen. Horn war hier mit seinem Blödellied " Guildo hat euch lieb " durchaus erfolgreich und landete auf Platz 7. Zwei Jahre später ließ Raab sich nicht lumpen und trat selbst mit " Wadde hadde dudde da " auf. Der Rap-Song landete auf Platz 5.
Auch hierfür stand eine nicht sehr intelligente Protagonistin Pate. Als Raab sich im Harz zu einem Spaziergang aufraffte, bekam er eher zufällig mit, wie eine junge Frau, die ihren Hund frei laufen ließ,dessen im Maul herbei gebrachten Gegenstand mit der Frage " Wadde hadde dudde da? " quittierte. Ein blödsinniges Gemisch aus Hochdeutsch, Kleinkindjargon und Plattdeutsch. Raab fand die Begegnung derart amüsant, dass er flugs ein Lied daraus komponierte, dass er dann bei der ESC- Vorausscheidung in Bremen vorstellte und mit diesem den ersten Platz belegte.

Dass seit jenem Erfolg bereits 10 Jahre vergangen sind, ficht den Altmeister, der im Oktober immerhin auch schon 44 Jahre alt wird, nicht im geringsten an. Er fühlt sich noch jung genug, um bei der ESC-Ausscheidung über Pro7 sowie die ARD, für die der NDR verantwortlich ist, Regie führen zu müssen. Dass er sich auf die seit den Anfängen des ESC, der damals noch Gran Premio Eurovisione della Canzone Europea hieß und sich je nach der Landessprache des Veranstalterstaates als Großer Preis der Eurovison oder Grand Prix Eurovision de la Chanson Européene umbenennen durfte, in der BRD hierbei gebildete Schlager-Mafia um Christian Bruhn, Hans Blum und Ralph Siegel schnell kaprizierte und diese ausbooten wollte,müsste ihm einerseits hoch angerechnet werden,andererseits ist die Qualität der unter seiner Regide oder in eigenem Namen dargebotenen Beiträge nicht wesentlich besser .

Mit zunehmeder Totalvermarktung der Veranstaltung, ihrer nationalen Interpreten und deren Lieder, nimmt auch die Verfallzeit rapide ab. Wer kann sich schon an den Sieger des ESC 1990,2000 oder 2005 erinnern, wenn die Interpreten aus der BRD bereits nach wenigen Wochen in die Versenkung verschwunden sind? Niemand!

Raabs Anspruch, mehr Transparenz in den Ablauf der Vorentscheidung einzubringen, das Publikum umfassender einzubeziehen und möglichst keine etablierten Profis daran teilhaben zu lassen, ist sicherlich aller Ehren wert. Leider, hat Raab durch die zu starke Anlehnung an die von dem Übervater des Pops, unser aller Dieter Bohlen, kreierte Sendung " DSDS " seine eigenen Vorgaben nicht erfülllen können. Deshalb war das Niveau in den, über seinen Heimatsender Pro7 und der ARD, ausgestrahlten Sendungen, nicht unbedingt besser. Was sich jedoch wohltuend von dem Bohlen - Klamauk auf RTL unterschied, war die Fairness, mit der die Jury um Raab die Möchte-gern-Sangesakrobaten behandelte.

Immerhin ein Lichtblick im tristen Einerlei der Pop-und Schlagerwelt.

Raab ist zwar mit seinem Vorhaben, mehr frische Luft in die ESC-Mief hinein zu blasen nicht gescheitert, dennoch gibt es noch viele gute Ansatzpunkte, deren Verbesserungsfähigkeit auf der Hand liegen.

Fazit: Stefan hat am Maschen-Draht-Zaun lieb nachgefragt: " Wadde hadde dudde da ? "

Es sind vor ihm und auch danach wesentlich schlimmere Nichtskönner aufgetretenen.

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
So ganz kann ich deine Meinung diesmal nicht teilen. Als alter ESC-Fan (war mir noch nie peinlich, hehe) bin ich regelrecht begeistert, dass das eintrat, was ich mir seit Jahren wünschte: einer wie Raab, bzw. eben Raab höchstpersönlich, bemüht sich um die Sache. Das hat er für meine Begriffe ganz gut hinbekommen, das Kunststück sich mit den Ewiggestrigen der ARD zu einigen mit eingeschlossen. Die Kandidaten konnten durch die Bank weg singen und solche Vollpfosten wie bes DSDS und Konsorten gab es hier auch nicht.

Was das dann in Oslo tatsächlich bringt, sei mal dahin gestellt. Der ESC hat da ein seltsames Eigenleben. Ungeachtet dessen vermute ich auch manchmal, wir könnten schicken, wen wir wöllten, diverse Teile Europas sind Deutschland aus historischen Gründen nicht so wohlgesonnen...

Jedenfalls ist der Ansatz eines ordentlichen Vorausscheids essentiell, um auch bei eventueller schlechter Platzierung vor Ort sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, herzlose Minderqualität gebracht zu haben.

Letztes Jahr gab es gar keinen Vorausscheid, stattdessen wurde ein abgehalfterter Technoproduzent mit einem völlig nichtssagenden Milchreisbubi samt (am Ende fast nicht zu sehender) Dita v. Teese ins Rennen geschickt. Video kam erst spät, Internetpräsenz praktisch bei null, Interesse des NDR (wofür man ja schließlich ordentlich blechen muss, auch wenn man als junger Mensch kaum was dafür geboten kommt) naturgemäß auch, was will man da erwarten. Auch in den jüngst vergangenen Jahren, das tat ja schon weh. Immer die selbe Leier: Hermanns, Uecker, Joy Flemming (eine offenbar an völligem Realitätsverlust und Selbstverliebtheit erkrankte Unperson, wenn man mich fragt) und dann Kandidaten wie Thomas Anders, Vicky Leandros, Monrose... Da hat sich selbst ein HardcoreFan wie ich nur noch müde durchgequält.

Summa summarum: Was auch immer draus wird, diesmal hat es wenigstens Hand und Fuss, man muss sich nicht schämen und dafür braucht es Leute wie einen Herrn Raab.

PS: Das mit der Schlagermafia haste schön formuliert. ;o)

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