Grundeigentum verpflichtet zum Sanieren der maroden Staatsfinanzen.


Die Varianten der öffentlichen Hand sind nicht abschließend aufzählbar, wenn es darum geht, dem sonst für unmündig erklärten Bürger das Geld aus der Tasche u ziehen. Ob nun über die Steuer - und Abgabenschraube, die Gebühren - und Pflichtbeiträge oder sukzessive Leistungskürzungen, dieses Alles dient den Kommunen, den Städten, den Kreisen, so wie auch den Bezirken, Bundesländern und dem Bund selbst, die ständig fest gestellte Unfähigkeit, das einkassierte Geld sinnvoll und ökonomisch einzusetzen,zu kaschieren und gleichzeitig für dann immer weniger Leistungen, immer mehr Geld zu verlangen.

Eine weitere Abart dieses systemimmanenten Drangs,bestimmte Bevölkerungsgruppen auf unbestimmte Zeit für die Fehler, die Fehlplanungen und Fehleinschätzungen zur Kasse zu bitten,haben nun 103 sächsische Gemeinden entwickelt. Sie werden den Eigentümern in insgesamt 126 so genannten Sanierungsgebieten Ausgleichsabgaben für den erhaltenen Wertzuwachs abverlangen.

Worum geht es eigentlich?

Es gibt im Rahmen des kommunalen Aufgabenkatalogs die Verpflichtung, infrastrukturelle Maßnahmen umzusetzen, damit der sich aus dem Grundgesetz abgeleitete Anspruch nivellierter Wohn - und Lebensbedingungen in der Bundesrepublik erfüllt werden kann. Hierzu werden unterschiedliche Sanierungsarbeiten, wie der Straßenbau, der Bau von kommunalen Einrichtungen und die Kultivierung von Flächen ausgeführt. it jeder dieser Projekte soll dann - vermutlich - der Wohnwert, der rechnerische Wert eines Grundstücks steigen, das sich innerhalb eines Sanierungsgebiets befindet.
Wenn nun das Grundstück oder das Hausgrundstück wieder verkauft werden sollte, gilt zunächst der den Preis einzig und allein beeinflussende Faktor: die Lage.

Was nun eine Bewertung der Grundstückslage angeht, so gibt es hierfür komplizierte Berechnungsfaktoren. Dieses Prozedere anzuwenden, einen Grundstückspreis zu ermitteln und diesen auch noch zu begründen, bedeutet jedoch, das hier ein Sachverständiger beauftragt werden muss.

Summa summarum erhält dann ein Eigentümer einen Grundstückswert je Quadratmeter als Richtwert, den er im Falle eines Verkaufs als Orientierungshilfe ansetzen darf. Nun ist die Theorie grau, die Praxis indes sieht oft völlig anders aus.

Zwischen den werterhöhenden und wertmindernden Faktoren gibt es ein äußerst kompliziertes Wechselspiel. Wenn zum Beispiel die Kommune einen Kinderspielplatz errichten lässt, bedeutet dieses noch lange nicht, dass diese Maßnahme automatisch zu einer Erhöhung des Grundstückswertes führt. Denn: Was für den Eigentümer X,, der eine Familie mit Kind hat, ein Segen sein könnte, mutiert bei dem Eigentümer Y, einem 70 jährigen Rentnerehepaar zum Fluch, weil von dem in grundstücksnähe belegenen Spielpaltz möglicherweise Lärm herüber dringt, der die Lebensqualität beeinträchtigen könnte.

Nun hat das Sächsische Innenministerium im Dezember 2009 die Kommunen, in denen so genannte Sanierungsgebiete durch Baumaßnahmen aufgewertet wurden, per Delegationsrecht dahin gehend verpflichtet, eine " Ausgleichsbetrag " für jeden Eigentümer in diesen Gebieten zu erheben. Rechtsgrundlage ist das seit 1987 in Kraft getretene Baugesetzbuch, dass mit § 154 eine derartige Finanzierungsmöglichkeit vorsieht. Hier heisst es nämlich:


§ 154 Baugesetzbuch
Ausgleichsbetrag des Eigentümers
(1) Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat
zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten,
der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks
entspricht; Miteigentümer sind im Verhältnis ihrer Anteile an dem gemeinschaftlichen Eigentum
heranzuziehen. Werden im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im
Sinne des § 127 Abs. 2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind Vorschriften über die
Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten
Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Satz 2 gilt entsprechend für die Anwendung der Vorschrift
über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen im Sinne des § 135a Abs. 3.

(2) Die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks besteht aus
dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn
eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem
Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des
förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert).

(3) Der Ausgleichsbetrag ist nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163) zu entrichten. Die
Gemeinde kann die Ablösung im Ganzen vor Abschluss der Sanierung zulassen; dabei kann zur
Deckung von Kosten der Sanierungsmaßnahme auch ein höherer Betrag als der
Ausgleichsbetrag vereinbart werden. Die Gemeinde soll auf Antrag des
Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen, wenn der
Ausgleichsbetragspflichtige an der Festsetzung vor Abschluss der Sanierung ein berechtigtes
Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann.

(4) Die Gemeinde fordert den Ausgleichsbetrag durch Bescheid an; der Betrag wird einen Monat
nach der Bekanntgabe des Bescheids fällig. Vor der Festsetzung des Ausgleichsbetrags ist dem
Ausgleichsbetragspflichtigen Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung der für die
Wertermittlung seines Grundstücks maßgeblichen Verhältnisse sowie der nach § 155 Abs. 1
anrechenbaren Beträge innerhalb angemessener Frist zu geben. Der Ausgleichsbetrag ruht
nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück.

(5) Die Gemeinde hat den Ausgleichsbetrag auf Antrag des Eigentümers in ein Tilgungsdarlehen
umzuwandeln, sofern diesem nicht zugemutet werden kann, die Verpflichtung bei Fälligkeit mit
eigenen oder fremden Mitteln zu erfüllen. Die Darlehensschuld ist mit höchstens 6 vom Hundert
jährlich zu verzinsen und mit 5 vom Hundert zuzüglich der ersparten Zinsen jährlich zu tilgen.
Der Tilgungssatz kann im Einzelfall bis auf 1 vom Hundert herabgesetzt werden und das
Darlehen niedrig verzinslich oder zinsfrei gestellt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse
oder zur Vermeidung unbilliger Härten oder zur Vermeidung einer von dem
Ausgleichsbetragspflichtigen nicht zu vertretenden Unwirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung
geboten ist. Die Gemeinde soll den zur Finanzierung der Neubebauung, Modernisierung oder
Instandsetzung erforderlichen Grundpfandrechten den Vorrang vor einem zur Sicherung ihres
Tilgungsdarlehens bestellten Grundpfandrecht einräumen.

(6) Die Gemeinde kann von den Eigentümern auf den nach den Absätzen 1 bis 4 zu
entrichtenden Ausgleichsbetrag Vorauszahlungen verlangen, sobald auf dem Grundstück eine
den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung
zulässig ist; die Absätze 1 bis 5 sind sinngemäß anzuwenden.

Eine sehr spezielle Materie, ein Tummelplatz für die Damen und Herren der Dritten Gewalt, wenn die Argumente zur Auslegung jener Vorschrift hin und her geschoben werden. Primär geht es aber um Geld. Und da hört bekanntlich die Freundschaft auf. Sobald die ersten Erhebungsbescheide die zuständigen Dienststellen der Kommunen verlassen, dem Eigentümer zugegangen sind und der sich des Zornes übermannt ans Telefon begibt, ist Streit bereits vorprogrammiert.
Dann versammeln sich die Betroffenen in Radebeul - Kötzschenbroda, in Coswig oder Geringswalde zum Protest gegen die " unverschämten " Forderungen des Staates.

Nach dem die ersten Wogen geglättet, die ersten Prozesse entschieden und die Jahre vergangen sind, bleibt von der wütenden Revolution der Spätbetroffenen nur ein Lüftchen, ein Sturm im Wasserglas, mediales Gewitter in der Provinz, denn: In anderen Bundesländern, die bereits jetzt zahlungsunfähig sind, ist jene Praxis seit vielen Jahren gang und gäbe. Eigentum verpflichtet, vor allem dann, wenn es um das Zahlen geht.

Da bleibt denn meistens nur der mühsame Gang zur nächsten Sparkasse, deren Slogan: " Wenn's um Geld geht.. " hier voll umfänglich zutrifft.

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