Das alte Haus von Rocky Docky.


In zwei Tagen jährt sich der 20. Todestag des Musikers Bruce Low,eigentlich Ernst Gottfried Bielke, der am 26. 03. 1913 geboren wurde. Low war in den spießigen 50er bis 60er Jahre ein gefragter Fernsehgast.
Seine Mixture aus eingedeutschter Country Music, Schlagern und später Gospelliedern, brachte dem gebürtigen Niederländer einst einen hohen Bekanntheitsgrad.
So, wie viele Dinge im Leben, war sein Ruhm jedoch vergänglich. In den 80er Jahren tingelte er als Moderator in diversen Zirkuszelten in Deutschland und Europa umher. Seine Interpretationskünste waren nicht mehr gefragt. Die Medien setzten auf andere Erfolgspferde, so die Disco-Musik, die NDW und den platten deutschen Schlager.

Das Lied vom alten Haus in Rocky Docky plärrte im Jahre 1955 und danach aus sämtlichen Musikboxen, wurde von vielen Rundfunkstationen über den Äther in die Wohnzimmer der nach Freihet, Reisen und Vergessen darbenden Nation eingespielt. Wer im Jahre 1955 schon wieder Geld hatte, der legte sich eine Musiktruhe mit integrierten 10er-Singlewechsler zu. Hier konnte dann das peppige, im Rock & Roll - Stil der vermieften 50er arrangierte Lied von Bruce Low bis zum Exitus des Geräts abgenudelt werden.

Nun, das ist mittlerweile 45 Jahre her.Jener WiWu-Exponent ist längst in Vergessenheit geraten. Dennoch dürfte das Thema noch immer aktuell sein.

Es geht im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausend nicht um eine Bruchbude in Amerika, sondern um eine Wohnanlage in Hamburg.
In einem Artikel des dort ansässigen Nachrichtenmagazins " DER SPIEGEL " ( Ausgabe 7 / 2010 ) wird über unhaltbare Zustände in einem Wohnhaus in Hamburg - Eilbek berichtet. Hier leben jene Randfiguren der Gesellschaft, die es nicht geschafft haben. Die irgendwann, irgendwo, irgendwie gescheitert sind. Die sich keine - bürgerliche - Existenz aufbauen konnten.

Hinter der farblich ansprechenden Fassade des Wohnblocks, der ausschließlich aus Appartements für HARTZ IV oder besser SGB II - Bezieher besteht, kommt das ganze Elend zwischen Perspektivlosigkeit, zerplatzten Träumen und nicht eingelösten Hoffnungen zum Vorschein. Hier zeigt sich mit jeder schadhaften Stelle an den Decken, den Wänden und den Fußböden,dass es in disem unserem Lande Menschen dritter Klasse gibt. Die sozial Geächteten, die Abgehängten, das Prekariat.

Angefangen von Schimmelpilzen an den Wänden, über Wasserflecken an der Decke und Rissen in den Fensterlaibungen bis hin zu Schmutz, Müll, Unrat, zerstörten Wohnungstüren, zerschlagenen Scheiben und abgeplatzten Putz, gibt es die unterschiedlichen Ausprägungen des zwischenmenschlichen Unvermögens zu besichtigen. Hier hat die Sehnsucht nach einem " normalen " Leben Endstation. Hier ist die Schußfahrt nach unten in einen Sackbahnhof angekommen. Last exit HH-Eilbek.

Die Mehrzahl der Wohnungen gehört einem Thorsten Kuhlmann. Kuhlmann hat Mietverträge abgeschlossen, die verienbarten Entgelte zahlt die ARGE, das Amt, die Agentur in Hamburg. Sie zahlt an Kuhlmann, obwohl die tatsächliche Wohnfläche wesentlich geringer ist, als die Angaben in seinen abgeschlossen Mietverträgen. Was Kuhlmann als " bedauerlichen " Einzelfall darstellen möchte, hat wohl eher System. Er kassiert Mieten für Wohnungen, die de facto zu klein sind; die erheblich geringere Wohnflächen aufzeigen, als in den vorgelegten Mietverträgen angegeben. Wir Juristen nennen diese Wohnungen hämisch " Luftschlösser ", weil sie de jure mit einem Mangel behaftete sind, der - so die ständige Rechtsprechung des BGH - als Mietmangel eingestuft werden muss. Wenn die reale Wohnfläche um mehr als 10 % von der im Mietvertrag angegeben zu Lasten des Mieters abweicht, kann dieses rechtliche Konsequenzen für den Vermieter haben.

Der Mieter hat dann das Recht, die Miete zu mindern. Er könnte von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch machen, wenn ihm vor Vertragsabschluss vorgegaukelt wurde, dass die Fläche größer sein soll,als es objektiv der Fall ist. Nachmessen hilft sehr oft. Nur, wer macht dieses wirklich, wenn er ohnehin schon zum gesellschaftlichen Randsatz zählt?
Das Selbstbewusstsein ist meistens längst weg. Die Lethargie stellt sich ein. Parallel hierzu kommen Drogenprobleme. Wer streitet sich dann schon auf dem zivilrechtlichen Wege mit dem Vermieter?

Der SPIEGEL-Redakteur Bruno Schrep berichtet auf den Seiten 39 bis 44 über ein altes Haus in Hamburg im 3. Jahrtausend, dessen Außenhaut den Betrachter blendet, weil sie das Innenleben abdeckt, zudeckt, übertüncht. So, wie es in ungezählten Bereichen der Gesellschaft auch praktiziert wird.

Kuhlmann partizipiert von dem alten Haus in Hamburg. Er gehört zu den Krisengewinnern, denn er kassiert - oft sogar widerrechtlich - Mieten, die er nicht reinvestiert, sondern über seinen großspurigen Lebensstil verprasst.Kuhlmann lebt nicht in Amerika, nicht in dem Fantasiereich Rocky Docky; er lebt in Hamburg. In jener Stadt, die sich - völlig zu Recht - das Tor zur Welt nennt, die die Freie und Hansestadt ist weltmännisch. Hier existiert Arm neben Reich, Blankenese und Altona sind so weit nicht auseinander, wie in anderen Millionenmetropolen.Hamburg rühmt sich einer Tradition, die schon zu Zeiten der Hanse auch als Triebfeder jedweden kaufmännischen Treibens war: zuerst kommt der Mensch, dann das Material.

Das alte Haus in Hamburg gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür her, dass es auch im Jahr 2010 so ist. Wer betrügt gehört angeklagt, wer bescheisst muss zurück zahlen, wer lügt, dem gehört das Wort entzogen.
Der Grundsatz der ersten amerikanischen Siedler lautete auch: " In god we trust ". Um zu erkenennen, dass das windschiefe Haus in Rocky Docky keinen Gott mehr benötigt, muss ein Mensch jedoch nicht gläubig sein. Oft reicht es, sich seiner Zivilcourage zu besinnen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Eine Strafanzeige wegen gewerbsmäßigen Betrugs hilft da eben doch weiter.
Dann kracht das alte Haus zusammen, so, wie das Lügengebilde des Mehrheitseigentümers Kuhlmann auch.



Dieses Haus ist alt und hässlich

dieses Haus ist kahl und leer

Denn seit mehr als fünfzig Jahren

da bewohnt es keiner mehr

Dieses Haus ist halb verfallen

und es knarrt und stöhnt und weint

Dieses Haus ist noch viel schlimmer als es scheint



Das alte Haus von Rocky Docky hat vieles schon erlebt

Kein Wunder

das es zittert

kein Wunder das es bebt

Das Haus von Rocky Docky sah Angst und Pein und Not

Es wartet jeden Abend auf's neue Morgenrot



Dieses Haus will ich bewohnen

komm' vom Wandern ich zurück

Denn das Haus ist voller Wunder und voll heimlicher Musik

Alle Sterne hör' ich singen und die Schatten am Kamin

Leiten zu den Träumen meiner Jugend hin.



Das alte Haus von Rocky Docky hat vieles schon erlebt

Kein Wunder

das es zittert

kein Wunder das es bebt

Das Haus von Rocky Docky sah Angst und Pein und Not

Es wartet jeden Abend auf's neue Morgenrot

Dieses Haus ist alt und hässlich

dieses Haus ist kahl und leer

Denn seit mehr als fünzig Jahren

da bewohnt es keiner mehr

Dieses Haus ist halb verfallen

und es knarrt und stöhnt und weint

Dieses Haus ist noch viel schlimmer als es scheint



Das alte Haus von Rocky Docky hat vieles schon erlebt

Kein Wunder

das es zittert

kein Wunder das es bebt

Das Haus von Rocky Docky sah Angst und Pein und Not

Es wartet jeden Abend auf's neue Morgenrot



Das alte Haus von Rocky Docky hat vieles schon erlebt

Kein Wunder

das es zittert

kein Wunder das es bebt

Das Haus von Rocky Docky sah Angst und Pein und Not

Es wartet jeden Abend auf's neue Morgenrot

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