"Ganz unten ", der " Aufmacher " " aus der schönen neuen Welt "?


" Trau' Keinem über 30! ", so lautete einst ein provokativer Spruch der APO, der 68er-Bewegung und der Töchter sowie Söhne aus gut bürgerlichem Hause. Seit jener unruhigen Zeit hat sich die Welt enorm gewandelt. Aus der im Aufbruch befindlichen BRD-Gesellschaft ist eine große Ansammlung von Egoisten, Abzockern und Heuchlern geworden. Je nach Bedarf, wird die eigene Fahne - bei der WM und EM im Fußball dürfen es gerne mehrere sein - in den Wind gehängt. dabei sein ist heute immer noch Alles; wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen.

Vertrauen hat heute niemand mehr, das Misstrauen überwiegt und das Selbstvertrauen ist eh im Keller, wenn es darum geht, Tacheles zu reden, den vorhandenen Ungerechtigkeiten entgegen zu treten und sich dabei aktiv einzubringen. Die Generationen Spaß, Golf I sowie Millennium sind überwiegend Einzelkinder, Scheidungsgestresste oder dressierte Affen der sich selbst verwirklichenden Mütter,Väter sowie Eltern.
Jene Spezies stellt zwar nur eine Minorität im gesamten BRD-Volk dar, soll jedoch in den nächsten Dekaden das von ihren Eltern/Erzeugern, den post-faschistischen Großeltern oder WiWu-Verblendeten übertrage Erbe antreten, verwalten sowie verbraten können. Da müssen einem kritischen Beobachter sofort erhebliche Zweifel kommen.

Das diese Generationen dem einstigen Polit-Spruch nicht viel abgewinnen sollten, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Grund hierfür heben sie alle Male, denn die Vorgänger haben sich - nicht nur in ihren Augen - als überaus verwandlungsfähig gezeigt, was die die Erfüllung, Umsetzung sowie Weiterführung der Träume von einer besseren, einer gerechteren, von einer nivellierten Gesellschaft angeht. Von jenen Barrikadenstürmer der Spätsechziger sind nur sehr wenige ihren einstigen Grundsätzen treu geblieben.

Einer, der seinen Stachel im Fleisch der Berufsheuchler, Egoisten und Opportunisten eingepflanzt hat, heißt Hans-Günther Wallraff. Seit vielen Jahren hält er durch seine regelmäßigen Veröffentlichung zu dem Realzustand in diesem, unserem Lande, jenen Ahnungslosen aus der vorbenannten Bevölkerungsmehrheit den Zerrspiegel vor das eigene Gesicht.

Die vielen Bücher, Reportagen und Beiträge mit denen Günther Wallraff auf politische und soziale Missstände eingeht,haben ihn zu einem gewichtigen Sprachrohr jenes Restes von kritischen Menschen werden lassen, die die Entwicklung in der BRD oft mit Argusaugen beobachten, mit Argwohn begleiten und durch sachlich-fachlich fundierte Meinungen bewerten.
Günther Wallraff, geboren am 01. Oktober 1942 in Burscheid, einer Stadt im Großraum von Köln , hat seit seiner Tätigkeit als so genannter " Enthüllungsjournalist " nie ein Blatt vor den Mund genommen, um auszusprechen, " Was Sache ist ".
Er ist deshalb sehr oft angeeckt. Mit der faschistischen Militärjunta in den 70er in Griechenland, mit dem "mächtigen" Springer und seinen getreuen Vasallen von der " BLÖD "-Zeitung, mit Großkonzernen, mit Politikern, Kirchenfürsten und "Linkenhassern".

Das Buch " Der Aufmacher " habe ich einst zwei Mal gelesen, sein späteres " Ganz unten " auch, von seinen Folgeveröffentlichungen habe ich durch Sekundärliteratur gehört. Er hat einst mit namhaften Literaten, wie Heinrich Böll, Bernt Engelmann oder dem Bremer Kollegen Heinrich Hannover zusammen gearbeitet. Sein Arbeitsstil muss als investigativ bezeichnet werden, die journalistischen Methoden waren vielleicht nicht immer mit Art. 5 GG gedeckt, die daraus erhaltenen Ergebnisse, Informationen und geäußerten Meinungen rechtfertigen seine Arbeitsweise jedoch in jedem Fall.

Nun hat Hans-Günther Wallraff wieder dem gemeinen Volk aufś Maul geschaut und aufgrund seiner Recherchen das Buch

" Aus der schönen neuen Welt. Expeditionen ins Landesinnere. " (2009) ISBN 978-3-462-04049-4

heraus gegeben.

Seine Reportagen reichen von dem Erlebten als um geschminkter Farbiger, über den Mitarbeiter bei LIDL bis zum Obdachlosen. Die Bandbreite der unterschiedlichen sozialen Ränge im gesellschaftlichen Gefüge ist groß. Dennoch bleibt insgesamt zu konstatieren, dass die Diskriminierungserfahrungen in etwa auf das Gleiche hinaus laufen. Je niedriger die von den Herrschenden erstellte Skala der gesellschaftlichen Wertschätzung, desto höher der Diskriminierungsfaktor. Am Rand dieser Egomanen-Gesellschaft stehen Ausländer, Arbeitslose und Obdachlose.
Nun, diese Erfahrungen sind nicht unbedingt neu. Günther Wallraff bringt sie mit seinen Schilderungen allerdings in einen anderen Kontext. Hierin beschreibt er die vermeintlich humanistischen und klerikalen Einrichtungen, wie etwa die Bahnhofsmission in Köln, deren " stinkendes " Eigenlob sich auf der Homepage wie folgt liest:

"

Die Bahnhofsmission versteht sich als eine Einrichtung, die jedem Hilfesuchenden zugänglich ist. Menschen aller Altersgruppen sowie jeglicher Herkunft und Nationalität dürfen hier ein Gespräch, Begleitung, Schutz und sachkundige Information erwarten.
Sie arbeitet Hand in Hand mit der Bahn AG und kann sich auf verlässliche Kontaktstellen in Köln stützen, wie z. B. Wohnungsamt, Sozialamt, kirchliche und freie Träger der Wohlfahrtspflege, Pfarrämter, Notaufnahmestellen, Botschaften, Konsulate und auch medizinische Einrichtungen.

Die kontinuierliche Präsenz Tag und Nacht stellt einen ruhenden Pol an einem Ort mit hoher Fluktuation dar.


Die Öffnungszeit:
24 Stunden an allen
Tagen im Jahr.

Weitere Informationen unter: www.bahnhofsmission.de "

( Zitat Ende )




Die hellseherischen Fähigkeit eines kritischen Journalisten ermöglichten es, diese Behauptung zu widerlegen. Tatsächlich gibt es eine stringente Öffnungszeit, die nicht nur von den Mitarbeitern eingehalten wird, sondern durch die Hilfesuchende von diesen abgebügelt werden. Die christliche Nächstenliebe reicht eben doch nicht bis über die eigenen Einrichtungstüren. Der Anspruch der Amtskirchen, die ihre angeblich humanistische Tätigkeit, ja aus der Bibel ableiten wollen und die gesellschaftliche Realität liegen sehr oft Lichtjahre auseinander. Wer Obdachlos für ein winziges Entgelt arbeiten lässt, wer Alkoholkranken sogar die Möglichkeit einräumt auf dem Gelände einer Einrichtung Alkoholika von diesem zuvor mühsam erarbeiteten Geld kaufen zu können, wer sozial Gestrandeten - außer einem Dach über den Kopf - nichts weiter anbietet, damit sie den Winter "überleben" können, der handelt eben nicht christlich.

Güther Wallraff hat jene Heuchler, Frömmler und Pseudo-Christen als Lügner entlarvt. Er hat ihnen nicht nur anhand seiner eigenen Erfahrungen, den kirchlichen Einrichtungen die Fratze des kommerziellen Handelns vorgeführt, sondern er hat auch das wahre Bestreben, dass sich dahinter verbirgt entlarvt: Profitstreben eben!

Die globalisierte, die "bunte ", die schöne - jedoch nicht neue - Welt hat denn sehr viele Schattenseiten. Dieses sich immer wieder vor Augen zu führen, wäre ein notwendiges Muss für alle Menschen in den wohlhabenden, den reichen, den Industriestaaten und für jene denen es dazu noch gut, besser oder sagar glänzend geht. Leider ist uns ein solches Verhalten längst abhanden gekommen.

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