ITT Schaub-Lorenz Kofferadio - Ein Methusalem begleitete mich mehr als 2 Jahrzehnte.
























Wir schreiben das Jahr 1966. Es ist Sommer. Die Temperaturen im August steigen auf über 30 ° Grad am Tag. Selbst der auf kommende Wind in den frühen Abendstunden brachte keine Erfrischung. In den Zimmern unseres elterlichen Hauses stand die Hitze. An ein frühzeitiges Einschlafen war deshalb nicht zu denken. Ich wälzte mich auf dem Klappbett, das an der Dachschräge zur rechten Wand stand, hin und her. Von draußen waren das Zirpen der Grillen und ab und zu ein Knattern eines auf der nahe gelegenen Bundesstraße fahrenden Mopeds zu hören. Gegen 9.00 Uhr wehte der Wind Gesprächs - und Musikfetzen einer Feier herüber, die in der Nachbarschaft stattfand. Lautes Lachen wechselte sich mit den Lieder aus einem Schifferklavier oder besser: einem Akkordeon ab.
Ich dachte sofort an das Kofferradio, das sich meine Eltern seit längerer Zeit schon hätten eigentlich zulegen wollen. An Schlafen war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken. Irgendwann, vielleicht ein oder zwei Stunden danach musste ich dann wohl doch eingeschlafen sein - trotzt der lauten Musik.

Als ich am nächsten Morgen, es war ein Samstag aufstand, lief ich die Treppe herunter, um in der Küche nachzusehen, ob unsere Eltern das schon längst erwünschte und uns gegenüber ständig erwähnte Kofferradio gekauft hätten. Zu meiner großen Enttäuschung stand weder ein Radio auf dem Tisch, noch konnte ich es in einem anderen Zimmer entdecken. Ich befragte später meine Mutter, nachdem diese aus der Arbeit zurück kam, ob sie nicht doch ein Kofferradio gekauft hätten. Als Grund für meine Neugierde gab ich an, am Abend laute Musik gehört zu haben. Die Musik kam von einem Polterabend, den das spätere Hochzeitspaar auf dem Hof eines benachbarten Grundstücks am Abend zuvor veranstaltet hatte. Kein eigenes Radio also.

Es vergingen noch viele Monate, ehe dann irgendwann im Frühjahr des folgenden Jahres, unsere Eltern sich tatsächlich ein Kofferradio der Marke ITT Schaub - Lorenz zulegten. Es war ein mindestens 30 cm langes, mehrere Kilogramm schweres Gerät, mit einem blauen Chassis, zwei Teleskopantennen, einer grau-weißen Skala mit weißen Drehknöpfen für die Sendersuchwahl und die Lautstärke, für Höhen und Bässe waren zwei kleinere Drehknöpfe vorgesehen. Ein tolles Radio. Ein Traum! Schaub - Lorenz war einst ein führender Radiohersteller, so wie Grundig, Telefunken, Nordmende, Graetz, Körting oder Löwe Opta. Alles deutsche Wertarbeit.

So bestaunte ich denn das Ungetüm, das " Schaub-Lorenz Touring 80 Universal ". Ich traute mich nicht einmal das Gerät anzustellen. Ich hatte Angst, es könnte etwas daran kaputt gehen. Denn das Kofferradio war teuer.

Tja, dann die technischen Daten:

"Prinzip Superhet allgemein; ZF 460/10700Superhet - normally without a preamplification stage (as far as known). Please use «To add informations to model» if you know more! Thanks.
Récepteur TSF superhétérodyne. Normalement sans préamplification de HF.
Superhet ohne Vorstufe.
Nicht immer war bei der Erfassung klar, ob der Empfänger eine Vorstufe aufweist oder nicht. Im Zweifelsfall kam das Gerät in diese Kategorie.
Anzahl Kreise 7 Kreis(e) AM; 13 FM-Kreis(e)
Wellenbereiche Langwelle, Mittelwelle, Kurzwelle und UKW.AM (long-, medium- and short waves) and FM (VHF). GO, PO, OC et MF (onde ultra-courte, bande FM).
LW, MW, KW und UKW
Wahrscheinlich sind keine Bänder unterteilt. Bei älteren europäischen Geräten ist der UKW-Bereich noch nicht bis auf 108 MHz erweitert (87,5 oder 88 bis 100 oder bis 104).
Betriebsart / Volt Trockenbatterien / 5 × 1,5 VoltDry battery supply. Alimentation de batterie
Batteriespeisung mit Trockenelementen.
Das Gerät erhält seine Betriebsspannungen von nicht aufladbaren Batterien (Primärzellen).
Solche Geräte wurden auch mit sogenannten Netzanoden gespiesen, die zumindest die Anodenspannung lieferten, in manchen Fällen auch Gittervorspannungen und teilweise auch Heizspannungen.
Lautsprecher /
Ausgangsleistung Permanentdyn. OvallautsprecherPermanent magnetic dynamic loudspeaker (moving-coil) in elliptical form - without field excitation coil. Haut parleur elliptique avec système dynamique (sans bobine d`excitation).
Permanent-dynamischer Ovallautsprecher (elliptisch, ohne Erregerspule für das Magnetfeld). / 2.5 W
www radiomuseum org Model: TOURING 80 Universal 1101-63 royalblau Material Plastikgehäuse (nicht Bakelit), ThermoplastPlastic case - not bakelite.
Caisse en plastique - pas en bekelite!
Moderner Kunststoff im Gegensatz zu Materialien wie Bakelit, Philit etc.
Form Koffer-Gerät, z.B. Kofferradio bzw. Reisegerät (Batterie und evtl. auch Netz > 20 cm).
Abmessungen (BHT) 300 x 188 x 93 mm / 11.8 x 7.4 x 3.7 inch
Transistoren 10:
Bemerkung Transistoren: AF106, AF125, AF136, 2× AF126, AF137, 2× AC122, 2× AD155.
FM-ZF-Verstärker für HF-Stereo-Empfang ausgelegt. Betrieb im Auto über Autohalterung aus 6-V- oder 12-V-Autobatterie, dann Ausgangsleistung = 6 W; Netzbetrieb mit zusätzlichem Netzteil oder aus Touring-Stereo-Component möglich.
Nettogewicht 3.4 kg / 7.5 lb
Sammlerpreise 3 Sammlerpreise (für Mitglieder)
Datenherkunft Handbuch VDRG 1967 "


Über den Hersteller habe ich gefunden:



Geschichte

Die beiden Stammfirmen des Unternehmens – Mix & Genest und C. Lorenz – wurden 1879 bzw. 1880 gegründet. Das erste Patent von Mix & Genest datiert von 1883, das erste Patent von C. Lorenz ist aus dem Jahr 1902.

Die Firma Mix & Genest war wesentlicher Teil der Standard Elektrizitäts-Gesellschaft (SEG), in die auch die Süddeutsche Apparatefabrik (SAF), die 1875 von F. Heller gegründet wurde, integriert wurde. Die SEG war seit 1929 im Besitz der International Telephone and Telegraph Company (ITT). Der technische Schwerpunkt von Mix & Genest bzw. SEG war der klassischen Fernmeldetechnik zuzuordnen. Technischer Direktor und Vorstandsmitglied war von 1948 bis 1952 Karl Küpfmüller.

1956 wurde die Firma SEG in Standard Elektrik AG umbenannt. 1956 wurde ein Kabelwerk gegründet. Wesentlicher Motor für das 1957 gegründete Informatikwerk war Karl Steinbuch, der von 1948–1958 dem Unternehmen, zuletzt als Technischer Direktor und Leiter der Zentralen Forschung, angehörte.

Der technische Schwerpunkt der Firma C. Lorenz war die Funktechnik. Die Firma baute in den 1920er und 1930er Jahren Großsender für den neu gegründeten Rundfunk und baute auch die für den Empfang notwendigen Rundfunkempfänger. Die C. Lorenz AG, die ebenfalls wie die SEG seit 1929 im Besitz der ITT war, übernahm 1940 die im Jahre 1921 gegründete Fa. Schaub (neue Marke: Schaub-Lorenz).

1958 erfolgte die Vereinigung der Standard Elektrik AG mit der C. Lorenz AG zur Standard Elektrik Lorenz AG (SEL).

Versuche, auf dem neuen Gebiet der Raumfahrt-Elektronik Fuß zu fassen, waren auf folgende Produkte beschränkt:

* AZUR: Telemetrie/Telekommandogeräte
* Spacelab: Datenerfassung/Kommandoterminal.

SEL entwickelte zu Beginn der 1970er Jahre das Präzisionsanflugverfahren SETAC.

1976 hatte SEL ein Grundkapital von 357 Mill. DM bei 33.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 2,6 Mrd. DM.

Die Standard Elektrik Lorenz AG übernahm 1961 die Graetz KG. Die Firmenteile Schaub-Lorenz und Graetz waren zusammen mit einem Bildröhrenwerk Bestandteil der Unternehmensgruppe Audio Video der SEL AG. Dieser Unternehmensbereich wurde im Jahre 1987 von der finnischen Firma Nokia übernommen.

1983 SEL stellt mit Digivision den weltweit ersten Digitalfernseher vor."

Nun stand es da, im Jahre 1967 und machte Musik. Über viele Jahre lang wurde es ein treuer Begleiter. Auch wenn zunächst die beiden Teleskopantennen abbrachen und die erste Reparatur fällig wurde. Auch wenn das Chassis diverse Macken, Kratzer und Abplatzungen davon trug. Das ITT Schaub - Lorenz Touring 80 machte auch so manche Tour mit. In den Keller spielte es, auf dem Rasen vor dem Haus spielte es, in meinem Zimmer unter dem Bett spielte es. Als die Beat-Musik in den 60er aufkam, sich die deutschen Sender weigerten diese Musik zu spielen, suchte ich verzweifelt nach ausländischen Stationen. Radio Luxemburg, der Deutsche Soldatensender oder Radio Caroline gehörten später auch dazu. Oft ergatterte ich in den Abend - und Nachstunden auf KW = Kurzwelle - wenn auch verrauscht und unisono nur in Mono - einige Hits aus der damaligen Zeit. Joe Cocker " With a little help from my friends ", " The Marmalde " mit " Ob la di, ob la da " oder " Yasemine " von den " Casuals ", sie rauschten quäkten oder zirpten in meinem Zimmer. Eine grausame Tortur, denn die ausländischen Sender entschwanden regelmäßig in die unendlichen Weiten des Äthers. Ich ärgerte mich ständig, weil ich gerade einen tollen Titel hören konnte. Oft quasselten dann Sprecher in einer mir völlig unbekannten Sprache dazwischen : oft in tschechisch, russisch, niederländisch, französisch, englisch - konnte ich ein wenig verstehen - oder sogar polnisch.

So verflog meine Jugend mit dem blauen Schaub - Lorenz - Radio wie im Fluge. Das Radio ging später nach Wilhelmshaven mit auf Reisen, zu meiner ersten Studentenbude. Dann bis Ende der 80er nach Bremen, wo ich es nur sehr selten anstellte, um WDR II über Mittelwelle zu hören. Manchmal lag es auf dem Beifahrersitz meines R 4 und dudelte dann schon meinen Musikgeschmack.
An einem Tag nach meinem weiteren Umzug innerhalb Bremens verschwand der schwere Kasten dann endgültig. Ich verschenkte es an einen Elektronik - und Elektrostudenten, der es dann wohl im reparierten Zustand weiter verkauft hatte. Der Stundent hat mir später gebeichtet, dass er dafür noch 50 Deutsche Mark von einem älteren Herren kassiert habe. Immerhin! Der Freund ging dahin zurück, wo er dann vor über 20 Jahren hergekommen war: in die Vergangenheit nämlich!

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