Die Bienert-Mühle: Aufstieg und Niedergang einer Familie.



Der herrliche Frühlingstag machte aus meinem Kurzspaziergang an der Weißeritz noch einen baulichen Rückblick in längst vergessene Zeiten. Eher spontan verlängerte ich den Heimweg von der an dem Flüsschen belegenen Apotheke um einige hundert Meter und gelangte so auf das Gelände der ehemaligen Bienert-Mühle. Die teilweise verfallenen Gebäudetrakte versprühen den Charme einer dem Untergang geweihten Wirtschafts - und Gesellschaftsordnung. Ein Betrachter fragt sich,ob und wie hier einst überhaupt Prosparität entstehen konnte, wie es gelungen ist, aus einem derartigen Gelände eine fast Stadtteil große Fabrikanlage zu bauen?

Die Historie jener Industriebrache umfasst einige Jahrhunderte.
  • 17. Mai 1366: Bischof Johann von Meißen erwähnt eine Mühle an der Weißeritz bei Plauen
  • um 1466: die Dresdner Tuchmacher kaufen eine Mühle, um sie zur Walkmühle umzubauen
  • 1487: die Dresdner Tuchmacher streiten mit den Einwohnern von Plauen über die Grenze des Grundstücks der Walkmühle an der Weißeritz (auf dem Gelände der heutigen Bienertmühle). Eine Kommission von Linienrichtern setzt Grenzsteine und markiert Grenzbäume
  • 20. Dezember 1541: Erwähnung als Raths-Walkmühle
  • 25. Dezember 1568: Kurfürst August kauft die Walkmühle, lässt sie abreißen und an ihrer Stelle die Hofmühle erbauen
  • 12. März 1569: Grundsteinlegung für die Hofmühle
  • 8. September 1571: Fertigstellung der Hofmühle, der erste Müllermeister (vereidigter Pächter) war Zacharias Zimmermann
  • 1571: der Kurfürst führt den Mahlzwang für die neue Hofmühle ein. Die brotlos gewordenen Plauener Müller, die Gebrüder Moses, übernehmen die obere und untere Mühle in Tharandt
  • 1852: Traugott Bienert pachtet die Mühle
  • 1872: Bienert kauft die Mühle
  • 1945: Die Mühle firmt ab nun unter dem Namen "VEB Dresdner Mühlenwerke"
  • 1995: Schließung der Mühle, die zuletzt von der Bäckereifirma Wendeln betrieben wurde.
  • 2006: Eröffnung eines Mühlenmuseums in der Bienertmühle.

  • Die Zeit der so genannten industriellen Revolution begann hier nach Aufhebung des Mahlzwanges. Zunächst verlor die technisch verschlissene Mühle schnell an Bedeutung. Aus diesem Grund konnte der aus Eschdorf stammende Müller Gottlieb Traugott Bienert am 1. Mai 1852 die Hofmühle Plauen zu günstigen Konditionen pachten. Sehr zügig begann Bienert mit der Modernisierung der Mühle und ließ diese bereits 1853 um eine Bäckerei erweitern. Im Jahre 1858 wurde dann die erste Dampfmaschine installiert. Dadurch erlangte die Anlage eine gewisse energietechnische Autonomität, denn bei Wassermangel ersetzte sie die Turbinen an der Weißeritz. Prägende Erweiterungen der Anlage erfolgten zwischen 1867 und 1889. So entstand u. a. ein neuer Großspeicher mit Gleisanschluss an die angeschlossene Eisenbahnlinie. Als weitere Transportmittel wurden jedoch auch spezielle Güterstraßenbahnwagen eingesetzt. Bienert war inzwischen ein gut verdienender Industrieller, als er sich 1863 eine Villa als Wohnhaus erbauen ließ, die mit einem kleinen Landschaftspark umgeben wurde. Dieser war im Stil der damaligen Zeit mit Wasserläufen und Grotten sowie einer Pergola gestaltet, auf deren Dach ein Tennisplatz lag. Die opulente Villa und Park sind heute - so wie die übrigen Teile der Werksgebäude auch - nur noch in schlechtem Zustand zu betrachten.




Von den überwiegend verwitterten Fassaden bröckelt der Putz, die Mehrzahl der Fenster sind zerbrochen, auf den Dächern der Trakte wachsen Birken heraus. Sukzessive holt sich die Natur das verloren geglaubte Terrain wieder.





Wo einst viele hundert Beschäftige den Reichtum des Fabrikeigentümers im Mehrschichtbetrieb mehren durften, finden sich heute nur noch Zeugen des Niedergangs.







Nach dem Tod des Fabrikgründers Bienert am 22. Oktober 1894 wurde der Betrieb über 2. Weltkriege, zunächst durch die beiden Söhne des Industriellen eigenständig fortgeführt.
Diese engagierten sich - ganz im Sinne des Vaters - auf vielen kulturellen und kommunalen Gebieten. Der Dresdner Orteil Plauen war einst eine eigene Kommune und erlangte durch die Aktivitäten der Familie Bienert einen beachtlichen Stellenwert in der Region.

Zu der Bedeutung der Industriellenfamilie wären des Nationalsozialismus konnte ich bisher keine Informationen erhalten. Auf sämtlichen Seiten finden sich zwar Chronologien,dieser Zeitraum wird jedoch ausgespart. Leider!

Die Familienhistorie endet eigentlich mit der Verstaatlichung der Fabrikanlagen im Jahr 1945 und der Fortführung der Produktion als VEB Dresdner Mühlenwerke. Der Mahlbetrieb in Plauen wurde alsbald eingestellt, so dass nur noch die Gebäude der Backwarenherstellung dienten.

Nach der Wende und der faktischen Wiedervereinigung 1991, wurden die Betriebsanlagen durch die Treuhand verwaltet und an die Industriebackwarenherstellfirma Wendeln veräußert. Diese stellten den Betrieb der Fabrik im Jahre 1995 endgültig ein. Der von den Gebrüder Wendeln bis 2002 geführte Betrieb aus NRW hatte zuvor bereits die Achimer Brotfabrik Lieken Urkorn und desse Ableger " Golden Toast " aufgekauft und die Produktion dort übernommen. Im Jahre 2002 schluckte der Großbäcker Kamps den Backwarenhersteller Wendeln, womit auch jener Bezug zu der ehemaligen Biernert-Mühle in Plauen letzendlich verloren ging.










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