Herbstzeit-Jahrmarkts - oder Rummelzeit?

Einst waren die vier Jahreszeiten voneinander so scharf getrennt, dass sich jeder Mitteleuropäer fast exakt darauf einstellen konnte. Der Frühling begann ab Mitte März, nachdem Mitte Februar die Schneeglöckchen, die Krokusse, die Tulpen von den Narzissen, den Vergissmeinnicht und den Primeln, den Maiglöckchen abgelöst wurden. Die Kirschbäume blühten, mit ihnen der Ginster oder der Flieder. Es folgte die Apfelbaumblüte, zusammen mit den übrigen Obstbäumen. Wenn im Februar, nach einem oft sehr kalten Winter mit Eis, Schnee und heftigen Winden, mit Temperaturen unter 10 Grad Minus, der Schnee und das Eis langsam schmolzen, wenn die ersten zarten grünen Blättchen aus dem Schnee und dem dunkelbraunen Boden hervor lugten, dann kam nach der dunklen, der grauen und kalten Jahreszeit, auch die Sonne häufiger hervor. Die schon recht warmen Temperaturen und die Sonnenstrahlen tauten die Menschen dann wieder aus der Winterstarre auf.

In der Schule mussten wir die obligatorischen Frühlingsgedichte auswendig lernen.Edurad Mörike, Johann Wolfgang von Goethe oder aber auch Hugo von Hoffmannsthal waren die standardisierten Lyriker. Neben diesen Pflichtübungen gehörte aber auch der Frühjahrsputz dazu. Winterschuhe wurden gesäubert und in das Regal gestellt, Fahrräder gewienert, Fenster geputzt. Im Garten wurde gepflanzt, was grün macht. Der Frühling ließ die Menschen wieder zu neuen Ideen kommen, sie mobilisierten Kräfte, um ihr Leben neu zu ordnen. Oft waren wir Kindern daran eher unbeteiligt. Wir sahen nur staunend zu, wie sich unser Umfeld veränderte. Manchmal wurden wir zum Arbeiten mit eingeteilt. Mehr nicht! Eigenen Wünsche blieben sehr oft nur außen vor.

Wenn die Tage länger wurden,blieben wir auch länger zum Spielen draußen. Die lagsam grüner werdenden Felder, die sich an einem Grasweg entlang zogen, die grünen Bäume an den Walldichtungen und die vielen Spielmöglichkeiten entlang des kleines Bächleins, sie faszinierten uns immer wieder neu. So vollzog sich der Übergang vom Frühling zum Sommer eher nahtlos. Am 21. Juni, die kalendarischen Sommeranfang, an dem der Tag mehr Helligkeit bietet, als sonst in einem Jahr, fiebert wir den Großen Ferien, den Sommerferien und den Zeugnissen entgegen. Ab der ersten Juliwoche war es dann soweit, die Schule schloss für genau 6 Wochen ihre Türen. Nur im Sportverein, in der Turnhalle und auf dem Bolzplatz herrschte nach wie vor reger Betrieb. Der Juli und auch der August zeigten sich schon bald von seiner Hochsommerseite. Brütend heiße Tage mit Temperaturen von bis 30 Grad oder sogar darüber hinaus. Plötzliche Hitzegewitter mit sintflutartigen Regengüssen. Dann wieder Badetage von morgens ab 10.00 Uhr bis zum Nachmittag und in den Abend hinein.

Nach den Sommerferien gab es sogar einige Tage im August, an denen hitzefrei gegeben wurde, weil ab 12.00 Uhr die Temperaturen längst über 28 Grad gestiegen waren. Mit dem Ende des August kehrten dann plötzlich kühlere Tage ein. Es regnete regelmäßig und die Sommerzeit war so schnell vorbei, wie sie ab Mitte Juni gekommen war. Ab Mitte September färbte sich das Laub langsam bunt und die Blätter fielen zunächst nur spärlich von den Bäumen. Spätesten ab Anfang Oktober änderte sich dieses jedoch. Es gab jetzt einige warme Tage mit angenehmen Temperaturen und Sonnenschein. Es war die Zeit der Märkte. Der Jahrmärkte oder des Rummels. In Bückeburg fand dieser immer auf einem unbefestigten Platz neben der Kirche statt, später dann neben dem Rathaus. Die überschaubare Anzahl von Fahrgeschäften , Schaustellern und Kirmesbuden machten diese Veranstaltungen einst eher familiär. Jahrmarkt, Rummel oder Kirmes - das waren für uns richtige Ereignisse. Mit einigen Freunden fuhren wir per Bahn oder später mit dem Bus zur Schulstraße oder bis zur Bahnhofsstraße, wo wir noch einige Meter zu laufen hatten, ehe das Gedröhne aus den Lautsprechern der Fahrgeschäfte uns entgegen schallte. Mit bis zu fünf DM in der Tasche versuchten wir für 50 oder 70 Pfennig ein Maximum an Fahrten heraus zu holen.Das bisschen Geld reichte natürlich nie. Der Auto-Scooter war die Attraktion Nummer Eins, gefolgt von City-Express
oder dem Kettenkarussell. Wenig war damals einfach mehr.

Die Jahre verflogen, es wurden weitere Jahrmärkte eröffnet, die den Besucher weglocken sollten. Die Zahl der Geschäfte und die Arten der Schaustellbetrieb änderten sich. Mit der zunehmenden Kommerzialisierung stiegen die Preise an. Die Reizüberflutung stieg enorm an: Schneller, höher, weiter, teurer! Nach meinem Wegzug nach Wilhelmshaven, in eine Großstadt, verschoben sich für mich die Dimensionen des Rummels. Hier wurden nicht nur größere Fahrgeschäfte platziert, sondern auch eine höhere Anzahl ihrer. Später kam der Bremer Freimark, an dem ich eher unregelmäßig erfreute. Im Laufe der Folgejahre erlosch das bis dato eher geringe Interesse nun völlig. So habe ich mich dann auch nicht weiter gewundert, dass der " gute alte " Bückeburger Jahrmarkt von Jahr zu Jahr immer weniger Schausteller registriert und die zu hohen Preise die potentiellen Kauflustigen abschrecken. Der Herbstmarkt des Jahres 2008 war - das dürfte eben keine große Überraschung gewesen sein - eine einzige Enttäuschung,sowohl für die Gewerbetreibenden, die Stadt, als auch für die vielen Besucher. Massen schoben sich von rechts nach links,von oben nach unten - nur an den Buden stand niemand. Zu teuer, zu wenig Geld, zu viel Angst? Das dürften wohl die Hauptursachen sein, wenn der Rummel nicht läuft. In den Zeiten der Globalisierung macht auch der ungewisse Ausgang der nächsten Lebensjahre vor keiner Haustür halt. Arbeitslosigkeit ist auch in der Provinz längst kein Schimpfwort mehr, sondern bittere Realität. Die Arbeitplätze von einst, aus den goldenen 50 - bis 70er Jahren, sie sind nicht mehr vorhanden. Das Geld ist nicht mehr da, um auf den Rummel zu gehen und zu konsumieren, also wird flaniert und gegafft. Sehen und gesehen werden eben - im Schlepptau der Finanzkrise natürlich kostenlos!

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