Wenn einer eine Reise tut,dann kann er was erzähl´n oder: Wie halte ich bei den Prahlereien noch mit?

Wir schreiben den Monat Juni 2008. Ein schöner Monat? Eine gute Zeit, um noch vor Beginn der Sommerferien,der großen Ferien, mitsamt seinen chaotischen Autobahnstaus oder den randvollen Flughäfen,den leeren Innenstädten und vollen Stränden in den Regionen um das schmutzige Wasser,den Auswirkungen desMassentourismus im 3. Jahrtausend,vielleicht noch eine klein wenig Ruhe zu tanken.




So dachten auch die Nachbarn und buchten eine Schiffsreise in der Ostsee. Die AIDA-Schiffe sind mit ihrem Angeboten nicht unbedingt das "gelbe vom Ei ",dennoch immer beliebt, um sich von der Masse durch die Masse abzusetzen. Es gibt eine Vielzahl von Kreuzfahrtsschiffsgesellschaften, noch mehr Kreuzfahrtsschiffe und eine Unzahl von Passagieren. Diese Reise - und Urlaubsvariante erfreut sich seit vielen Jahren einer wachsenden Beliebtheit. Sie ist deshalb, wie andere Massentouristiksparten,in einer fortwährenden Wachstumsphase. Sie zählt zu den aufstrebenden Branchen in der globalisierten Welt.


Was vor vielen Jahrzehnten einer nur erlauchten Minorität vorbehalten war,nämlich auf sämtlichen Weltmeeren einmal im Leben gewesen zu sein,gehört mittlerweile zum Standard - zum guten Ton in schlechten Zeiten. So wie weltweit die Gesellschaften enorm auseinander driften,indem Reicher immer reicher werden und Arme immer ärmer,so zeigt der Touristikmarkt auch jene Klassenunterschiede. Da gibt es jene Menschen, die nicht einmal an einen Urlaub denken können,weil dieser unbezahlbar ist: Es gibt jene Zahl von Urlaubern,die die unteren Kategorien buchen,um überhaupt mitreden zu können. Dann folgen jene Touristen,die mehrere Reisen im Jahr absolvieren können und damit herum prahlen. Schließlich existiert eine winzige Gruppe von Dauerreisenden, die weder über ihre Aktivitäten, noch über das dafür notwendige Geld sprechen.





Die sonst individualisierte, atomisierte Gesellschaft, innerhalb derer es ungezählte Minoritäten gibt, sie lässt sich hier schön katalogisieren. Für jeden Geldbeutel ist ein Angebot dabei - sofern sie/er das entsprechende Geld auch wirklich hat. Aber auch diesen - ansonsten ständig in Finanznöten lebenden Mitbürgerinnen/ Mitbürgern - kann geholfen werden. Eine nachweisbare Bonität voraussetzt, lassen sich einige hundert Euro für den " Traumurlaub " auf einem dieser " Traumschiffe " auf das eigene Konto transferieren. Der Urlaubskredit, der Urlaub von der Bank finanziert,er ist für eine Unzahl von Urlaubswütigen in der heutigen Zeit kein Fremdwort. Zurückgezahlt wird in "bequemen" 6o Monatsraten;notfalls erneut umgeschuldet oder es wird die Kreditlinie aufgestockt. So einfach ist das!





Urlaub auf Pump, Leben auf Kredit, Konsum über die kreditierte Kreditkarte - es herrschen in der BRD längst amerikanische Verhältnisse. Alles ist easy credit - eben!


Nun gibt es eine besondere Spezies unter jenen Pauschalurlaubern,die qua ihrer gesellschaftlichen Stellung immer noch als kreditwürdig angesehen werden,obwohl sie es längst nicht mehr sind. Es ist jener Berufsstand der Selbständigen und Freiberufler,die einst ein hohes Ansehen genossen haben,deren Reputation eher untadelig galt und die es nach einer langen Ausbildung und einer noch längeren Durststrecke, dann doch zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben.

DieÄrzte,Zahnärzte,Tierärzte,Rechtsanwälte,Notare,Architekten,Steuerberater,Apotheker,Sachverständige und sonstige, auf eigenen Namen tätige Berufsgruppen. Sie stellten einst das Korsett des ehemaligen Mittelstandes dar. Wer sich hier dazuzählen konnte, der war etwas,der darf erhobenen Hauptes durch die Provinz,die Klein -oder Großstadt gehen. Der konnte irgendwann einmal zeigen,was er hat. Ein eigenes Haus, ein Auto, ein Boot,einen gut gefüllten Weinkeller - eine Zweitfrau!





Nun, die Zeiten wurden schlechter und eines Tages dann, versank auch dieser Mittelstandsteil in dem Chaos des Fressens und gefressen Werdens. Es geht diesen Exponenten der Selbstdarstellung im Rahmen von Dauerklischees mittels Medien, heutzutage schlecht.


Es gibt zu viele Anbieter und zu wenige lukrative Dienstleistungsverhältnisse. Ob Klient,Mandant oder Patient - die "Kohle" sitzt nicht mehr so locker. Das Anspruchsdenken indes ist gestiegen,denn schließlich muss jeder Freiberufler nach außen zeigen,dass er es eben doch geschafft hat. Wer sich in diese Tretmühle hinein begibt, der kann sehr schnell von dieser vereinnahmt werden. Es wird zu einer Art Leben des Konsum´s Willen und zum Konsumzwang des Leben´s Willen. Wer sich davon nicht zeitig löst,der wird mittels vielschichtiger Verpflichtung zum Hamster im Rad. Dieser - über viele Jahre oder Jahrzehnte - fortlaufender Drang, sich bewegen zu müssen, um in seinem eigenen Leben etwas bewegen zu können, führt unweigerlich zu einer sehr hohen Frustration. Die Toleranzgrenze sinkt dabei jedoch stetig und führt zu dem Aufbau eines verqueren, eines indifferenten Weltbildes. Die Faulen, die Schmarotzer, die Unnützen nehmen zahlenmäßig beständig zu, die eigene Position in der Gesellschaft wird dadurch völlig verklärt. Jene Austauschbarkeit, diese Beliebigkeit in der eigenen Lebensstellung, sie wirkt dann besonders frustrierend, wenn genau jene Refugien im Leben sukzessive besetzt werden - vereinnahmt und mit vereinnahmt worden sind von vielen übrigen Menschen, deren Stellenwert eigentlich weit unter dem eigenen liegen müsste.

Es entsteht der krankhafte Drang sich von dem Anderen, sich aus der Masse der Vielen absetzen zu wollen, wird besonders im Konsumbereich und ganz besonders im Reiseverhalten deutlich. Ich war schon dort, ich habe Europa, Asien, ja die ganze Welt gesehen - wenn auch als Pauschaltourist. Daraus entsteht der Drang des " sich absetzen Wollens ", der posthum dort artikuliert wird,wo ein vermeintlich schwächerer Mitstreiter ermittelt wird. Ist der "Schwächling " erkannt, wird ohne Umschweife vom Leder gezogen. Dann wird geprahlt, geprotzt und gesponnen - was das Zeug hält. Es wird dick aufgetragen, wenn die Luft immer dünner wird, wenn das verdiente Geld nicht mehr ausreicht, um den eigenen oder fremdbestimmten Ansprüchen zu genügen. Der " Nach - Wirtschafstwunderjahre - Wessi " ist ein Prototyp eines verblendeten Konsumterroristen, der gedankenlos den Müllhaufen der Wegwerfgesellschaft ansteigen lässt, um dem Anderen zu zeigen, dass er besser ist - als sein Ruf?
Zum Hauptfeind seiner Protztiraden ist seit vielen Jahren nach der Wende der "arme" Ossi, der Wendegebeutelte auserkoren worden. Ihm wird gezeigt,dass nach der Wiedervereinigung noch lange keine Gemeinsamkeiten im Konsumverhalten erwünscht sind. Ergo: Der Wessi fährt BMW, Geländewagen oder Mercedes; der Ossi die Japaner in Kleinversion; der Wessi reist mit dem Kreuzfahrtschiff in die Karibik, ins Mittelmeer oder genehmigt sich eine Nordlandreise; der Ossi fährt nach Spanien, nach Österreich oder Kroatien; der Wessi gibt den Ton an, der Ossi pariert - wie lange noch?

Wenn Spinner eine Reise buchen, dann träumen sie den Traum von Luxus und dem Garten Eden, dort hin darf der Spinner aus den AB´s nur dann mit ruhigem Gewissen hinreisen, wenn der Spinner aus den NB´s ihn nicht belästigen kann. Treffen beide Gruppen aufeinander, dann raucht´s am Schornstein des Schiffes! Später wird dann Seemann´s Garn gesponnen, von beiden Spinnern und nebenbei erzählt, wie gut es einem doch geht - wie lange noch?

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